Deutschlands schlimmste Bahnhöfe

09.01.2011 Bahnhof Niedernhausen
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  • 09.01.2011 Bahnhof Niedernhausen
  • hochgeladen von Ilka Franz

Nie wieder Bahnhof Niedernhausen (Taunus)
Ich, Schleimbeutelentzündung in der Schulter, Rollkoffer in Billigausführung, vollgestopft mit 12 Tagen Winterbekleidung und Ersatzstiefeln an der Hand, Laptoptasche über der nicht entzündeten Schulter hängend, eine Handtasche, gefüllt mit dem Nötigsten an Proviant, um bis Innsbruck nicht verhungern zu müssen – unterwegs auf der Reise nach Innsbruck.
In Niedernhausen muss ich zu Gleis 6. Sehe mich um, suche den Lift nach unten und drüben nach oben. Kein Lift, wir sind hier schließlich nicht … - also runter, untendurch und drüben rauf. Steile Treppe. Nichts für Mütter mit Kinderwagen, Alte, Kranke oder gar Rollstuhlfahrer. Der Rollkoffer macht mir Schwierigkeiten. Stufe für Stufe lasse ich ihn hinabklacken auf den Billigrollen. Hilfsfähige Hände gäbe es genug, aber hilfswillige nicht. Sie werden leer und locker an mir vorbeigetragen. Mein Rolli plumpst 25 Stufen runter, klack, klack, klack. Nach Durchqueren des Unterführungskanals stehe ich vor 25 Aufwärtsstufen. Ein junger Mann überholt mich. Es hätte mir schon geholfen, seelisch zumindest, wenn er mir wenigstens ein mitleidiges Lächeln geschenkt hätte. So zog und stemmte ich mit einem Arm meinen gefühlten 60 Kilo schweren Rolli Stufe für Stufe nach oben. Ich ging eine Stufe voraus und wuchtete das schwere Ding zu mir hoch. Inzwischen hing meine nicht gerade leichte Laptoptasche über der Schulter mit der Schleimbeutelentzündung. Der Schmerz war höllisch und der Schweiß rann mir in Strömen unter meinem Plüschnerz hinunter. In der Hand hielt ich die Nahrungstasche. Mehrere Menschen überholten mich. Sie rannten an mir vorbei die Treppe hoch, obwohl der Zug erst in 10 Minuten abfahren sollte. Ich beglückwünschte innerlich meine dumme Eigenschaft, immer viel zu früh am Bahnhof zu sein.
Nie mehr Urlaub im Winter? Nein, so weit werde ich nicht gehen. Aber auf keinen Fall mehr Bahnhof Niedernhausen im Taunus. Welche KG oder AG oder sonstige Firma für das Erreichen der Bahnsteige zuständig ist, sie hat kein Interesse an den Bahnkunden. Der Zugang zu Gleis 6 – jedenfalls in Niedernhausen – ist menschenverachtend und ungeeignet, das Zug-Reisen als angenehm zu empfinden. Zumindest wenn man in Niedernhausen ein- oder umsteigen muss. Nahverkehrer haben keine Koffer zu schleppen. Sie fahren mit einem Rucksack in die Schule, mit einer Tasche zum Einkaufen oder mit gar keiner Tasche zur Arbeit. Für diese Zwecke braucht man keinen Lift. Und alte Leute stören sowieso im Betrieb und Kinderwagenfrauen sollten einen Ehemann dabei haben, wie sich das gehört. Und Reisende mit Koffer? Für die ist der Niedernhausener Bahnhof nicht gedacht. Was suchen die überhaupt in Niedernhausen?
Aber was will man erwarten, wenn man in die Pampa fährt, auch wenn Niedernhausen ein Umsteigebahnhof mit 6 Gleisen ist. Vielleicht wird die Linie vom Gleis 6 bald eingestellt, da wird man sich doch vorher nicht noch mit Ausbau- oder Renovierungskosten für eine irgendwann mal daher kommende Fernreisende mit Rollkoffer belasten.
Das herrlichste Abendrot, dass ich je gesehen habe, begleitete mich eine Weile, nachdem ich meinen Rolli endlich in das Niederflurfahrzeug gezerrt und den Niedernhausener Bahnhof hinter mir gelassen hatte. Als ich dann meinen Rolli auf seinen Zustand prüfte, stellte ich fest, dass sich die Halterung für eine der Rollen gelöst hatte und nur noch am sogenannten seidenen Faden hing. Da war mir dann auch das Abendrot egal.
Zum Glück hielt der Zug bald darauf auf einem Bahnhof für Fernreisende, wo ich meinen rollenlosen Rollkoffer ebenerdig zu meinem Anschlusszug schleifen konnte.

09.01.2011 Bahnhof Niedernhausen
09.01.2011 Niedernhausen (Taunus)
Bürgerreporter:in:

Ilka Franz aus München

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