Eine Schlösser- und Burgentour durch das Innerstebergland und den Ambergau

Kurz hinter Hildesheim bei Itzum. Der Bergfried der Domäne Marienburg
129Bilder
  • Kurz hinter Hildesheim bei Itzum. Der Bergfried der Domäne Marienburg
  • hochgeladen von Kurt Wolter

Den Harz kennt jeder Hannoveraner, das Weserbergland und auch das Steinhuder Meer. Doch wer kennt das Innerstebergland oder den Ambergau? Das sind wohl nur die Allerwenigsten, und das ist ein großer Fehler. Denn diese beiden Landschaften, die hinter Hildesheim beginnen und sich bis an den Harz erstrecken, haben, fernab vom großen Tourismus, eine Menge zu bieten. Da gibt es in leicht hügligem Gelände, von sanften Bergen eingerahmt und von den Flüsschen Innerste und Nette duchplätschert, jede Menge schöner Dörfer. Dazwischen gibt es Burgen und diverse Schlösser oder rittergutähnliche Höfe. Und dann gibt es auch noch Kuriositäten wie die Upstedter Linde oder das Felsrelief der Hubertuszene am Hainberg. Doch davon später.
Diese beiden Gegenden also wollen wir erkunden. Am besten geht das mit dem Fahrrad. Man kann damit natürlich direkt von Hannover aus starten. Dann hat man etwa 150 Kilometer vor sich. Doch für den Durchschnittsradfahrer ist das natürlich zu weit. So bietet es sich an in Hildesheim loszuradeln, was einer Streckenlänge von etwa 70 Kilometern entspricht. Wem auch das zu viel ist, der kann von Derneburg eine 45-Kilometer-Runde drehen. Also für jeden das Passende.

Gleich hinter der alten Bischofsstadt Hildesheim, die mit ihren Kirchen zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, beginnt die Berglandschaft. Zur Rechten ist es der Hildesheimer Wald, nach links zunächst sanfte Hänge. Es ist egal, an welcher Seite der Innerste man entlangradelt. Man kann sich dann auf der Rückfahrt für die entgegengesetzte Flussseite entscheiden.
In Heinde kommt man an einem größeren Herrensitz vorbei, dem geschichtsträchtigen Gutshof Kielmansegg. In Listringen schaut man den Turmfalken zu, die um den spitzen Kirchturm kreisen, und über Heersum erreicht man dann schon die wenigen Häuser von Astenbeck mit der alten Kornbrennerei. Damit ist man nach kurzer Fahrt schon am eigentlichen Höhepunkt der ganzen Tour angelangt, nämlich dem Schloss Derneburg mit der Domäne, die einst ein Zisterzienserkloster war und die der Graf zu Münster durch den Königlich Hannoverschen Hofbaumeister Laves zum Schloss hat ausbauen lassen. Besonders eindrucksvoll ist dort die Familienbegräbnisstätte des Grafen zu Münster. Ein Mausoleum in Form einer spitzen Pyramide mitten im Wald, in dem diverse Sarkophage stehen. Doch davon habe ich an anderer Stelle ausführlicher berichtet: <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.myheimat.de/hildesheim/freizeit/die-grabpyramide-des-grafen-zu-muenster-am-laves-kulturpfad-d1751068.html">Die Grabpyramide des Grafen zu Münster am Laves-Kulturpfad</a> Deswegen geht es bald weiter.
Durch leicht hüglige Landschaft über das Dorf Sottrum bald bergauf. Schon von weitem sieht man auf der Höhe des nördlichen Hainberges einen Turm über die Baumwipfel ragen. Er gehört zur Burg Wohldenberg. Etwas bergauf geht es nun schon. Zunächst erreicht man davor den Hutewald, der aus alten Eichen besteht. In ihn haben früher die Bauern ihr Vieh zur Mast hineingetrieben. Es wird versucht, diesen wertvollen Wald zu erhalten.
Danach wird es richtig steil. So mancher schiebt sein Rad da lieber. Aber es lohnt sich. Die Eingangsgebäude der Burg mit dem alten Mauerwerk, dem Fachwerk und dem Torbogen wirken mittelalterlich. Nachdem man das Tor passiert hat, blickt man links auf eine kleine Kirche, rechts auf ein altes Gebäude mit einem schönen Vorgarten von Steinpflanzen. Doch der erste Blick geht sogleich auf den über 30 Meter hohen und mächtigen Turm, der noch bestens erhalten ist. Ansonsten sind nur noch wenige Gemäuer übriggeblieben.
Die Burg wurde vor etwa 850 vom Grafen von Wöltingerode an strategisch wichtigem Punkt erbaut. 1180 wurde sie jedoch von Heinrich dem Löwen geschleift. Die Wohldenberger hatten sich bei ihm unbeliebt gemacht, weil sie sich beim verloren gegangenen Zwist des Grafen mit Barbarossa auf die Seite des Kaisers gestellt hatten.
Natürlich muss der Turm bestiegen werden. Die Aussicht ist großartig. Der ganze Ambergau mit seinen vielen kleinen Dörfer liegt einem zu Füßen. Nach links blickt man auf die bewaldeten Hänge des Hainberges, und dahinter erhebt sich majestätisch der Brocken mit dem Kleinen Brocken und der Heinrichshöhe. Nicht mehr weit ist es bis dorthin. Auch das ein tolles Ziel.
Nach einem Picknick geht’s in sausender Fahrt hinunter nach Sillium. Nach Überquerung der A 7 erreicht man den Wald des Hainberges. In gerader Linie radelt man einige Kilometer durch den Wald bis zum Jägerhaus, immer leicht bergauf. Dort kann man, idyllisch im Wald gelegen, sicher prima einkehren. Doch interessanter ist das, was sich unterhalb des Ausflugslokals befindet. Durch eine Felswand führt ein Gang, der leider mit einem Gitter verschlossen ist, da die Wandreliefs in der Höhle, die zu einer kleinen Kapelle ausgehauen wurde, irgendwann mutwillig beschädigt worden sind. Doch ein anderes Wandrelief an der Außenwand kann sich jeder Besucher ansehen. Und das ist äußerst eindrucksvoll. In den Sandstein hineingearbeitet ist die Szene der Hubertuslegende, wie der Heilige Hubertus, der Schutzpatron der Jäger, dem Hirsch, mit einem Kreuz zwischen den Geweihstangen, entgegenblickt. Vor langer Zeit soll sich dieses Treffen, der Sage nach, ereignet haben. Um diese Abbildung herum sind alte „Graffitis“ in den Stein gemeißelt. Darin hat sich der Graf zu Münster, dem Schloss Derneburg gehörte und dessen Jagdhaus hier stand, ebenso verewigt, wie nebenan der Hildesheimer Domherr Anthon Freiherr von Bocholz.
Nachdem man die schroffe Felswand mit den Reliefs und Inschriften gebührend bestaunt hat, geht’s in rasender und langer Fahrt, bei der die Bremse häufiger betätigt werden muss, Richtung Bockenem, dem Hauptort des Ambergaus, hinunter. Natürlich kann man sich in dieser relativ kleinen Landschaft selber seine Route suchen und kreuz und quer fahren. Entschieden habe ich mich, kurz vor Bockenem, über Volkersheim nach Schlewecke abzubiegen. Vorbei an dem malerisch unter der Burg Wohldenberg gelegenen Gut Nienhagen, geht es auf Henneckenrode zu. Zunächst an der alten Ziegelei vorbei, neben der sich gleich eine Wassermühle befindet. Auch das ein romantisch wirkendes Ensemble. Doch noch romantischer wird es nach Überquerung der Nette, wenn man ein Stück weiter fährt. Im Vordergrund Pferde auf saftigen Weiden, im Hintergrund das Schloss von Henneckenrode. Man tritt ordentlich in die Pedale, denn man ist gespannt darauf, was da auf einen wartet.

Henneckenrode ist ein kleines in schönster Landschaft gelegenes Dorf. Im Mittelpunkt alte Fachwerkhäuser. Doch natürlich zieht das Schloss, das Heinrich von Saldern 1579 erbaut hat, alle Blicke auf sich. Links davon die Gutsgebäude der Domäne des bischöflichen Generalvikariats, die ein Pächter übernommen hat. Bevor man durch den Torbogen geht, schaut man sich zu dessen beiden Seiten die Wappen an der Schlossmauer an. Danach tritt man hindurch und steht im Innenhof. Zur Linken die St. Josephs-Kirche, geradeaus das Schloss, in dem sich heute ein Kinderheim befindet. Das ganze Ensemble ist eine harmonisch wirkende Anlage, und unter blauem Himmel besonders eindrucksvoll.
Schräg dem Schloss gegenüber und mit einem schönen Blick darauf, wohnt Geschichtslehrer Ansgar Merten. Seinen Garten hat er in ein kleines Freilichtmuseum verwandelt. Sandsteinbauteile der Weserrenaissance des Schlosses, die entsorgt werden sollten, hat er dort lose aufgestellt. Auch hat er in liebevoller Arbeit altes Werkzeug restauriert. So zum Beispiel einen Handschleifstein oder ein Fass zur Butterherstellung aus dem 19. Jahrhundert. Im Gebälk seiner Scheune, das er mir zeigt, hält sich häufig eine Eule auf. Er gibt mir noch den Tipp, dass sich oben am Waldrand eine Hyronimusstatue befindet. Also nichts wie hin.
Nur ein Stück aus dem Dorf heraus und leicht bergauf, dann steht man schon davor. Zwischen zwei Eichen befindet sich eine Art Grotte, in der der heilige Hyronimus seinen Platz hat. Gelebt hat er von 347 bis 420, also nicht allzu lange nach Entstehen des Neuen Testaments. Er hat die Bibel ins Lateinische übersetzt. Dargestellt ist er als Büßer mit einem Löwen und einem Totenschädel. Früher einmal befand sich diese Grotte auf dem Wohldenberg.
Nach Verlassen dieses eindrucksvollen Ortes radle ich weiter Richtung Nette. Da es leicht bergauf geht, kann ich einen Großteil des Ambergaus überschauen. Diverse Dörfer liegen im weiten Blickfeld, dazwischen ein Flickenteppich von knallgelbem Raps. Einfach nur schön. Gleich hinter dem Dorf Nette erreicht man den nächsten Ort. Es ist das kleine Dorf Upstedt, das eine ganz besondere Sehenswürdigkeit zu bieten hat, auf die ich schon sehr gespannt bin. Das ist die Upstedter Linde. Diese Linde ist mit Sicherheit einer der ältesten Bäume Deutschlands. Zwar gibt es überall vermeintlich tausendjähre Eichen. Doch in den allermeisten Fällen sind diese nicht viel älter als 500 bis 600 Jahre. Bei diesem Baum ist das anders. Die Upstedter Linde wurde urkundlich im Jahr 1100 erstmalig erwähnt. Bereits damals muss es sich deswegen um einen großen Baum gehandelt haben, und es könnte sein, dass er schon zu diesem Zeitpunkt 200 bis 300 Jahre alt war. Vor 950 Jahren hat vermutlich schon Macco, der Vogt des Ambergaus, unter der einst mächtigen Krone gesessen und vielleicht auch dort Gericht gehalten.
Nun stellt man sich unter einer etwa tausendjährigen Linde einen mächtigen Baum vor. Doch das ist nicht der Fall. Wer so alt ist, der wird wieder kleiner und sackt in sich zusammen. Auch wenn die Ruine des Stammes, denn als solche kann man diesen wirklich bezeichnen, nicht mehr viel höher als 10 Meter ist, so sprießt doch daraus jedes Jahr wieder neues Grün hervor, das so frisch wirkt, wie das eines jungen Baumes. Der Anblick des Stammes aber entschädigt für die nicht mehr vorhandene Größe und der ist mehr als eindrucksvoll. Über dem sich ausbreitenden Wurzelwerk, misst der Stammumfang der Linde etwa 15 Meter. Weiter oben, wo das Astwerk beginnt, immer noch neun Meter. Und dieser Stamm ist ein einziges Wunder der Natur. Seine zerrissene, zerfurchte und von Knorpeln durchwucherte Rinde wirkt wie die zerfurchte Haut eines Dinosauriers. Aus jeder Perspektive sieht der Baum anders aus. Man geht unweigerlich drum herum und betrachtet ihn ausgiebig von allen Seiten. Und von jeder Seite wirkt der urige Stamm völlig anders. In der Mitte ist er hohl. Diverse Personen könnten darin Platz finden. Man schaut aus dieser Baumhöhle nach oben in das grüne Geäst und staunt und wundert sich darüber, dass dieser Baum immer noch lebt. Man streicht mit den Händen über die Rinde, betastet sie überall. Die Furchen, die Knorpel, die Risse. Und wer weiß schon, wie lange dieser Baum, der schon so viel erlebt hat, Stürme, Brände, Blitzeinschläge, noch leben wird. Vermutlich noch diverse Menschengenerationen, wenn man selber längst vergessen ist. Auch hier ist man beeindruckt, wenn auch auf ganz andere Art als bei den Schlössern und Burgen. Die Natur bringt doch so viel Großartiges hervor. (Siehe auch: <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.myheimat.de/koenigslutter-am-elm/natur/alte-und-uralte-baeume-eindrucksvolle-naturdenkmale-in-niedersachsen-d2775752.html">Alte und uralte Bäume - Eindrucksvolle Naturdenkmale in Niedersachsen</a>)
Und weiter geht’s. Zurück nach Nette, und von dort in Kehren steil bergauf Richtung Hildesheim. Nach Überquerung eines Passes ein Stück bergab, dann biegt man nach rechts ab. Eine kleine Straße, gesäumt von lichten Birken, führt einem weiteren Höhepunkt der Tour entgegen. Schon von weitem sieht man die in der Sonne weiß leuchtenden Gebäude. Es ist das Schlossgut Söder.
Auch hier ist man sofort beeindruckt von der Anlage, wenn man vor dem breiten Wassergraben steht, der sie von drei Seiten umgibt. Wie ein eckiges Hufeisen sind die Gebäude angeordnet. In der Mitte das gelbverputzte Schloss, zu beiden Seiten rechtwinklig dazu die weißen Wirtschaftsgebäude. An den jeweiligen Enden links und rechts wird der Wassergraben von zwei malerischen Pavillons flankiert. Über eine Brücke kann man bis an das Eingangstor herantreten. Weiter geht es nicht, denn das Schlossgut befindet sich in Privatbesitz. In die entgegengesetzte Richtung der Schlossbrücke zieht sich eine Kastanienallee in die Weidelandschaft hinein. Zu beiden Seiten die Koppeln der Pferdezucht, und auch weitere Wirtschaftsgebäude. Was ist das doch alles für eine prächtige Kulisse.
Bald sitzt man wieder auf dem Sattel und tritt in die Pedalen. Über Hackenstedt erreicht man wieder Derneburg. Und damit hat sich der Kreis geschlossen. Diesmal geht es am anderen Ufer der Innerste zurück. Über Hockeln, an der Abbiegung nach Bad Salzdetfurt vorbei, über Klein- und Groß-Düngen und über Engenstedt. Dann bis zur Domäne Marienburg, vor den Toren Hildesheims gelegen.
Bischof Heinrich III. erbaute sie in den Jahren 1346 im Sumpfgebiet der Innerste. Nachdem er im Kampf Graf Erich von Schaumburg besiegt hatte, brauchte er die Burg, um die Hildesheimer Bürger in Schach zu halten, die weiterhin dem Grafen zugehörig waren. Die ältesten noch stehenden Gebäude stammen aus dieser Zeit. Der mächtige eckige Turm und das sogenannte Hohe Haus. Auch einige Fachwerkhäuser gehören dazu. Einstige Wirtschaftsgebäude werden gerade restauriert. Die ganze Anlage gehört heute der Hildesheimer Universität.

Mit dieser Burg sind wir am Ende unserer Tour angekommen und steigen entweder in Hildesheim in den Zug, oder fahren auch die letzten 40 Kilometer, zum Beispiel über Giesen und ab Ruthe durch die herrliche Leinemasch, nach Hannover mit dem Fahrrad. Je nach Lust und Laune und Kondition. Wir haben an diesem Tag eine Menge erlebt und gesehen. Schlösser und Burgen. Die Steinreliefs der Hubertuslegende am Hainberg und die Upstedter Linde. Wassermühlen und Windmühlen und jede Menge schöner Landschaften mit gelbleuchtendem Raps und mit verschlafen wirkenden Dörfern darin. Und an einem Sonntag das Ganze mit nur sehr wenig Autoverkehr.
Es hat viel Spaß gemacht, und wir werden nicht das letzte Mal durch diese schöne Gegend geradelt sein. Nun sind wir auf den Geschmack gekommen.

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

35 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.