Postmortale Schuldenbegleichung

„Hast du es schon gehört? Unser Freund, der Buchhändler Xaver Breitenbach ist tot! Heute Nacht gestorben!“ berichtete der Gemüsehändler Felix Müller seinem Freund, dem Buchhalter Max Rehbein.
„Was du nicht sagst.“ meint dieser ganz erstaunt. „So plötzlich? War er denn krank?“
„Ich weiß es nicht, hab’ ihn schon einige Zeit nicht mehr gesehen“, erwidert Müller.
„Ich auch nicht“, meint Rehbein, „ist auch schon mindestens ein Vierteljahr her, dass ich ihn getroffen habe. Weiß es denn der Sebastian Huber schon, der Trödler?“
„Ich werd’ ihn gleich mal anrufen“, entschließt sich Müller, „vielleicht weiß der Genaueres.“

Noch am gleichen Abend treffen sich die drei Freunde, Müller, Rehbein und Huber an ihrem Stammtisch, an dem sie immer so gerne mit ihrem gemeinsamen Freund, dem Buchhändler, der nun so überraschend von ihnen gegangen war, zusammen gesessen hatten.
Sie besprachen Einzelheiten der Beerdigungsfeierlichkeiten.

Bei der Beerdigung vier Tage später standen die Drei erschüttern am Grab ihres Freundes Xaver Breitenbach.
„Das, was mich am meisten bedrückt...“, flüstert Müller seinem Nachbarn Huber ins Ohr, „ist, dass ich noch hundert Euro Schulden bei ihm habe, die ich ihm jetzt nicht mehr zurückzahlen kann.
„Mir geht’s genauso“, raunt Huber, „mir hat er sogar Zweihundert geliehen. Ich hab sie ihm auch noch nicht zurückgezahlt.
Kam ja auch recht plötzlich, sein Tod!
Ich fühl’ mich richtig beschissen, wenn ich daran denke, was er jetzt für eine Meinung von uns mit ins Grab nimmt. Ich jedenfalls bin es meiner Ehre schuldig und zahl ihm das geliehene Geld zurück, so oder so. Ich kann sonst nicht mehr ruhig schlafen.“
„Du hast Recht!“ pflichtet ihm Müller zu. „Irgendwie sind wir ihm das schuldig!“
Beide öffnen ihre Brieftaschen. Müller nimmt einen Hunderter heraus und Huber zwei. Sie nicken sich beide nochmals zu, dann lassen die Scheine ins Grab flattern.
Der Buchhalter Rehbein, der dies stumm mit angesehen hatte, setzte plötzlich eine betroffene, schuldbewusste Mine auf und raunte den beiden zu, dass ihm jetzt einfalle, sich vom Verstorbenen vor Monaten auch zweihundert Euro geliehen zu haben, die er ihm ebenso noch schulde.
Auch er zog seine Brieftasche hervor und fingerte lange darin herum.
Dann flüsterte er den anderen beiden zu: „Tut mir leid, ich hab’s leider nicht passend.“
Er zog einen Scheck heraus, den er sofort auf fünfhundert Euro ausstellte, beugte sich tief ins Grab, legte den Scheck gut sichtbar auf den Sargdeckel, nahm sich die drei Hunderter wieder heraus und verstaute diese in seiner Brieftasche.
Erleichtert nickten sich die drei Freunde noch einmal zu.
Jetzt war ihr Gewissen erleichtert!

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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