ZWEI HINTERM LIMES - oder "Der Respekt der Römer vor den Chatten. "

Oder: „Der Kampf gegen Solitaire“ – oder: „Lieber Männlein als Mann“ – oder „Der Als-ob Werther“ – oder „Jakob Immer über Jakob Immer (alias Peter Untucht, Autor).

Hey, ist es Dir auch schon einmal passiert, dass ein Buch Dich gesucht und gefunden hat?
Bei mir ging das so:
Es war mir nicht bekannt, dass es so genannte Bücher-Mängelexemplare gibt, bis ich irgendwann im Ramschkasten einer Buchhandlung in Deutschland auf dieses gute Stück stieß.
Der Klappentext machte mich neugierig auf den „Werther“, Wetzlar, die Lahnprovinz und einen zögerlich antriebslosen „ewigen“ Literaturstudenten, eine Spezies, an die ich mich aus meinem früheren Leben in meiner Heimatstadt Marburg sehr gut erinnere. Eben die Story eines Menschen, die mir viel abverlangt, weil absolut konträr zu meiner Mentalität und Lebensweise.

Nach den ersten zähen 50 Seiten entglitt das Buch zugunsten anderer Werke meinen Händen. Endlose Schachtelsätze, das wortreiche Selbstmitleid eines „Werther“ der 70-er Jahre verbunden mit zur Schau gestellter Unsicherheit und dem Lechzen nach männlichem Schulter klopfen oder weiblichem An-die-Brust-Drücken verlangten einfach zu viel Geduld von mir.

Es kommt aber irgendwann einmal der Moment, wo abends kein gutes Buch greifbar ist, das man nicht schon bis zu fünf Mal gelesen hat. „Ach, war das nicht dieser Spinner aus Wetzlar?“ frage ich mich, als dieses Buch zum zweiten ungewollten Male in meine Hände fällt. Also noch einmal von vorne und – siehe da, das wird ja immer unterhaltsamer weil komisch, tief, rührend und reich. Das ganze Buch entpuppt sich als Briefroman an eine 17 Jahre jüngere Geliebte, die den Protagonisten zur Selbstfindung in sein heimatliches Lahntal verbannt hat, damit sie ihn irgendwann „wieder sehen kann“. Das führt nördlich des Limes zur Begegnung mit seinen Jugenderinnerungen und seinem hundertjährigen Großonkel, der kauzig, Lebens erfahren und geistig (im besten Doppelsinn des Wortes) hoch aktiv, Grund für herrliche Reflektionen bietet.
Er chauffiert den scheinbar weisen Großonkel auf die Schlachtfelder von Flandern, wo dieser damals das deutsche Kaiserreich zur Glorie führen sollte und jetzt im Alter von 100 noch einmal jene verdrängten Schrecken durchlebt. Ausflüge in die Gefilde der Religion, Literatur, Philosophie plus einhundert Jahre Lebenserfahrung füllen beißend humorvoll die Seiten des Buches, das nun in den Händen des Lesers weg schmilzt und nach gut 400 Seiten leider schon zu Ende ist.

Drei Mal habe nun ich diesen eigenwilligen ironischen Provinzroman dieses unverbesserlichen Tiefstaplers und Anti-Helden genossen. Immer wieder aufs Neue lache ich über diesen „Spinner“, seinen Kauz-Onkel und - mich.

Peter Untucht: „ZWEI HINTERM LIMES“; Econ Ullstein List Verlag ISBN 3-546-00312

Bürgerreporter:in:

Hans-Rudolf König aus Marburg

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