Das Geheimnis einer hebräischen Balkeninschrift

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Eine hebräische Balkeninschrift erinnert an jüdische Kaufmannsfamilie
Als Hochzeitsgeschenk ein Grundstück vom Schwiegervater /Altes Fachwerkhaus an der Marktstraße 15 in Bolzum

Von Lothar Rolf Luhm

Ein über zweihundert Jahre alter Spruchbalken mit einer goldenen hebräischen Inschrift an der Traufseite des Haus Nr. 15 an der Marktstraße erinnert daran, dass einst auch in Bolzum israelische Mitbürger beheimatet waren, die es am Handelsweg zwischen Hannover und Hildesheim es zu einem gewissen Wohlstand gebracht hatten. Die eckigen, von rechts nach links aneinander gereihten mosaischen Buchstaben im verwitterten Gebälk besagen: „Gebenedeit seist Du bei Deinem Eingang, Gesegnet sei Dein Ausgang“. Weiter heißt es in altdeutschem Kursiv, dass es einst Josef Fränkel und Hanna Moses Jüdemann waren, die Anno 1821 das Geschäftshaus erbauen ließen, das heute unter Denkmalschutz steht. Jetzt gehört das alte Fachwerkhaus Ursula Stürmer und Reinhardt Müller, denen es inzwischen lieb und teuer geworden ist.

Das Grundstück zum Bau des Hauses am Kothof Cath 5 – heute Marktstraße 15 - erhielt Josef Fränkel von seinem Schwiegervater, dem Kauf- und Handelsmann Wolf Moses Jüdemann, als Hochzeitsgeschenk für seine Tochter Hanna. Friedrich Bendler hatte Anno 1815 das Bauland nebst Garten unter Vorbehalt an Jüdemann verkauft.. Das bestätigt ein Brief von Pastor Wilhelm Ebeling vom 28. Juni 1824 an die Königlich Großbrittannische-Hannoversche Kirchenkommission des Amtes Ruthe.. Ausschlaggebend für Bolzum mag auch gewesen sein, dass das von Amts wegen geforderte Schutzgeld von ansiedlungswilligen Juden auf dem platten Land nicht so hoch war wie in den benachbarten Städten
.
Die Eheleute Fränkel-Jüdemann ließen ein festes Haus erbauen, dessen Eichengebälk und Fachwerk bis auf den heutigen Tag offenbart, dass die Kaufmannsfamilie nicht zu den ärmsten des Dorfes zählte. Sie handelte hauptsächlich mit Manufakturwaren und Leinensäcken aus eigener Produktion, die reißfest und preiswert waren. Die Bauern schätzten eine solch gute Ware..
Es ist unbekannt, warum das jüdische Ehepaar bereits 1898 Haus und Garten an Else Gott verkaufte, einer Tochter aus adligem Hause, die eine ansehnliche Mitgift in die Ehe gebracht hatte. Als sie im Alter von 99 Jahren 1987 starb, übernahm ihre verheiratete Tochter Elisabeth Dittmann das von Wind und Wetter zerzauste Wohn- und Geschäftshaus, in dem sich in der Vergangenheit zeitweilig eine Drogerie und ein Kolonialwarengeschäft befanden. Ein treuer Untermieter in dem inzwischen zeitgemäß modernisierten Fachwerkhaus ist seit 44 Jahren die Lehrter Volksbank, während die übrigen Räume seit nunmehr seit 12 Jahren von der Familie Stürmer-Müller mit ihren zwei Kindern bewohnt und behutsam restauriert werden, immer dann, wenn in der Haushaltskasse ein paar Euro übrig sind.

Wenn alte Fachwerkhäuser und
Grabsteine sprechen könnten

Freundschaftlich verbunden sei man mit den mosaischen Mitbürgern gewesen, heißt es, wenn man im Dorf auf die „Vergangenheit“ zu sprechen kommt. Es gibt aber auch andere Stimmen., Der erste Jude im heutigen Sehnder Stadtteil war Salamon Nathan, der sich im Jahr 1727 mit seiner Ehefrau Jütel im Cath Nr. 43 (heute Wolfeshorn 5.)niedergelassen hatte. Sein Nachbar war Meyer Levin, der 1757 Nathans Tochter Muth geheiratet hatte. Beide waren als Schlachter im Dorf gefragt.
Mitte des 19. Jahrhunderts umfasste die jüdische Bevölkerung acht Familien, etwa zwischen 30 und 50 Personen, die hauptsächlich Handel mit Getreide, Leder und Manufakturwaren ihren Lebensunterhalt bestritten.
Es gab eine Synagoge auf dem Grundstück Marktstraße 25, das Vollmeier Heinrich Busche der jüdischen Gemeinde verkauft hatte. Als 1857 ein Feuer zwölf Bauernhöfe und auch das jüdische Gebetshaus an der Marktstraße 25 vernichtet hatte, kaufe 1902 Heinrich Busche junior das Grundstück zurück.
Aus dem Abbruchmaterial der Synagoge baute der Bergmann Noltemeyer (1902/03) ein Haus an der Eichstraße 5, in dem später der Nachtwächter Konrad Hämke und die Witwe Ida Hämke, geb.Busch, wohnten, die das Haus an ihre Nachfahren weiter vererbten. Ende des 19.Jahrhunderts gab es in Bolzum nur noch drei allein stehende Witwen, nach deren Tod ab 1925 überhaupt kein Mitbürger mosaischen Glaubens in Bolzum wohnte. Nur noch 40 verwitterte Grabsteine auf dem um 1825 in Nähe des Pfingstangers angelegten Friedhofs erinnern an einstige Mitbürger, die im Dorf wohl gelitten waren, heißt es heute.lrl

Bürgerreporter:in:

Lothar Rolf Luhm aus Lehrte

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