Direkt von der Rolle

Ich hab’s immer schon gewusst. Aber jetzt hatte ich sie: Eindeutige Beweise!
Ihrer Werbung hatte ich eh noch nie getraut.
Von wegen; zweihundertfünfzig Blatt auf einer Rolle, oder sogar fünfhundert Blatt, doppel- und dreilagig!?
Betrüger kann ich da nur ausrufen! Oder wie es in diesem Falle doch wohl richtiger heißen muss: Großer Beschiss!

Die meisten Menschen gehen arglos durch die Supermärkte und merken nicht, dass überall Fallen gestellt, dass sie durch Werbung angelogen und übervorteilt werden. Und so tappen sie hinein in jede Sonderangebots-Falle, von der sie selbst aber stets glauben, dass es sich um eine einmalige Gelegenheit, oder gar um ein Schnäppchen handelt.
Aber sie haben nicht damit gerechnet, dass ich Ihnen auf die Schliche komme, dass ich mir die Mühe mache, einfach mal nachzuzählen.

Ich kaufte mir also ein volumenmäßig größeres Auto, einen Kombi, um die Mengen bewältigen und transportieren zu können und mietete einen großen Keller an, in dem ich genügend Lagerkapazität hatte.
Und dann machte ich mich auf zu den Supermärkten, Diskountern und Billiganbietern, um einzukaufen.
Palettenweise transportierte ich die Zehner- oder gar Zwölferpackungen angeblich günstigen Toilettenpapiers mit meinem Kombi in den angemieteten Keller, transportierte, schleppte und stapelte, was das Zeug hielt.
Dann richtete ich mir dort einen Arbeitsplatz ein und begann damit, zu zählen und zu nummerieren!
Packung für Packung und Rolle für Rolle zählte ich, nummerierte Blatt für Blatt mit einem hautfreundlichen Permanentschreiber durch, den ich mir extra besorgt hatte, notierte Namen der Hersteller, der Geschäfte, Kaufdatum und Preis.
Und dann – nach Monaten akribischer Arbeit hatte ich sie: Eindeutige Beweise eines groß angelegten Betrugs am Verbraucher. Ja, ich vermutete dahinter sogar eine richtiggehende Toilettenpapier-Maffia!
Kaum eine Rolle, die ich zählte und durchnummerierte, wies exakt die auf der Verpackung angegebene Blattzahl auch tatsächlich auf. Mal waren es 249 Blatt, viele Male sogar nur 244 Blatt – und bei den großen Rollen mit angeblich 500 Blatt waren es nie mehr als 496 – ja bei manchen sogar nur 494 Blatt!
Ich errechnete einen Durchschnitt von 5,3 fehlenden Blättern pro Rolle, was bei einem Durchschnittspreis von ca. 2,50 Euro pro Zehnerpack und somit einem Blattpreis von 0,0006 Euro darstellte.
Pro Rolle fehlender 5,3 Blatt durchschnittlich wäre dies ein Nachteil am Verbraucher von 0,003 Euro.
Bei einem erwachsenen Menschen von 65 Jahren und bis dahin geschätzten 25.000 Toilettengängen und jeweils zwei Wischvorgängen mit je drei Blatt wäre das ein Nachteil bis dahin von 1,27 Euro. Demnach wäre dies ein Betrug von 1.9 Eurocent innerhalb eines Jahres!

Zunächst denkt man, na ja, das ist ja nicht die Welt?
Rechnet man dies nun aber hoch mit der Einwohnehrzahl Deutschlands von ca. achtzig Millionen Bürgern, so ergibt sich ein Betrug von über 1,66 Millionen Euro innerhalb eines Jahres!
Ein riesiger, großer Beschiss, ein groß angelegter millionenschwerer Betrug also, an den Ärschen Deutschlands!
Briefe, die ich daraufhin an die Hersteller schrieb, blieben entweder unbeantwortet oder wurden dahingehend beantwortet, dass geringfügige Abweichungen bei der Blattzahl produktionsbedingt seien und kaum zu vermeiden wären.
Aber – so dachte ich – müssten dann aber doch die produktionsbedingten und unvermeidbaren Abweichungen auch mal zur anderen Seite hin ausschlagen?
Aber weit gefehlt!
Ich habe nicht eine Rolle gefunden, auf der sich auch nur ein Blatt mehr befand, als angegeben war!
Als ich mit Veröffentlichung dieses Betruges drohte und die Firmen mit ihren Anwälten und Klagen zurück drohten, gab ich auf – als kleiner Arsch hat man eben in dieser Gesellschaft keine Chance. Mein Geld für Anwälte hatte ja nun die Klopapiermafia!

Nun hab ich aber jede Menge Toilettenpapier, welches zumindest der inflationären Preisentwicklung nicht mehr unterliegt und ich ertappe mich auch schon mal dabei, dass ich genüsslich und großzügig vier statt drei Blatt nehme – einen Luxus, den ich mir eben jetzt leisten kann!
Bei den übrigen Rollen bin ich gerade dabei, jedes nummerierte Blatt auch zu signieren, um sie dann als Kunstwerk oder Designer-Klopapier teuer an den Mann oder die Frau verkaufen zu können und ich bin überzeugt, es gibt in unserer dekadenten Gesellschaft genug Ärsche, die auf so etwas stehen?

frei nach einer Idee v. Trautmann München

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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