Begegnungsnachmittag mit Vortrag "Warum Christen Kirchen gebaut haben?"

Dr. Rolf Pfeiffer beim Vortrag
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Beim monatlichen Begegnungsnachmittag im Martin-Luther-Haus in Kirchhain gibt es eine kleine Andacht, Kaffe und Kuchen, einen interessanten Vortrag und die Gelegenheit zum gemeinsamen Singen. Am 26. Februar ging es bei diesem Nachmittag um Kirchenarchitektur, da das Gemeindezentrum seinen fünfzigsten Geburtstag feiert.

Zu Beginn gab es Gedanken von Pfarrer Dr. Georg Kuhaupt zum Kirchenjubiläum. "Kirchenjubiläen sind etwas ganz Besonderes", stellte der Pfarrer fest. Er selbst hatte das 1998 erlebt, als er noch Pfarrer in Kassel-Harleshausen war. Die dortige Erlöserkirche wurde 90 Jahre alt. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm ein Zeitzeugenbericht: Eine alte Frau erzählte, wie sie damals als Grundschüler vom Nachbarort zur Kircheneinweihung gezogen sind, um dort ein Lied zu singen.

In den 60er Jahren gab es einen großen Bauboom. Das konnten auch die Besucher des Begegnungsnachmittags bestätigen: Als Pfarrer Dr. Georg Kuhaupt alle um Meldung bat, die in einem Haus aus den sechsziger oder siebziger Jahren wohnen, ging die Mehrzahl der Hände hoch. Die Enstehung vieler Siedlungen hatte natürlich zur Folge, dass zahlreiche Kirchen gebaut wurden, und so in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, insbesondere in den sechziger und siebziger Jahren, viel mehr Kirchen gebaut worden als in früheren Zeiten. In Kirchhain entstand das Gemeindezentrum in der Breslauer Straße, wobei erst das Gemeindehaus gebaut wurde und später die Kirche dazukam.

Die modernen Gemeindezentren sind nicht unbedingt als Kirche erkennbar, da oft die sakrale Funktion durch funktionale Aspekte zurückgedrängt wurde. Typisch sind etwa Falttüren, mit denen man Räume je nach Bedarf unterteilen kann. Auch im gerade genutzten Raum ist eine Falttür vorhanden.

Pfarrer Dr. Georg Kuhaupt sieht eine rückläufige Betonung der Funktionalität und plädiert gegen die Vernachlässigung der sakralen Elemente. Menschen sehnen sich nach heiligen Räumen. Sie brauchen Orte, die ihnen Kraft geben und ihnen die Begegnung mit dem Glauben ermöglichen. Er hält es für wichtig, dass Kirchen für alle Menschen zugänglich sind - auch die, die nicht an Gott glauben - und hofft, dass man in Kirchhain trotz einiger Bedenken auch die Stadtkirche tagsüber öffnen kann (die Martin-Luther-Kirche ist werktags von 8 bis 17 Uhr geöffnet).

Kirchen sind wichtig für die Menschen und die Seelen von Dörfer und Städten. Deswegen unterstützen auch zahlreiche Nicht-Mitglieder der Kirche die Unterhaltung von Kirchenbauten - insbesondere in den östlichen Bundesländern, wo der Anteil der Christen an der Bevölkerung wesentlich geringer ist.

Die evangelische Kirchengemeinde in Kirchhain besitzt mit ihren zwei Kirchen zwei sehr unterschiedliche Sakralräume, wie man sie nur in wenigen Gemeinden findet. Aus diesem Grunde sind laut Pfarrer Kuhaupt beide Kirchen unverzichtbar: "Deswegen war es es für uns vor Jahren auch gar keine lange Diskussion zu sagen: Selbst wenn wir Gebäude reduzieren müssen, die Martin-Luther-Kirche ist so wertvoll - auch in Verbindung mit anderen Gebäuden - die können wir auf keinen Fall antasten - Sie wissen alle, dass man in Stadtallendorf zum Teil anders verfahren hat."

Warum Christen Kirchen gebaut haben?
Dr. Rolf Pfeiffer ist Kunstkenner und vielen Menschen sowohl durch seine Tätigkeit als Lehrer an der Stiftsschule St. Johann in Amöneburg als auch seine Aktivitäten in der evangelischen Kirchengemeinde von Kirchhain bekannt. Er lebt inzwischen in Freiburg, war aber glücklicherweise der Einladung zum Vortrag in Kirchhain gefolgt.

Bei seinem Vortrag ging es weniger um die Kirchen in Kirchhain als um die Entwicklung von Kirchenbauten von den Anfängen des Christentums bis heute. Er zeigte zahlreiche Bauwerke, die sowohl Kirchen in der näheren Umgebung (z.B. Langenstein, Marburg) als auch in anderen Ländern beinhalteten. Gelegentlich mussten die Besucher - zumindest in Gedanken - den Kopf drehen, da einige Bilder wider Erwarten um 90 Grad gedreht auf der Leinwand erschienen. Das aber nahmen die Besucher mit Humor.

Zeitlich bewegte sich Dr. Rolf Pfeiffer zunächst etwa zweitausend Jahre in die Vergangenheit. Die Sakralbauten der Antike waren Opferstätten, die nur teilweise für Besucher zugänglich waren. Das galt sowohl für die Tempel bei Griechen und Römern als auch den jüdischen Tempel in Jerusalem. Damit waren sie als Gottesdienstorte für Christen nicht geeignet.

Die ersten Kirchen hingegen leiteten sich von den damaligen Markthallen ab, welche als Versammlungsräume gut geeignet waren. Im Laufe der Zeit wurden die zunächst sehr funktionalen Gebäude stark durch ihrer sakrale Funktion und die sich ergebenden künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten geprägt. Die Decken waren anfangs eben, während man später zu Gewölben überging und dabei so filigrane freischwebende Konstruktionen wie in der Kirche von Langenstein entstanden.

Die Innenräume und die Figuren in den Kirchen wurden farbig bemalt, wobei leider in vielen Fällen die Farbe im Laufe der Zeit verlorenging. Dr. Rolf Pfeiffer hatte sogar ein Beispiel für ein Gebäude mit Bemalung an der Außenseite.

Im Barock sollten sich die Kirchenbesucher wie im Himmel fühlen. Deswegen waren Engel und Wölkchen gerne verwendete Gestaltungselemente in Barockkirchen.

Die ersten Kirchtürme waren vom Kirchengebäude abgetrennt, während später eine Integration in die Gebäude erfolgte. Bei den modernen Kirchen hingegen sind separate Kirchtürme wieder sehr beliebt. Die Martin-Luther-Kirche ist ein gutes Beispiel dafür.

Die Reformation hatte auch einen wichtigen Einfluss auf die Gestaltung von Kirchen. Während die Heiligenfiguren in evangelischen Kirchen verschwanden, sollten wichtige Elemente des Gottesdienst wie Predigt und Musik auch über die Gestaltung des Kirchenraums betont werden. Eine nur in evangelischen Kirchen zu findende Gestaltung ist der Kanzelaltar, bei welchem Altar, Kanzel und Orgel übereinander angeordnet sind.

Bei modernen Kirchengebäuden findet man eine Vielzahl von neuen Formen und Ideen - sowohl bei der evangelischen als auch der katholischen Kirche. Dr. Rolf Pfeiffer musste sich auf wenige Beispiele beschränken. Wenn er bei seinem Vortrag stärker in die Details gegangen wäre, hätte er ihn auf viele Stunden ausdehnen können.

Bürgerreporter:in:

Sören-Helge Zaschke aus Stadtallendorf

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