Der „Alten“ Reiselust und manchmal Frust

Es ist erstaunlich, was manche in ihrem teilweisen doch schon recht hohen Alter alles noch bewerkstelligt. Der Renner sind ja die Busreisen. Aber, man hängt nicht mehr wie in jungen Jahren an irgendeinem Strand herum, um sich mit dem Hautkrebsrisiko zu versehen, nein, es werden Städtereisen geplant und auch durchgeführt. Kultur ist angesagt und man hetzt durch die Länder Europas und manchmal auch anderer Kontinente, um so viel wie möglich zu sehen, zu fotografieren, Postkarten zu kaufen und oft auch zu schreiben, ungeachtet der strapaziösen Situation, der man sich aussetzt. Das fängt schon mit der Fahrt an. Ein sogenannter Zubringer, meist ein kleiner unbequemer Personentransporter, karrt die Reiselustigen zu einem zentralen Treffpunkt, der irgendwo an einer Autobahnraststätte liegt. Im Prospekt steht nun immer wieder, dass es sich bei den eingesetzten Fahrzeugen um das Modernste handelt, was der Markt zu bieten hat. Air Condition, Bordküche, ja manchmal sogar ein Bordrestaurant, Fernsehen, rückklappbare ergonomisch ausgerichtete Sitzschalen und das Wichtigste für den Fahrgast im Rentenalter, ein WC. Im Zubringer ist aber nichts dergleichen zu finden, im Gegenteil, sehr unbequem und meistens stinkend, da ein Diesel. Nun wird der geneigte Leser sagen, dass es sich ja nur um eine kurze Strecke handelt, bis man in die tollen Busse einsteigt. In der Regel ist das ja auch richtig, aber, haben sie schon mal einen Zubringer erlebt, der des Nachts um 2.00 Uhr vor der Tür stand und dann gegen 10.00 Uhr endlich an dem Bus waren, der die Reisenden in den Schwarzwald transportieren sollte?. Glauben sie nicht? Oh ja, das ist passiert. Es sind aber nicht nur die lange Zeit, manche Fahrt dauert ja bis zu 14 Stunden, die den Reisenden in den Bussen zu schaffen macht, nein, es sind auch die altersbedingten kleinen körperlichen Unpässlichkeiten. Beispielgebend für dererlei Ärgernisse steht als Erstes die Blase, die ja wohl öfters als in früheren, jungen Jahren ihr Recht einfordert. Das ist aber nicht so schlimm, denkt sich der Reisende, wir haben ja einen Bus mit modernem WC. Aber kaum hat die illustre Reisegesellschaft ihre Plätze eingenommen und freut sich auf den Beginn der Fahrt, da meldet sich auch schon der Busfahrer. Er stellt sich kurz vor und rückte dann mit freundlicher aber sehr bestimmendem Ton mit seinem Hauptanliegen heraus, nämlich, dass die Bordtoilette nur im allerschlimmsten Notfall zu benutzen sei, da er beim besten Willen keine Lust habe abends, wenn die Anderen den Tag gemütlich ausklingen lassen, als Toilettenmann zu fungieren. So, nun hatte man das Desaster. Der Buskutscher hatte zwar versichert alle zwei Stunden eine Pause einzulegen, aber so manche Blase schien das nicht verstanden zu haben und zwickte bereits nach der ersten halben Stunde. Das war ja auch nicht weiter verwunderlich, da bereits kurze Zeit nach Beginn der Reise die Reisebegleiterin und nicht wie manchmal fälschlich angenommen die Reiseleiterin mit Plastikbechern vollen Kaffee durch den Bus wankte und diesen mit der Bemerkung: „Ein Willkommenstrunk des Reiseveranstalters“, verteilte. Auffällig war auch und das erklärt das unfaire Verhalten der Blase ebenfalls, dass bereits in der ersten Stunde dieses frühen Tages schon eine Unmenge an Flaschenbier bei der Kollegin Reisebegleitung geordert wurde. Dabei fällt immer wieder auf, dass vier dieser 0,3l Flaschen genau soviel kosten wie daheim ein ganzer Kasten 0,5l Flaschen, aber das nur nebenbei. Nun verschoben sich aber auch die Pausen von den angekündigten zwei Stunden auf etwa drei und es ist wohl immer wieder der Körperbeherrschung der Businsassen zu verdanken, dass nichts weiter passierte. Und im allerschlimmsten Fall gab es ja dann auch noch das Bord-WC.
Über die weiteren strapaziösen Tage einer solchen Städtereise möchte ich mich hier nicht weiter auslassen. Ich will nicht über die für ältere Menschen viel zu schnellen und oberflächlichen Stadtführer reden. Ich will nicht klagen, dass man in den Weltmetropolen viel zu wenig Zeit für private Anliegen hat, Unwichtiges erklärt und hochinteressante Dinge einfach keines Blickes gewürdigt werden. Ich will aber erwähnen, dass die Hotels fast immer gut und das Essen in den meisten Fällen ausgezeichnet war, das ist schon ein Erfolg und eine Reise wert. Wenn der Rentner nun auf dem Heimweg ist, sich wieder mit den Unzulänglichkeiten dieser langen Fahrt auseinandersetzen muss, tut er das mit der Gewissheit, trotz allem was von dieser Welt gesehen zu haben. 8 oder 10 Tage war er unter mehr oder weniger interessanten Menschen und er kann seiner Verwandtschaft einiges erzählen. Der größte Vorteil ist aber, dass er sich bis zur nächsten Reise, welche ja oft schon gebucht ist, ausruhen kann, ohne an einen ungeliebten Job, das Arbeitsamt oder an ein Hartz IV Gesetz denken zu müssen.

Bürgerreporter:in:

Karl Heinz Winkler aus Naumburg (Saale)

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