IGS für Isernhagen

14. November 2012

Schullandschaft in Isernhagen – CDU-Stellungnahme im Blick vom 21.6.2012

Es ist schon einige Monate her, dass die Isernhagener CDU-Gemeinderatsfraktion, vertreten durch Herrn Mengershausen, im „Blick in unsere Gemeinde“ vom 21.6.2012 eine Stellungnahme zur Schulsituation in Isernhagen publiziert hat, die nicht ohne Widerspruch bleiben kann.
Ich erlaube mir als politisch am Thema Interessierter und als Vater zweier Schulkinder zumindest indirekt Betroffener ein paar Anmerkungen zu dieser Veröffentlichung.
In dem Artikel werden der zunehmende Leistungsdruck und die Unruhe beklagt, die nach CDU-Ansicht aus den vielen Veränderungen in unserem Schulwesen resultieren und Schüler, Lehrer und Eltern belasten, und insoweit stimme ich diesen Argumenten auch zu. Veränderungen sind andererseits aber etwas ganz Normales – ohne Veränderung kein Fortschritt. Nachdem aber nach CDU-Meinung in den Isernhagener Schulen alles ”vorbildlich“ (Zitat) ist, müssten wir ja an einem Ende der Schulentwicklung angekommen sein, an dem es keine Veränderungen mehr geben muss. Polemisch gesagt: Die über zweihundertjährige dreistufige Schule Wilhelm von Humboldts ist nach CDU-Verständnis in Isernhagen am Ende angekommen.
Soll demnach die traditionelle Schule unverändert erhalten bleiben, ohne den grundlegend veränderten Bedingungen der heutigen Zeit angepasst zu werden?
Nicht nur die Lern- und Lehrinhalte haben sich geändert, sondern auch die Rahmenbedingungen. Vor dreihundert Jahren gab es noch Universalgelehrte, die von sich behaupten konnten, das gesamte Wissen wenigstens Europas präsent zu haben. Heute nimmt das Wissen der ganzen Welt an einem Tage mehr zu als damals in einem ganzen Jahrhundert. Und nicht nur das. Das Umfeld hat sich radikal geändert, neue Lehr- und Lerntechniken, veränderte Bevölkerungsstrukturen, weltweite Migration, Überalterung, weniger Kinder mit zugleich vielfältigerer Herkunft. Die Sozialstrukturen haben sich verändert, die alte Dreiteilung Ober-, Mittel- und Unterschicht (die die Vorlage für das Humboldtsche Schulsystem bildete), existiert nicht mehr. Sie wurde durch viele Zwischenebenen und mannigfaltige Abstufungen so stark zerfasert, dass die alten Abgrenzungslinien kaum noch erkennbar sind.
Es muss also ein Schulsystem her, das diese neuen Bedingungen aufgreift und widerspiegelt. Für die grosse Mehrzahl der Schüler ist dies ganz ohne Zweifel am ehesten noch die Integrierte Gesamtschule (IGS), die es unter verschiedenen Bezeichnungen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten gibt. Weil die Schüler so viel vielfältigere und oft weit extremer auseinander klaffende Voraussetzungen als noch vor 50 Jahren mitbringen, muss ein Weg gefunden werden, diese Unterschiede nach und nach aufzuheben und am Ende der Schulzeit zu einem halbwegs gleichen Abschlussstandard zusammenzuführen. Die IGS mit Gymnasialer Oberstufe, in der Schüler nicht nur gefordert, sondern auch gefördert werden, in der es deshalb kein Sitzenbleiben mehr gibt und in der die Herkunft keine entscheidende Rolle mehr spielt, ist ein erster Schritt auf dem langen Weg in die Schule der Zukunft. Die Brüche, die sich im traditionellen Schulwesen zwangsläufig und spätestens beim Wechsel von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II ergeben, erzeugen demgegenüber relativ hohe Reibungsverluste (Abschulungen). Nicht zuletzt kommt die für die IGS fast überall übliche Ganztagsschule berufstätigen Eltern sehr entgegen. Und der fast völlige Wegfall der Hausaufgaben (die werden gleich in der Schule mit erledigt) heisst, dass die Freizeit auch wirklich Freizeit ist.
In diesem Sinne gilt für die hiesige ”Schullandschaft“ (Zitat – und welch absurdes Wort!) keineswegs die Aussage, dass Bedarf an Verbesserungen in Isernhagen ”allerdings nicht [zu] erkennen“ (Zitat) sei.
Dem Artikel entnehme ich, dass die Forderung nach einer IGS in Isernhagen ”aus heiterem Himmel“ (Zitat) gekommen sei. Der Bedarf besteht aber definitiv schon seit Langem: Wir, d.h. unsere ganze Familie, – und nicht nur wir – hatten uns bereits vor sechs Jahren nach einer Möglichkeit für unsere Kinder umgesehen, eine IGS zu besuchen. Wir entschlossen uns, es in der nächstgelegenen Schule (Langenhagen) zu versuchen, und mit Losglück wurde unser Sohn als einer von rund 180 Schülern angenommen. Damals wurden rund 200 Kinder aus Langenhagen, aber überproportional aus der Wedemark, aus Burgwedel und aus Isernhagen, abgewiesen. Ein Jahr später wurde unsere Tochter ebenfalls aufgenommen, weil Geschwisterkinder aus Rücksicht auf die Lage der Eltern bevorzugt angenommen werden. Die Ablehnungszahlen sind seither kontinuierlich gestiegen. Ein wenig Entlastung brachte die kürzliche Neugründung in der Wedemark.
Wenn betont wird, dass ”die notwendigen Bedingungen in Isernhagen nicht erfüllt werden“ (Zitat), sollte der Ehrlichkeit halber auch erwähnt werden, dass für IGS-Neugründungen erheblich höhere Hürden bestehen als für andere Schulen: Mindestens Fünfzügigkeit bedeutet rund 150 Schüler vom ersten Tag an, und ausschliesslich für neue IGS wird eine Schülerzahlprognose über 10 Jahre verlangt, eine Vorhersage, die in der ständig sich verändernden Situation des Schulumfeldes niemand für irgendeine Schule seriös vornehmen kann. - Hürden übrigens, die in der noch andauernden Regierungszeit von CDU/FDP errichtet wurden.
Ich erwarte eine Erklärung, wieso eine Elternbefragung ”fahrlässig“ (Zitat) ist. Könnte es sein, dass mit diesem Argument eine solche Befragung vermieden werden soll, weil die Ratsmehrheit sich nicht sicher sein kann, dass der Wunsch nach einer IGS keine Mehrheit fände? Spräche sich eine Mehrheit der Eltern für eine IGS aus, wäre es allerdings in der Tat grob fahrlässig, wäre womöglich Vorsatz, einen solchen Wunsch zu ignorieren.
Und warum wird ”ohne gymnasialen Zweig“ (Zitat) so betont? Die Befragung in dieser Formulierung hätte in der Tat weniger Chancen auf eine Mehrheit, weil eine Rumpf-IGS keine Lösung für das Hauptproblem böte. Es geht doch bei dieser Schulform gerade darum, den Schülern einen Weg ohne grosse Brüche und unnötige Hürden bis hin zum Abitur (wenn angestrebt) zu eröffnen. Ein Wechsel nach der zehnten Klasse von der IGS zur Sekundarstufe II des Gymnasiums würde genau die gegenwärtige Situation konservieren. Das Ergebnis wäre, dass Schüler, die z.B. wegen schlechterer Voraussetzungen von daheim auf dem herkömmlichen Weg nur zum Realschulabschluss kämen, wie bisher ausser auf einem langwierigen und schwierigen Umweg kaum eine Möglichkeit hätten, ein Studium aufzunehmen. Eine Schullaufbahn ohne Bruch, ohne Schulwechsel, ohne abrupten Lehrerwechsel führt aber nachgewiesenermassen zu einer höheren Quote an Abiturienten: Ein Ziel, das alle Parteien auf allen Ebenen propagieren, das sie aber oft de facto in der Praxis torpedieren oder wenigstens ignorieren. Könnte – entsprechend den offensichtlichen Motiven des Hamburger Volksbegehrens 2010 gegen die sechsjährige Primarphase – die Zusammensetzung der Zielgruppe einer Partei dabei auch eine Rolle spielen?
(Nur am Rande: Wie ist nach Meinung der CDU der Begriff konservativ als Parteienetikett definiert?)
Ich bitte um Nachsicht, wenn die eine oder andere Formulierung den (juristischen) Sachverhalt vielleicht nicht hundertprozentig trifft, aber das ändert nichts an der Intention dieses Artikels, die Gedanken hinter der Idee der Integrierten Gesamtschule und die Wünsche der Eltern, denen viel am Wohlergehen ihrer Kinder liegt, zu artikulieren.

Hans H. Lauterwald
Isernhagen-Altwarmbüchen

P.S. Um der Fairness willen sei es erwähnt: Ich bin Mitglied der Piratenpartei. Zu unserem montags vierzehntäglich um 19.30 stattfindenden Stammtisch im Restaurant Plaka, Hannoversche Str. 68 in Altwarmbüchen, sind alle Interessierten herzlich eingeladen, auch ohne Voranmeldung.

Nächste Termine sind 19.11. und 3.12., dann ist „Weihnachtspause“ bis zum 7.1.2013

Bürgerreporter:in:

Hans Lauterwald aus Isernhagen

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