Der 1. Weltkrieg

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Vor nunmehr 95 Jahren war die erste militärische Auseinandersetzung, bei der die moderne Kriegstechnik die gesamte Menschheit erfaßte. Ursachen für den 1. Weltkrieg waren:
- Machtstreben der europäischen Großmächte
- Revanche-Verlangen Frankreichs für den Krieg 1870/71
- Nationale Unruhen der kleinen Völker in Ostmitteleuropa.

Der unmittelbare Anlass war die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin in Sarajevo am 28.06.1914 durch serbische Nationalisten. Nach Ablauf des Ultimatums an Serbien, erklärte Österreich am 28. Juli 1914 Serbien den Krieg.
Den Mittelmächten Deutschland, Österreich-Ungarn, Türkei und Bulgarien standen die Alliierten Frankreich, Großbritannien, Japan, Italien, Portugal, Rumänien, USA, Kuba, Panama, Siam, Liberia, China, Brasilien, Guatemala, Nicaragua, Costa Rica, Honduras und Haiti gegenüber. Die Mittelmächte hatten ihre Truppen über eine bis dahin noch nicht gekannte Entfernung zu befehligen. Die Westfront verlief vom Meer bis zur Schweizer Grenze. An die Stelle der Entscheidungsschlachten trat an der Westfront der Zermürbungskrieg.
In der Schulchronik von Anzefahr lesen wir folgendes über den Kriegsausbruch:
"... am 31. Juli brachte der Telegraph das Telegramm von dem Kriegszustand und am 1. August abends 6 1/4 Uhr die Nachricht von der Mobilmachung. ... Sofort wurde die Mobilmachung im Dorfe durch die Schelle bekannt gemacht. ... Am 5. August wurde der Personenverkehr eingestellt und nun kamen alle Viertelstunden Militärzüge, schwer beladen mit Soldaten, Pferden, Geschützen und Munition. ... Damit der Feind keine Sabotage ausführte, wurden Bauten, Brückenanlagen bewacht. Jeder aus dem Dorfe übernahm freiwillig den Wachtdienst. ... Die Kriegsnachrichten wurden jeden Tag durch den Telegraph bekannt gegeben und am Schulhause ausgehängt. ... Bald meldete der Telegraph auch schon die ersten Siege. Sie wurden durch Glockengeläute, schulfreie Tage gewürdigt."

Mein Großvater erlebte als Soldat des Res.-Infanterie-Regiment 88 diesen Krieg. Vor einigen Jahren ist es mir gelungen, die Kopie des Kriegstagebuches dieses Regiments zu erhalten. In Hanau fand am 29./30. Oktober 1932 die 1. Wiedersehensfeier der Angehörigen des Regiments statt. In der Einleitung zur Regimentsgeschichte können wir folgendes lesen:
"Über 30.000 Männer sind im Weltkrieg durch unser Regiment gegangen. Ihr kamt in unser Regiment aus der Wetterau, dem Rheingau, aus Rheinhessen, aus dem Vogelsberg, dem Odenwald, aus der Rhön, dem Westerwald, aus dem Sieger- und Fulder Land, aus Westfalen, dem Rheinland, aus Hannover, aus Braunschweig, aus dem Elsaß, aus Sachsen, aus Schlesien, aus dem deutschen Osten und von der Wasserkante. ..."

Herr Leutnant d. Res. Wermbter berichtet in seinem Regiments-Tagebuch über das Ausrücken des Regiments wie folgt:
"Das I. und III. Batl. R.I.R. 88 wurde in Hanau, das II. Batl. in Worms zusammengestellt. Am 11.8.1914 wurde es in je einem Zug in Hanau-West verladen... Nieder-Zerf, südl. Trier, war der gemeinsame Ausladepunkt und wurde nachts gegen 1 Uhr erreicht. ... 13.8.1914 Marsch über Irsch nach Saarburg ... 14.8.1914 Ruhetag. Das Regt. hatte den ersten Toten. Unteroffz. Wiegand ertrank beim Baden in der Mosel. ... 15.8.1914 Marsch über Wormeldingen, Ahn, Nieder- und Ober-Donwen, Flaxweiler. ... 18.8.1914 Bataillon selbständig in Marsch gesetzt und marschierten über Rodenburg, Junglinster nach Burglinster, bzw. Olingen, Rodenburg nach Gonderingen und Ernster, bzw. Gonderingen anch Imbringen und Eisenborn. ... 19.8.1914 Marsch über Blascheid, Lintgen, Rollingen, Berschbach, Udingen nach Bissen, Mösdorf und Böringen. ... 20.8.1914 Marsch über Boevange, Useldingen, Everlingen, Reichlingen, Ospern, Hostert bis Rambruch, Folchette und Koetschette, Holz, Schwidelbruch. ... 21.8.1914 Marsch über Koetschette, Martelange, wo die belgische Grenze überschritten wurde, Radelange, Bodange, Fauvillers, Vitry, Traimont bis Jusuret. ..."

Wie die Soldaten das Kriegsjahr 1914 erlebten, erfahren wir aus dem Kriegstagebuch:
22.-23.08.1914 Schlacht bei Neufchateau - Tote: 2 Offiziere, 20 Mann - Verwundete: 2 Offiziere, 72 Mann - Vermißte: 46 Mann
09.09.1914 den ganzen Tag heftiges Artilleriefeuer, während die Unterstützung durch eigene Artillerie gering war
14.09.1914 Im Bois de Cernay wurden 3 französische Offiziere und 181 Mann, die versprengt waren, gefangen genommen
26.09.1914 Erstürmung des Bois de Ville und der Briqueterie nördlich Ville sur Tourbe. Bis 12 Uhr hielten die 6., 7. und 8. Komp. die Stellungen am Waldrand und verloren fast sämtliche Führer. Die meisten fielen tapfer kämpfend, nur wenige ergaben sich dem übermachtigen Feind. Mit 18 Offizieren, 874 Mann war das II. Batl. ins Gefecht gerückt: 5 Offiziere und 338 Mann kamen zurück
27.11.1914 Patrouille fand Paket mit Aufschrift, die zum Überlaufen aufforderte
23.-26.12.1914 Die Weihnachtstage vergingen in erhöhter Gefechtsbereitschaft unter dem üblichen Artilleriefeuer"

Mit zunehmender Kriegsdauer machten sich in Deutschland auch bald Schwierigkeiten in der Versorgung bemerkbar, die die Reichsregierung zum Anlass nahm eine Reihe von Spargesetzen zu erlassen. Mit Wirkung vom 1. Februar 1915 ließ die Regierung alle Getreide und Mehlvorräte aufnehmen und teilweise beschlagnahmen. Im Mai 1915 schlossen sich zwei Bestandsaufnahmen der Kartoffelvorräte an.

In dem Kriegstagebuch wird über das Jahr 1915 folgendes berichtet:
"03.02.1915 Sturm auf die Höhe 191 nördlich Massiges. An dem Sturm, der voll und ganz nach 3 gewaltigen Sprengungen gelang, haben den Hauptanteil die 9. und 10. Komp., 4 Offiziere, 150 Mann gefangen, 4 MG erbeutet. Eigene Verluste: Tote - 3 Offiziere und 68 Mann, Verwundete - 7 Offiziere und 269 Mann, Gefangen bzw. Vermißt - 1 Offizier und 25 Mann
01. - 30.04.1915 Der Stellungskampf setzte ein. Ausbau der Stellungen vorgenommen. Fast alle Gräben waren ersoffen und zusammengefallen. Das Wasser war in 12 Stunden 50 - 60 cm gestiegen
26.06.1915 Die Feuertätigkeit war im Monat Juni recht lebhaft, durschnittlich 650 - 700 Granaten täglich in die Stellung
01. - 31.12.1915 Wasser steigt so enorm, daß vorläufig nur Entwässerungsarbeiten im vordergrund stehen. Mannschaften müssen schöpfen und freund und Feind die Posten zurückziehen."

In Deutschland stiegen die Preise an und die Grundnahrungsmittel werden rationiert. Es wurden auch die ersten Bezugskarten ausgegeben. Im Februar 1916 ließ dann die Regierung kupferne Kessel und Gerätschaften beschlagnahmen, um sie zur Herstellung von Geschossen zu verwenden.

Unser Zeitzeuge berichtet in seinem Tagebuch weiter über das Kriegsgeschehen des Jahres 1916 an der Westfront:
"Januar bis Juni 1916 In diesem halben Jahr wurden 56 Betonunterstände fertiggestellt. Seit Beginn des Stellungskampfes sind 5.600 cbm Rundholz verbraucht und 420 Tonnen Holzkohle hergestellt worden
25.01.1916 Alarmübungen jede Nacht. Gasmasken werden ausgegeben und mit diesen Übungen gemacht
26.01.196 Der Großherzog von Hessen begrüßte seine Landeskinder und verlieh Hess. Tapferkeitsmedaillen
30.01.1916 Bis 300 Granaten täglich. Schnee und Sturm, der die Masken fortreißt
14.03.1916 Zur Verbesserung der Mittagskost der Mannschaften kam Zimmermann auf den genialen Gedanken Gemüseanbau zu betreiben. Samen würde aus der Heimat geholt. Kraute aller Art, Kartoffeln (ungefähr 45 Morgen), Sellerie, Gurken, Petersilie, Erbsen, Rüben, Karotten, Bohnen, selbst Klee für die Pferde
04.07.1916 Erkundung von Übungsplätzen zur Vorbereitung der besonderen Angriffsmethoden vor Verdun. Jetzt begann das Wanderleben, welches uns an die verschiedensten Fronten des westlichen Kriegsschauplatzes führen sollte
01.08.1916 Auf 10.00 Uhr Vormittags war der Sturm im Vaux-Grund angesetzt, ab 8 Uhr Vormittags Wirkungsschießen der eigenen Artillerie. Pünktlich bricht der Sturm los und hat nach einer halben Stunde das befohlene Ziel erreicht
17.08.1916 Starkes Feuer aller Kaliber, 9.30 Uhr Vormittags Sperrfeuer
18.08.1916 Steigerung bis Trommelfeuer. Gegen 4 Uhr Nachmittags greifen Franzosen die ganze Südfront an. Angriff im Artillerie- u. Infanteriefeuer zusammengebrochen
31.10.1916 Aboluter Wassermangel, Verpflegung mangelhaft."

Die Landbevölkerung hatte in Deutschland bisher wenig oder keine Not leiden müssen, im Gegensatz zur Bevölkerung in den Städten. Dies änderte sich jedoch ab Herbst 1916 infolge einer schlechten Kartoffelernte. Dazu kam Anfang 1917 ein äußerst strenger Winter.

Über die Geschehnisse an der Front im Jahre 1917 berichtet unser Zeitzeuge in seinem Kriegstagebuch wie folgt:
"01.01.-03.02.1917 Völlige Ruhe in den guten Unterkünften, gute Erholung nach dem schweren dreimaligen Einsatz vor Verdun. Strenger Winter, viel Schnee
27.01.1917 Erste ruhige Feier des Geburtstages Seiner Majestät unseres Kaisers in allen Unterkünften
16.04.1917 Marschbereit. 2 Uhr Nachmittags Vormarsch; Abends Quartiere. 11 Uhr Abends wieder marschbereit
05.12.1917 Engländer räumt ganze Nordfront
24.12.1917 7.45 Abends: englische Vergasung der Schleuse, leider erhebliche Zahl Gaskranker; Handgranaten - Angriff an Südwestecke abgewiesen."

Der Friedensvertrag von Brest-Litowsk vom 03. März 1918 gab Deutschland die Möglichkeit freiwerdende Kräfte an der Westfront einzusetzen.

Im Tagebuch lesen wir weiter:
"21.03.1918 Der große Tag, auf den alle Hoffnungen des ganzen Volkes zur siegreichen Beendigung des Krieges gesetzt waren. 8 Uhr Vormittags schlagartig einsetzende stärkste planmäßige Artillerie-Vorbereitung des auf 9.40 Uhr Vormittags angesetzten Sturms
21.08.1918 5.50 Uhr Vormittags Trommelfeuer ganze Front
19.09.1918 Abordnungen der Division nach Naves östlich Cambrai, kurze Ansprache des Feldmarschalls von Hindenburg: "Aushalten, dem Feinde viel Abbruch tun, um ihm zu zeigen, daß er uns nicht niederzwingen kann und zu ehrenvollem Frieden bereit wird"
30.09.1918 Nächtlicher Marsch nach Villers-Outreaux, wo die Bataillone bis 7 Uhr Vormittags eintrafen. Das von den Bewohnern geräumte Dorf war fast unzerstört, wurde aber im Laufe des Tages von feindlicher Artillerie beschossen
03.10.1918 Um 5 Uhr Morgens erschienen starke feindliche Fliegergeschwader und belegten die Stellungen in Gouy und westlich davon mit Bomben und MG-Feuer. Kurz nach 6 Uhr brach der Gegner auf beiden Flanken durch
06.10.1918 Die Reste des Regiments kamen nach Serain und wurden dort in Kellern untergebracht
17.10.1918 Am Nachmittag Befehl, daß Res.Inf.Reg. 88 aufgelöst würde."

Auf Grund der hohen Verluste wurde dieses Regiment 24 Tage vor Kriegsende aufgelöst und die Soldaten anderen Regimentern zugeteilt.
Ein Waffenstillstand beendete am 14.11.1918 diesen Krieg, nachdem sich Wilhelm II. am 9. November 1918 zur Abdankung gezwungen sah. Der am 28. Juni 1919 unterzeichnete Versailler-Vertrag trat am 10. Oktober 1920 in Kraft. Die Alleinschuld des 1. Weltkrieges wurde Deutschland aufgebürdet mit den damit verbundenen Reparationen.

Das Ende des Jahres 1918 bis etwa Februar 1919 stand ganz im Zeichen der Demobilmachung und Rückführung der Soldaten, die größtenteils mit Ausrüstung und Kriegsgerät von der Front kamen. Über diese Zeit finden wir in der Schulchronik von Anzefahr folgende Eintragungen von Lehrer Lotz: "... Tage lang sah man Militär durch unser Dorf ziehen. Sachsen und Württemberger waren bei uns einquartiert und wurden dann von Kirchhain per Bahn in ihre Heimat transportiert. Viele Pferde erlagen den Anstrengungen des Marsches. Tot blieben sie auf den Straßen liegen. Die hiesigen Krieger kehrten auch bald zurück. Sie feierten ein Wiedersehen durch ein Tanzvergnügen im Pfefferschen Saale. Einige Monate später trafen auch die Gefangenen ein. Für die Gefallenen wurde ein Trauergottesdienst abgehalten, auch soll in der Kirche eine Gedenktafel angebracht werden. ...".

Von den vielen Millionen Toten in diesem Krieg verloren allein 1,8 Millionen Deutsche ihr Leben und 995.000 Soldaten mußten in die Gefangenschaft.

Bürgerreporter:in:

Hans-Christoph Nahrgang aus Kirchhain

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