Geschichten über Konfirmation und der familieninterne "Religionskrieg"

Ein Konfirmand im Straßenanzug verstieß damals gegen die Tradition, aber bei der Bekleidungs-knappheit im Krieg musste man sich darüber hinwegsetzen.
  • Ein Konfirmand im Straßenanzug verstieß damals gegen die Tradition, aber bei der Bekleidungs-knappheit im Krieg musste man sich darüber hinwegsetzen.
  • hochgeladen von Walter Wormsbächer

(Ich komme mit meinem Beitrag etwas spät, weil ich Zugangsprobleme hatte)

Ich wurde 1941 konfirmiert. Im Gegensatz zu heute, konnte man in der Hitlerzeit in der Schule das Fach Religion nicht einfach abwählen. Das war zwar nicht der Religiösität der Nationalsozialisten zu verdanken, sondern dem Konkordat, das Hitler mit dem Papst geschlossen hatte. Wahrscheinlich war die Konfirmation auch in dieser Zeit keine gesetzliche Pflicht, aber eine Konfirmation abzulehnen, kam uns nicht in den Sinn. Das war damals noch als Brauchtum so fest im Denken der Menschen verankert, dass man sich damit zum“bösen“ Außenseiter gemacht hätte. - Die Formalitäten zur Anmeldung wurden nicht so ernst genommen und uns Kindern überlassen. Nun hatten wir das Gerücht erfahren, das man bei einem bestimmten Pfarrer im Konfirmationsunterricht am wenigsten lernen musste und die Prüfung am einfachsten sei. Das war bei uns Kindern ein Grund, sich bei diesem Pfarrer zum Konfirmandenunterricht anzumelden. Dieser Pfarrer gehörte allerdings zur evangelisch-reformierten Gemeinde, während meine Familie zur evangelisch-lutherischen Gemeinde gehörte. Als meine Mutter davon erfuhr, war sie entsetzt, dass ihr Sohn, wenn auch nicht zum „Feind,“ aber doch zur anderen Religionsrichtung der Evangelischen „übergelaufen“ war. Ich konnte mich damit verteidigen, dass es bei den Lutherischen heißt: „Brot und Wein ist der Leib und das Blut Christi“ während die Reformierten das Wort „ist“ durch „bedeutet“ ersetzt hatten. Wenn man den ersten Text streng wörtlich nimmt, währen wir doch Menschenfresser, da sei '“bedeutet“ doch richtiger und christlicher. Ich habe bis heute noch nicht nachgeprüft, ob das wirklich so stimmt (Fachkundige werden mich schon berichtigen); aber damals war das für mich ein treffsicheres Argument und ich fühlte mich auch als „Überläufer“ wohl, zumal auch der Weg zur reformierten Kirche kürzer und diese sich weniger hoch am Berg als die lutherische Kirche befand. Jedenfalls habe ich mit dieser Wortklauberei den „familieninternen Religionsstreit“ bestanden und es blieb bei meiner Anmeldung. Wir waren damals in der Schule – je nach Lehrer – sowohl strengreligösen, als auch antireligiösen Einflüssen ausgesetzt, so dass wir als Kinder zwischen diesen Einflüssen hin und her schwankten und das alles nicht so todernst nahmen.
Nun war es damals üblich, dass die Jungen einen schwarzen Konfirmationsanzug trugen, wofür wir einen Bezugsschein bekamen. So einfach nach belieben konnte man damals keine Bekleidung kaufen. Deshalb war dieser Bezugsschein wo wertvoll, dass meine Eltern sich nicht entschließen konnten, einen schwarzen Konfirmationsanzug zu kaufen, der nach der Feier im Schrank gehängt hätte, denn ich wäre auch an Sonntagen nicht in Schwarz herumgelaufen. Mit dieser Einsicht standen wir nicht allein, sondern teilten sie mit vielen anderen Eltern. So eine Verschwendung konnte man sich in diesen Notzeiten nicht leisten, deshalb wurde mit dem Brauchtum schweren Herzens gebrochen und ein normaler farbiger Anzug gekauft. So kann man mich auf dem Bild in einem graublauen Anzug als Konfirmanden mit meinen Eltern sehen und ich habe mich nicht sonderlich geschämt, entgegen der Tradition nicht im schwarzen Anzug zur Konfirmation zu gehen.

Bürgerreporter:in:

Walter Wormsbächer aus Marburg

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