Sühnekreuze im Wald zwischen Anzefahr, Sindersfeld und Stausebach

Das Steinkreuz bei Sindersfeld
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Sogenannte Sühnekreuze sind sehr oft in der Oberpfalz und in Mitteldeutschland zu finden. Ein Großteil dieser Kreuze wurde zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert aufgestellt, teilweise aber auch bis ins 19. Jahrhundert hinein.
Diese Denkmäler befinden sich entlang von alten Straßen- und Wegkreuzungen, an Bäumen und Waldrändern, auf Anhöhen oder auf Gemeinde- und alten Herrschaftsgrenzen.
Die meisten von Ihnen stehen im Zusammenhang mit Mord- oder Totschlagsdelikten, was auch erklärt, warum auf diesen Kreuzen meist Mordwaffen eingeritzt sind.
Oft ist aber der wahre Aufstellungsgrund nicht mehr bekannt.
Die Steinkreuze sehen zum Teil sehr schmucklos und verwittert aus, was die Bevölkerung dazu veranlasste schauerliche Geschichten oder Sagen über die vermeintlichen Geschehnisse zu erzählen, die bis in die heutige Zeit überliefert werden.

Ein solches Sühnekreuz war auch der Hauptgrund, warum wir uns zu Dritt vor einigen Wochen, an einem sonnig kalten Wintersonntag, auf den Weg in den Anzefahrer Wald machten.
An dem geteerten Waldweg Richtung Sindersfeld/Rauschenberg (Waldstraße) befindet sich abseits des Weges im Wald, nicht weit vor dem Holzlagerplatz bzw. der Viehweide Rauschenberg, etwa 30 m vor einer Waldlichtung und ca. 500 m nordöstlich von Sindersfeld, ein solches Sühnekreuz.
Dieses Kreuz haben wir in den vergangenen Jahren bereits mehrmals gesucht und auch gefunden.
Auch heute wurden wir von unserem Erinnerungsvermögen und gutem Orientierungssinn nicht im Stich gelassen, wir fanden das Kreuz sehr schnell.
Der Sage nach sollen hier im frühen 16. Jahrhundert zwei Bauern in Streit geraten sein, in dessen Verlauf einer den anderen mit einem Pflugsech (Pflugmesser, Teil eines alten Pfluges) erschlug. Dieses Pflugsech ist auf der Vorderseite des Kreuzes zu erkennen (siehe Bilder). Beide Kreuzarme sind abgebrochen, der Verwitterung nach ist das Kreuz schon sehr lange (Jahrhunderte?) in diesem Zustand.

Als wir uns auf dem Teerweg (Waldstraße) wieder auf den Heimweg Richtung Anzefahr begaben, kamen wir an einer bekannten Weggabelung/Kreuzung des Waldweges Richtung „Hirschgrund“/Stausebach vorbei.
Es fiel mir dann spontan eine Geschichte ein, die ich als Kind von meinem Opa, aber auch vom Vater und einem Onkel erzählt bekommen hatte.
An dieser Kreuzung soll ich sich vor vielen, vielen Jahren ein (Selbst-) Mord zugetragen haben, dem ein sogenannter Hannes oder Hans Klein zum Opfer fiel. Daher der Name „klee Hans Kreuz“ für diese Wegkreuzung.
Bis zu diesem Tag waren wir der Meinung und es wurde uns auch mal so erzählt, dass das Steinkreuz bei Sindersfeld und diese Kreuzung beides umgangssprachlich als „klee Hans Kreuz gilt, obwohl es unterschiedliche Vorfälle und Orte waren bzw. sind.

Im Nachgang zu diesem Waldspaziergang habe ich dann ein wenig im Internet und in einem Buch über Sühnekreuze recherchiert („Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen“, Heinrich Riebeling 1977). Das Buch gehört einem guten Bekannten, der sehr heimatgeschichtlich interessiert ist.
Dabei bin ich auf viele interessante Informationen zu Sühnekreuzen gestoßen und auch das „Rätsel“ um das „klee Hans Kreuz“ wurde weitestgehend gelöst.

An der Stelle der Weggabelung hat tatsächlich bis vor ca. 70 Jahren ein Sühnekreuz gestanden, diese Tatsache erklärt, dass der Name „klee Hans Kreuz“ nicht von der Weggabelung abgeleitet ist, sondern sich auf das mittlerweile verschwundene Steinkreuz bezieht, was glaubhaft bestätigt wird. Der Sage nach soll eine Bäuerin aus Anzefahr ihre beiden Söhne mit der Zusage in den Wald zum Holz lesen geschickt haben, wer die größere Last heimbringen würde, der solle ein schönes Stück Wurstbrot als Lohn erhalten. Da der kleinere der beiden, der Hannes hieß, das größere Bündel zusammengetragen hatte, geriet der ältere Bruder aus Neid so sehr in Wut, dass er ihn erschlug. Der tote kleine Hannes gab dem zu seiner Erinnerung errichteten Steinkreuz den Namen „klee Hans Kreuz“.

Somit dürfte also klar sein, dass das bereits erwähnte Steinkreuz bei Sindersfeld nichts mit dem „klee Hans Kreuz“ zu tun hat. Das umgangssprachliche „klee“ ist von dem kleinen Bruder abgeleitet und nicht etwa, wie zuerst vermutet, von einem Nachnamen „Klein“.

Ein weiteres Steinkreuz hat in Richtung Stausebacher Schützenhaus gestanden, im sogenannten „Hirschgrund“, allerdings ist auch dieses Kreuz verschollen und der Standort lässt sich nicht mehr ganz exakt wiedergeben, vermutlich in einer dichten Kiefernschonung.
Es wird angenommen, dass es in den 1950er Jahren beim Einschlag des hohen Altholzbestandes verloren gegangen ist.

Die Standorte dieser drei Kreuze, die alle im Umkreis von ca. 2 km stehen bzw. gestanden haben, findet man über nachfolgenden Link, dort erfährt man über weiterführende Verlinkungen weitere Details zu den drei Kreuzen:
mehr dazu

Zum Abschluss des eingangs erwähnten Waldspazierganges haben wir uns noch zwei Buchen angeschaut, auf denen Einritzungen aus den 1950er bis 1970er Jahren von Anzefahrer Jugendlichen zu sehen sind. Diese Einritzungen bestehen aus den Initialen und der jeweiligen Jahreszahl z. B. „FH 1953“.
Mittlerweile sind durch den Baumwuchs die Angaben nur noch sehr schwer zu erkennen, lassen sich aber zum Teil noch gut deuten.
Die Bäume stehen an einem Distriktstein auf dem Verbindungsweg von der Waldstraße kommend Richtung Bodenweg („Bureweg“). Der Distriktstein steht direkt an einer Abzweigung von diesem Verbindungsweg, wo ein kurzer Waldweg wieder zur Waldstraße hinauf führt.

Bei unserem kleinen Waldspaziergang sind uns aber nicht nur Relikte aus früheren Zeiten begegnet, sondern auch aus der aktuellsten Neuzeit, bezogen auf die elektronische Schnitzeljagd – das Geocaching.
Vielleicht wird man in 200 oder 300 Jahren nicht mehr nach alten Steinkreuzen suchen, sondern nach verschollenen „Schätzen“ aus der Zeit um die letzte Jahrtausendwende.

Bürgerreporter:in:

Berti Bonacker aus Kirchhain

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