DIE WELT IST SEINE HEIMAT: SÄNGER YUSUF WILLIAMS (ALIAS JOE CURTIS) - TEIL 2

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Kapstadt, Südafrika. Der Krieg ging zu Ende und die Engländer blieben trotzdem in Kapstadt. In einer Bar in der Long Street, wo sich die Engländer meist aufhielten, gab es ein Telefon. Yusuf stand immer daneben, wartet auf das Klingeln und rief dann den gewünschten Soldaten an den Apparat. Dafür bekam er immer Trinkgelder, die er zu Hause ablieferte. Manchmal, wenn die Familie kein Geld hatte, gab es nur Fish & Chips, weil die am billigsten waren. Für vier Brötchen mit Fisch und Chips gefüllt, bezahlte man nur einen Schilling. Fisch & Chips erhielten so die Familie am Leben.

Konflikte wurden im Bo-Kaap-Viertel gerne per Faust ausgetragen. Anschließend versteckten sich die Übeltäter im nahen Kino vor der Polizei. Doch man fasste sie trotzdem und nahm sie mit auf die Wache. Am nächsten Tag sah man den Übeltäter wieder im Kino sitzen, um sich den Rest des Filmes anzuschauen. War ein Bewohner gestorben, so ging ein Mann von Tür zu Tür, um auf die Beerdigung hinzuweisen – und Alle kamen. Es gab auch eine ältere jüdische Dame, die mit einem alten Kinderwagen von Tür zu Tür zog und kleines Spielzeug und Süßigkeiten an die Kinder auf Kredit verkaufte. Sie wusste von jeder Familie ganz genau, welchen Betrag man ihr nach einer Ratenzahlung noch schuldete. Besonders vor Weihnachten und „Labaram“, der Moslem-Weihnacht, florierte ihr Geschäft aus dem Kinderwagen.

Das benachbarte Wohnviertel „District Six“ war viel größer und aufregender als das Boo-Kap. Denn dort lebten alle Hautfarben aus vielen Nationen. Selbst die Polizei hatte Respekt vor den dort fliegenden Steinen und betrat das Viertel nur mit drei oder vier Beamten gleichzeitig, wenn es denn unbedingt sein musste. Doch genau wie in Bo-Kaap wurden Konflikte direkt per Faustschlag gelöst, ohne dass jemand die Polizei rief. Es war eine gesetzlose Gegend.

Zwischen den beiden Wohnvierteln gab es eine öffentliche Buslinie, die die Jugendlichen gerne benutzten um eines der vielen Kinos im „District Six“ zu besuchen.
Dort wurden nicht nur Filme gezeigt. Die verschiedenartigsten Künstler traten dort im „Star-Bioscope“ oder „Avalon“ auf. Es konnte schon mal passieren, dass die Künstler mit Tomaten und Eiern beworfen wurden. Yusuf sah dort unter anderem den Auftritt der „Manhattan Brothers“, die ihn sehr beeindruckten, und die er Jahre später in Stockholm wieder traf. Der Lead-Sänger der Gruppe, Sunny Pillay, aus Durban, jammerte immer vor dem Auftritt, dass sein Hals weh tat, doch wenn er erst mal auf der Bühne stand, sang er wie ein Engel.

Im „Avalon“ traten auch viele Imitatoren auf. Ein Bursche sang wie Al Jolson, ein anderer pfiff „The High And The Mighty“ und zog dabei seine weißen Handschuhe und seinen weißen Zylinder aus, steckte die Handschuhe elegant in den Zylinder, während er immer weiter pfiff. Gegen Ende des Stückes nahm er wieder die Handschuhe heraus, streifte sie sich über, setzte sich zum letzten Ton den Hut wieder auf und verschwand von der Bühne.

In den 60-er Jahren, als Yusuf Südafrika schon verlassen hatte, beschloss die Regierung, den „District Six“ nieder zu reißen. Man wollte die Apartheid bis zur letzten Konsequenz verwirklichen, was in jenem stark gemischten Viertel unmöglich war, also riss man es kurzer Hand komplett ab und vertrieb die 80.000 Bewohner aus der Gegend. Somit wurde eine ganze Kultur zerstört. Nur wenige Kirchen und Moscheen stehen heute noch. Eines der nicht abgerissenen Häuser beherbergt heute ein Museum. Das Land liegt bis heute brach. Die neue Regierung hat den vertriebenen Familien gestattet, dorthin zurück zu kehren, doch man hat für sie noch kein einziges neues Haus errichtet. Glücklicherweise ereilte Bo-Kaap nicht das gleiche Schicksal, sodass Yusufs Heimat bis heute erhalten ist.
Fortsetzung folgt.

Bürgerreporter:in:

Hans-Rudolf König aus Marburg

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