Spiel und Spaß mit 1&1, Teil 11

Mittwoch, 27.10.2010. Heute hab ich 2 Briefe von 1&1 bekommen. Ist schon eine halbe Stunde her, aber ich konnte nicht sofort schreiben. Musste mich erst wieder einkriegen. Wobei mein Lachkrampf immer noch nicht ganz beendet ist, aber inzwischen geht`s schon wieder...

Nur gut, dass ich gerade alleine im Labor bin, oben auch niemand ist, sich also niemand über meinen schallenden Lachanfall wundern kann. Aber ich mag Slapstick Kommöden. Und die Hilflosigkeit, mit der die 1&1 Mitarbeiter versuchen, ihrer Tätigkeit nachzukommen, die ist einfach rührend. Ich stell mir die Freaks mittlerweile in schwarzweiß vor, ohne Ton, und die sehen in meinem Kopfkino aus wie Stan Laurel, Oliver Hardy, Buster Keton, der junge Charly Chaplin und Mary Pickfort, Heinz Erhard, Loriot (in Papa ante Portas) und so weiter.

Hm. Anscheinend setzt bei mir gerade das Stockholm Syndrom ein: Ich fang an, die Leute zu mögen. Und das, obwohl ich mit 1&1 wirklich nichts mehr zu tun haben will. Aber nachdem ich heute fast auf den Tag genau seit 3 Monaten versuche, einen Vertrag bei 1&1 zu kündigen, ist das vermutlich auch kein Wunder. Ich denk zwar, dass meine Schwester mit den Leuten besser zurecht kommen würde als ich – sie ist Sozialpädagogin und arbeitet mit zurückgebliebenen Vorschulkindern – aber mir macht das 1&1 Spiel trotzdem unglaublichen Spaß.

Die Vorgehensweise der 1&1 Mitarbeiter erinnert mich an ein paar Kinder, die versuchen Schach zu spielen, und darüber diskutieren, mit welcher Figur man 2 Felder vorrücken darf, wenn man eine Zwei gewürfelt hat, und ob man noch mal würfeln darf, wenn man eine Sechs gehabt hat.

Der erste Brief kam von Conny F. von der 1&1 Rechnungsstelle. Sie meint, es sei eine Antwort auf mein Schreiben vom 22.10. Aber wenn ich mir den Inhalt so ansehe – Die Sache mit „Mein Zeichen“, „Ihr Zeichen“ ist bei 1&1 anscheinend nicht bekannt -, scheint sie sich auf meinen Brief vom 20.10. zu beziehen (siehe „Spiel und Spaß mit 1&1, Teil 8“), der 22. war vermutlich das Eingangsdatum bei 1&1, denn am 22.10. hatte ich gar nichts geschrieben. Nun, das sollte aber kein Problem sein. Sie bittet mich darin ganz höflich, 11,99 Euronen zu zahlen, wenn ich meinen Internetanschluss wieder haben will. Will ich das? Nein. Nicht bei 1&1. Das Spannende an dem Brief ist, dass Conny den 1&1 Floskelgenerator (siehe Spiel und Spaß mit 1&1, Teil 3) nicht verwendet. Anscheinend benutzen den nur 1&1 Mitarbeiter, die versuchen sollen, „Kundenzufriedenheit“ zu simulieren.

Der zweite Brief ist schon interessanter. Er kommt von Martin L. von 1&1. Er schreibt, das sei eine Antwort auf mein Schreiben vom 21.10. und er sei von Herrn Scheeren mit der Bearbeitung beauftragt worden (siehe „Spiel und Spaß mit 1&1, Teil 9“). Unter massivem Einsatz des Floskelgenerators bedankt er sich für meine “offenen Worte” und bedauert den schlechten Eindruck, den ich vom 1&1 Kundenservice erhalten habe. Er versicht mir aber auch, dass dieser nicht exemplarisch für alle Vorgänge sei. Hm. (Kurze Pause, aber ich lieg am Boden vor Lachen. Das ist einfach zu gut...)

Aber es kommt noch besser: Martin schreibt: „Gerne gebe ich Ihnen weitere Informationen, um Ihnen den Vorgang noch transparenter zu machen.“

Ähm. Hm. War es nicht bisher so, dass ich versucht habe, den 1&1 Mitarbeitern den Vorgang transparent zu machen? Zugegeben, mit nur mäßigem Erfolg, aber…

Irgendwie erinnert mich das ein Erlebiss, das ich vor fast 30 Jahren hatte. Ich hab damals für eine wirklich arbeitsintensive Vordiplomsprüfung in Elektrotechnik/Elektronik (Netzwerkanalyse) gelernt, hab einem Freund davon erzählt und das hat ein Lehrling (das Wort “Azubi” war damals noch nicht so richtig in Mode) mitbekommen. Da er Elektriker gelernt hat, erstes Lehrjahr, hat er mir sofort angeboten, mir zu helfen, wenn ich nicht weiter wüsste. Fand ich irgendwie gut. Nicht die Selbstüberschätzung, sondern die Hilfsbereitschaft. Also hab ich mich bei ihm freundlich bedankt und gemeint, ich ruf an, wenn ich wirklich nicht weiter komme.

Aber zurück zu Martins Brief: Im nächsten Abschnitt schreibt er von der Kündigung meines Webhosting Vertrags und der Zusatzdomain. „... Die Laufzeit trifft, wie Sie korrekterweise bemängeln, auf die Domain nicht zu. Diese hätte zu sofort gekündigt werden müssen, was aber nicht getan wurde. Selbstverständlich werde ich Ihnen auch die restlichen 20,96 Euro der Berechnung der Domain wieder stornieren.”

Seltsam, davon hatte ich doch gar nichts geschrieben? Aber er hat das trotzdem richtig erkannt! Endlich mal ein 1&1 Mitarbeiter, der begriffen hat, was eine Kündigung ist! Ich bin erstaunt und megahappy!

Aber ich frag mich, wieso Martin auf den Brief vom 21.10. plötzlich auf ein Thema kommt, das ich schon längst abgeschrieben hatte? Ich hab geschrieben, dass ich den Vertrag über den Internetzugang fristlos kündige. Hat er das zwar gelesen, aber den Zusammenhang nicht verstanden? Und dann die Formulierung „zu sofort“. Seltsam. Hab ich noch nie gehört. Und dann noch „...wie Sie korrekterweise bemängeln...“ Welchen Brief liest der? Wer selbst nachlesen will, was ich geschrieben hab, der Brief steht in „Spiel und Spaß mit 1&1, Teil 9“. Woher die 20,96 Euronen kommen, ist dagegen klar: Es müssten 20,97 sein, 3 * 6,99 Euronen für 3 Monate Zusatzdomain, aber der eine Cent ist ein Folgefehler von den falsch verbuchten stornierten 62,92 die in Wirklichkeit 62,91 Euronen, 9 * 6,99 Euronen sind.

Und im dritten und letzten Abschnitt schreibt Martin, dass der die 20,96 Euronen abzüglich der 11,99 Euronen (!!!) auf mein Konto zurückbucht! Das schlägt dem Fass den Boden aus!

Neben ein paar Höflichkeitsfloskeln aus dem Floskelgenerator kommen noch freundlich Grüße und das war`s dann.

Martin hat den Text offensichtlich nicht verstanden. Nicht einmal grob ansatzweise. Kein Wort von den verschwundenen 12 Euronen, dem falsch gebuchten Cent, dem gekündigtem Internetvertrag, der Bearbeitungsgebühr und dass er mir eine Rechnung für die Internetnutzung bis zum 17.10. schicken soll… Nichts.

Dafür hat er völlig unerwartet ein anderes – altes – Ärgernis gelöst: Den Kündigungstermin meiner Zusatzdomain.

Das erinnert mich an eine TÜV Geschichte, die mir 1979 passiert ist. Damals hatte ich zusammen mit einem alten Schulfreund einen VW Bus gekauft. Baujahr 1965, mit einem Motor Baujahr 1962. Wir haben den Bus wochenlang restauriert, sind dann zum TÜV gefahren und durchgefallen. Der Prüfer hatte am Unterboden etwas angekreuzt. Also haben wir weiter repariert, ein paar Rostlöcher zugeschweißt und sind wieder zum TÜV gedüst. Selbes Ergebnis. Als wir auch beim dritten mal keine Plakette bekommen hatten, hab ich den Prüfer gefragt, ob er mir zeigen kann, was da eigentlich noch kaputt ist. Der war sehr freundlich und ist mit mir in die Grube hinunter gestiegen, hat auf das Heizungsrohr gedeutet und daran gewackelt. Und man konnte es in seinem Wärmeschutzmantel frei bewegen! Es war abgerostet. Wir hatten das nicht bemerkt, weil das Rohr von einem dicken Asbestkunststoffmantel umhüllt ist…

Daher ist es mir durchaus vertraut, dass man anstelle eines Fehlers, den man nicht erkennt, andere Fehler behandelt. Aber was Martin hier abgeliefert hat, ist schon deutlich mehr als eine Nummer krasser...

Inzwischen hab ich eine Theorie für das mangelhafte Textverständnis aller bisher beteiligten 1&1 Mitarbeiter:

Zuerst dachte ich schon, an dem Kalauer mit dem sozialen Engagement sei vielleicht doch etwas dran. Ich hab mit Freunden und Bekannten darüber diskutiert, aber wir haben diese Hypothese dann verworfen.

Als nächstes überlegte ich, ob 1&1 vielleicht nicht nur einen Floskelgenerator, sondern auch ein (sehr simpel gestricktes) Expertensystem verwendet. Also ein Programm, das die Anfragen an 1&1 liest, nach Keywörtern sucht und dann eine mehr oder (eher) weniger sinnvolle Antwort kreiert und sogar Buchungen auf das Kundenkonto, Sperrungen von Accounts und so weiter vornimmt. Das würde das mangelhafte Textverständnis erklären. Aber diese Hypothese konnte ich eindeutig wiederlegen: Kein Expertensystem, und sei es noch so schlecht geschrieben, würde anstelle von 62,91 Euronen 62,92 stornieren. Solche Fehler machen Programme nicht. Es sei denn, ein schlauer Programmierer versucht sich mit dem „Pfennigspiel“ zu bereichern, aber das ist mittlerweile so uralt und bekannt, dass damit vermutlich keiner mehr durchkommt...

Aber die Lösung ist viel einfacher: Die Sachbearbeiter sitzen vermutlich in einem Callcenter (oder Mietbüro oder was auch immer) irgendwo im Ausland und sprechen so gut wie kein Deutsch. Sie suchen in den Briefen nach Keywörtern und versuchen irgendwie darauf zu reagieren. Unterstützt werden sie bei ihren Antworten vom Floskelgenerator. Diese Hypothese erklärt das mangelnde Textverständnis, den sonderbaren 1 Cent Fehler und die Bearbeitung von Themen, die ich zwar im Brief nicht angesprochen hatte, die aber vielleicht zu den gefunden Schlüsselwörtern passen könnten. Ich vermute jetzt mal: Es könnten schlecht ausgebildete Inder in einem Großraumbüro in Goa sein, denen man deutsche Namen verpasst hat (wie es auch in Taiwan oder China üblich ist), damit die gequälten 1&1 Kunden den Eindruck haben, sie würden es mit Sachbearbeitern in Montabaur oder Karlsruhe zu tun haben, die vielleicht verstehen könnten, was die Kunden ihnen schreiben. Das würde auch die lange Reaktionszeit von etwa einer Woche erklären. In Wirklichkeit verstehen die jedoch kein Wort, reagieren nur auf ein paar Keywörter, ohne jedoch zu begreifen, was sie da machen. Outsourcing nennt man das. Aber wie gesagt, das ist nur eine Theorie.

Man könnte die Theorie aber verifizieren: Ich könnte den nächsten Brief an 1&1 auf Hindi schreiben, b.z.w. übersetzen lassen. Wenn ich dann eine sinnvolle Reaktion erhalte, ist die Theorie bestätigt. Andererseits können die Sachbearbeiter aber auch in Polen, der Ukraine oder auf Samoa sitzen…

Wie bin ich auf diese Theorie gekommen? Zuerst dachte ich an ein Expertensystem mit simpler Keywortsuche anstelle eines natürlichsprachlichen Parsers. Als ich das wegen der 1 Cent Fehler verworfen hatte, versuchte ich herauszufinden, welche Eigenschaften die Menschen haben müssen, die mit einem derart geringen Textverständnis versuchen, Briefe zu beantworten. Dabei fand ich heraus, dass sie eine Millersche Zahl von 3 besitzen, was aber nicht sein kann. Bei Menschen liegt deren Wert bei 7 plus minus 2. Selbst bei Katzen kam ich auf mindestens 4, vermutlich aber höher. Also musste es ein anderer Effekt sein, der eine derart niedrige Anzahl von Chunks im Kurzzeitgedächtnis vorgaukelt. Und die Lösung war: Die Leute suchen nur nach maximal 2 bis 3 Keywörtern, brechen die Suche dann ab, und versuchen eine Antwort zusammen zu basteln. Und dann kam mir die Idee, dass sie den Text offensichtlich wirklich nicht verstehen, WEIL SIE DIE SPRACHE NICHT VERSTEHEN!

Und was meinen schlechten Eindruck vom 1&1 Kundenservice betrifft, vor allem, ob der exemplarisch ist:

Seit meines Kündigungsversuchs vor 3 Monaten hab ich von 1&1 vier eMails, 4 Briefe und einen Anruf erhalten. Die ausgebliebenen Antworten auf eMails und Briefe zähle ich jetzt gar nicht mit. Dann steht es im Spiel „Zufriedenstellend“ gegen „Pfusch“ 0 : 9 für den Pfusch. Das ist zwar eine verschwindend kleine Stichprobe, legt aber zumindest den Verdacht nahe, dass „Pfusch“ wohl doch die exemplarische Vorgehensweise des 1&1 Kundenservices wiederspiegelt.

Ich denke aber, dass wir uns langsam dem Ende der ersten Halbzeit nähern. So etwa 40% haben wir jetzt gelöst. Wenn 1&1 nicht noch in die Verlängerung gehen will, dürften wir vermutlich im März oder April 2011 fertig sein.

Fortsetzung folgt.

Bürgerreporter:in:

B Göpfert aus München

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