Mein Märchen des Monats Juni: Die Bremer Stadtmusikanten

Selten ist diese schon alte Geschichte aktueller als heute für uns alle:
Vier nicht mehr 100 prozentig leistungsfähige Arbeiter - nach den vom Arbeitgeber gesetzten Standards - werden im wahrsten Sinne des Wortes freigesetzt bzw. bis zum Letzten ausgebeutet. Hier geht es sogar physisch um Leben und Tod, nicht nur psychisch um die Erkenntnis, dass der erlebte Undank hart trifft, man mit seiner Enttäuschung und Frustration selber fertig werden muss und es niemand interessiert, wie es mit einem weitergehen soll. Eine ungewohnte, verwirrende Freiheit ist das!
Doch statt den Gefühlen der Hilflosigkeit und Trauer Raum zu geben, hat ausgerechnet ein "alter Esel" eine krative Lösung: Die ungeahnten eigenen Potentiale finden, sich mit Gleichgesinnten zu einem Team formen, wo jeder in seiner Individualität wirken kann und noch einmal von ganz vorne beginnen mit einer neuen Geschäftsidee. Dazu muss man sich auf den Weg machen und alles hinter sich lassen können. Die Bindung an die alte Heimat und die alte Herrschaft aufgeben, dazu müssen die vier allerdings erst bereit sein. Ja, ein klein wenig Rückschau und Selbstmitleid darf sein, aber dann ist der Weg frei, und mit dem Mut der Verzweiflung und dem Gedanken, dass der Blick nach vorne die richtige Haltung ist, ziehen die vier gemeinsam los.
"Etwas Besseres als den Tod findest Du überall!" Klar, nüchtern und offen sein ist wohl das Beste in dieser Lage.
So unterschiedlich sie sind, bilden sie dennoch eine feste Allianz mit einem guten Plan. Es kommt anders als gedacht, doch zum Schluss haben sie ein neues Heim. Werden sie ihr Ziel Bremen noch erreichen oder werden sie für immer in dem Räuberhaus leben und ihre neuen beruflichen Pläne wieder aufgeben? Haben sie denn schon erreicht, was sie brauchen zum Leben?
In Bremen haben die vier ein Denkmal gesetzt bekommen, denn ihre Idee ist dort wirklich "angekommen".
Mir persönlich sagt die Geschichte, dass ich alle Qualitäten der vier, die ich mir in meinem Leben erworben habe, an einem sicheren Ort in mir aufbewahren und lebendig halten soll, denn sie sind mir lieb und teuer und haben mir immer gute Dienste geleistet. Auch das ist eine Anregung: Den Arbeitstieren in sich soll man es gönnen, sich weiter zu entwickeln. Was für eine schöne Idee, sich nach einem harten Arbeitsleben der Musik zu widmen!
In einer Welt, wo Menschen schon ab 45 Jahren als "minderwertig" klassifiziert werden auf dem Arbeitsmarkt, wünsche ich mir, dass Begriffe wie Selbstwert, Respekt und Menschlichkeit wieder mehr erfahren und gelebt werden und noch viele potentielle Stadtmusikanten in einer neuen Heimat mit Schwung und Freude ihr Leben kreativ gestalten. Bremen ist überall!

Bürgerreporter:in:

Karin Kirchhain aus Marburg

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