1.230 Kilometer auf dem Rad in maximal 90 Stunden - Uli`s Bericht von Paris-Brest-Paris

Ich hatte bereits voller Begeisterung von seinem "Höllenritt" berichtet:

http://www.myheimat.de/laatzen/sport/es-ist-vollbr...

hier kommt nun Uli`s Bericht von seiner unglaublichen Tour:

Paris-Brest-Paris 2015

Am Sonntag, dem 16. August, wurde die 18. Radfernfahrt Paris – Brest – Paris im Pariser Vorort St. Quentin -en-Yvelines gestartet und ich war dabei! Alle 4 Jahre treffen sich hier Langstrecken-Radfahrer aus aller Welt, um gemeinsam die Aufgabe zu meistern, 1200 km bis in die äußere Bretagne und wieder zurück nach Paris in max. 90 Stunden zu fahren. Dieses Jahr ist die Rekordzahl von 6000 Fahrern am Start, davon über 500 Deutsche.

Ab 16 Uhr geht Startfeld um Startfeld auf die Strecke. Ich starte mit dem Startfeld F der Spezialfahrräder um 17:15. Ich muss also am Donnerstag um 11:15 Uhr wieder in Paris sein. Zu den Spezialräder zählen die voll verkleideten Velomobile, Liegeräder, Tandems und andere Spezialkonstruktionen. Es wird noch Stunden so weiter gehen, bis alle 6000 Radfahrer unterwegs sind.

Auf der Strecke gibt es alle 60 – 80 Km Kontrollstationen. Für diese Punkte sind Zwischenzeiten vorgegeben, die einzuhalten sind. Man kann also schon vorzeitig aus der Wertung fallen. Mein tägliches Kleinziel ist, ca. 350 km zu fahren und an jeder Kontrolle ca. eine Stunde gut zu machen. So kann ich nachts durchaus 4 Stunden schlafen, ohne aus dem Zeitfenster zu fallen.

Dieses gilt allerdings für die „Genussfahrer“, die das volle Zeitfenster von 90 Stunden in Anspruch nehmen möchten. Ambitionierte Fahrer versuchen, ohne lange Schlafpausen durchzufahren. Gesamtzeiten unter 45 Stunden werden immer wieder erreicht.

Ich fahre mit einem 15 kg schweren ZOX 26 LowLight Liegerad. Auf einem Mini-Gepäckträger habe ich eine kleine Packtasche dabei. In dieser ist neben etwas Werkzeug und Notnahrung die Bekleidung untergebracht, um Temperaturen von 30 ° C (tags) bis unter 10 ° C (nachts) sowie schlechtes Wetter abdecken zu können.

Die erste Nacht wird normalerweise ohne Ruhepause durchgefahren. Der Abschnitt bis zur ersten Kontrolle ist mit 140 km ungewöhnlich lang und bildet eine Ausnahme. Für diese Nacht habe ich drei Bananen und drei Brote dabei und alle drei Trinkflaschen gefüllt. Dies ist nur möglich, da ich bereits die Nachtbekleidung trage und in meiner Tasche ein bisschen Platz ist.

Diesen ersten Abschnitt gehe ich sehr moderat an mit einem sehr runden und weichen Tritt. Das Wetter ist gut und bleibt es vorerst. Konsequent steige ich nach 50 Km das erste Mal, nach 100 Km das zweite Mal von Rad, schüttele Beine und Arme aus, entspanne mich. Ich esse eine Verpflegungsration und leere eine Flasche.

Es erfordert jedoch gewisse Nerven, minutenlang Radfahrer passieren zu lassen und Pause zu machen, bevor man sich wieder in den endlos erscheinenden Strom der Radler einreiht. Die erste Station erreiche ich irgendwann gegen 23 Uhr wie geplant. Die Flaschen werden wieder aufgefüllt, zwei Kochschinken-Baguettes gekauft und gegessen und weiter geht es.

Auf dem nächsten Abschnitt treffe ich Florian aus Kassel, mit dem ich bereits 2 Qualifikations-Brevets bestritten habe. Er ist auch mit einem Liegerad unterwegs. Wir beschließen, ein Stück zusammen zu fahren. Die Kontrollstation Villaines bei km 220 erreichten wir gegen 3 Uhr morgens. Florian schlägt einen Power-Napp von 30 Minuten vor, der uns gut tut.

Der Montag vergeht eher schleppend, das Tempo ist nicht überragend, das Gelände recht hügelig. Gegen Abend kommen wir hinter Kontrollstation Loudeac (km 448) in einen sehr hügeligen Abschnitt, der uns einige Nerven kostet. Die hier schmale Landstraße ist kurvig und es wird immer dunkler. Unser Tempo ist beunruhigend langsam. Kontrollstation Carhaix (km 526) erreichen wir vor Mitternacht, wir gönnen uns 4 Stunden in der Turnhalle. Es gibt keine Decken, ich friere.

Dienstag morgen, nach einem kurzen Frühstück, geht’s gegen 5 Uhr wieder auf die Strecke. Es ist neblig und alles wird feucht. Wir verlieren uns und ich fahre die nächsten 100 km allein. Bei Sonnenaufgang erreiche ich den Roc Trevezel in der Bretagne, mit 340 Meter der höchste Punkt der Strecke. Bodennebel liegt noch in den Tälern.

Gegen 10 Uhr passiere ich die Brücke über die Meeresbucht bei Brest. Die Sonne scheint, aber wir haben Seenebel. Halbzeit und ich liege immer noch passabel in der Zeit. Brest ist laut, lebendig und sehr hügelig. Ich bin genervt, durchquere schnell die Zeitkontrolle und mache mich auf den Rückweg. In einer Bäckerei kaufe ich mir ein großes Stück Kuchen. Florian holt mich wieder ein. Wir fahren gemeinsam weiter.

Jetzt geht es schneller voran. In Quedillac bei km 840 legen wir unsere zweite Nachtpause ein. Die Unterkunft ist total überfüllt. Die meisten Fahrer sind gezeichnet von Schweiß, Dreck, Anstrengung und Übermüdung. Wir quetschen uns irgendwo dazwischen. Es riecht nach Puma-Käfig. Es ist uns egal.

Mittwoch morgen, nach einem freudlosen Frühstück geht’s weiter. Irgendwann vormittags verlieren wir uns wieder. Jetzt kommen wieder längere gerade Stücke. Ich versuche, Tempo zu machen. Bergab stärker beschleunigen, möglichst viel Tempo möglichst weit die nächste Steigung hochtreten. Manche Rennradfahrer überhole ich immer wieder.

Abends erreiche ich Kontrolle Mortagne au Perche bei km 1090. Es sieht gut aus. Mein Magen hält durch, ich kann noch essen. Keine Sehnenprobleme, keine Gelenkprobleme, keine Sitzprobleme, meine Füße tun weh. Es wird dunkel und es kommt wieder ein hügeliger und kurviger Abschnitt. Nerven behalten, aufmerksam fahren und durchbeißen.

Gegen 1 Uhr in der Nacht erreiche ich Dreux bei km 1170. Noch 60 km bis ins Ziel. Weiterfahren oder Pause? Ich bin abgekämpft und was soll ich nachts um 4 Uhr in Paris? Also noch eine Schafpause in der Turnhalle und ein vernünftiges Frühstück.

Um 7 Uhr fahre ich wieder los, es regnet erstmals. Um 10 Uhr bin ich in Paris. Kaum Zuschauer an der Strecke, alles durchnässt, das hatte ich mir netter vorgestellt. Trotzdem, ich stehe im Ziel, bin den Tränen nahe. 6 Monate Vorbereitung fallen von mir ab.

FAZIT:
Es war wieder TOLL. PBP ist kein optimales Terrain für Liegeräder, da sehr hügelig. Trotzdem bin ich erstaunlich entspannt ins Ziel gekommen, da hat sich mein Umstieg vom Rennrad auf ein Liegerad dann doch gelohnt.

An PBP kann jeder Radfahrer teilnehmen. Es müssen vorab im selben Jahr allerdings 4 Qualifikationsveranstaltungen (fr. Brevets) absolviert werden. Die Bedingungen sind weltweit identisch. Es müssen 200 km in 13 Std., 300 km in 20 Std., 400 km in 27 Std. und 600 km in 40 Std. gefahren werden.

Insgesamt halte ich es allerdings für sehr sinnvoll, in der Vorbereitung die Prüfungsbrevet-Serie doppelt zu fahren. 6000 bis 8000 Km insgesamt als Vorbereitung sind anzuraten, damit man die phantastische Atmosphäre von Paris-Brest-Paris auch genießen kann.

Hans Ulrich Rehr im September 2015

Bürgerreporter:in:

Thomas Hebecker aus Laatzen

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