Elternsprechtag– eine "aufregende" Sprechstunde beim Lehrer

Das Schuljahr nimmt so seinen Lauf bis wir Eltern Ende Januar, mehr oder weniger begeistert, das Halbjahreszeugnis unserer Kinder bestaunen dürfen.
Kurz darauf flattert auch schon eine herzliche Einladung zum Elternsprechtag ins Haus.

Nach kurzer Befragung meiner Tochter über mögliche Probleme und Lehrer und Fächer im Allgemeinen und Besonderen fühle ich mich dann doch verpflichtet mal vorbeizuschauen und strebe am Stichtag in die Schule.
In der düsteren Aula hängen überall lange Listen, aus denen ersichtlich ist, in welchem Raum sich welcher gesprächsbereite Lehrkörper „versteckt“. Treppauf, treppab,immer auf der Suche nach dem richtigen Raum, staune ich über die zahlreichen Besucher, die der herzlichen Einladung gefolgt sind. Außer Atem geselle ich mich schließlich zu dem Dutzend Menschen vor Klassenraum 521.
„Warten Sie auch auf Frau Einmaleins?“ frage ich eine gelangweilt dreinblickende Mutter zu meiner Rechten.
„Ja, ja“, antworten spontan alle im Chor „und es ist auch noch jemand drin. Wir stehen hier schon seit einer halben Stunde.“ Na prima!
Beinhaltet die Einladung eigentlich auch Kaffee und Kuchen? Schon bereue ich es, die Thermoskanne mit heißem Kaffee und ein Plunderteilchen nicht ernsthaft in Erwägung gezogen zu haben.
Die Zeiger der Wanduhr schleichen langsam über das Zifferblatt, es ist warm und weit und breit keine Sitzgelegenheit in Sicht! Langsam werde ich unruhig.
Was, wenn der Lehrer gar nicht weiß, von welchem Kind die Rede ist? Vielleicht schätzt mein Kind sich und die mündliche Beteiligung aber auch völlig falsch ein? Ach was, beruhige ich mich selbst, die wissen schon was sie tun, sie sind ja schließlich ausgebildete Pädagogen.
Nach 20 Minuten Smalltalk mit dem ein oder anderem Elternteil, werde ich endlich eingelassen.

Die Audienz kann beginnen.

„Guten Tag, ich bin die Mutter von Hermine“
„Ah ja“, entgegnet die freundliche Person mir gegenüber. Das personifizierte Lehrerklischee streckt mir die Hand entgegen: ein gräulicher Pagenkopf, Cordhosen, Blüschen, Pullunder und bequeme Gesundheitsschuhe.
„Setzen Sie sich doch. Äh ja, in dieser Klasse gibt es ja zwei Hermines. Also ich merke mit das immer so: die eine hat eine lange schmale Nase und die andere eine kleine runde. Ich glaube ihre Tochter ist die mit der kleinen runden, nicht wahr?“
Völlig perplex angesichts dieser „raffinierten Eselsbrücke“ weiß ich zunächst gar nichts zu entgegnen. Und überhaupt: Ist die Nase meiner Tochter tatsächlich so klein und rund?
„Tja“, unterbricht mich die Lehrerin in meinen Gedankengängen, “ich weiß gar nicht, wie ich Ihre Tochter bewerten soll. Sie meldet sich nicht und wenn sie gefragt wird, bekomme ich keine Antwort. Manchmal habe ich ein bisschen Angst vor ihr.“
Sie blättert eine Weile in ihrem zerfledderten Notenbuch herum und zeigt mir dann demonstrativ den leeren Platz hinter dem Namen meiner Tochter.
„Sind Sie sicher, dass wir vom selben Kind sprechen?“ frage ich vorsichtig.
„Ja, ja, wenn sie sich mündlich mehr anstrengen würde …“
Nach weiteren 10 ermüdenden Minuten habe ich endgültig den Eindruck, dass wir hier über zwei völlig verschiedene Personen reden. Die absurde Idee ein Bild meiner Tochter einzupacken war gar nicht so abwegig. Staunend angesichts der „unbekümmerten Selbstsicherheit“ der Lehrerin verabschiede ich mich.
„Auf Wiedersehen, schönen Tag noch, und schöne Grüße an ihre Tochter“, ruft sie mir hinterher.
Ich zücke meinen Zettel mit der Liste der Klassenräume und eile aufgebracht zum zuständigen Deutschlehrer in Raum 222. Immerhin wusste der dann von wem ich spreche. Leider gingen seine Ausführungen nahtlos in einen langatmigen Monolog über G8 und die damit verbundenen Schwierigkeiten viel Stoff in wenig Zeit „an den Schüler zu bringen“ über.
Ich nicke, signalisiere Verständnis und merke an, dass die Schüler das gleiche Problem haben.
Nach diesem wortreichen, belehrenden Referat beschließe ich die restliche Veranstaltung zu "schwänzen" und verlasse fluchtartig die „heiligen Hallen“.
Mein laienhaftes Elternfazit: Schülerkenntnis gleich null, Schülerbeurteilung unvollständig, Präsentation ungenügend, Thema verfehlt – leider durchgefallen!
Es bleibt spannend: Das Lehrer-, Schüler-, Elterndasein!

Bürgerreporter:in:

Helene Tyls aus Korbach

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