Damals am Maschsee: Gedenken an die Morde vom 6. April

Das Denkmal erinnert an die ermordeten Russen.
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  • Das Denkmal erinnert an die ermordeten Russen.
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Seit den 70ger Jahren gehe ich mit der Kamera auf Pirsch und begleite das Geschehen im späteren Stadtbezirk Döhren-Wülfel fotografisch. Einige der Aufnahmen von damals scanne ich jetzt nach und nach ein, um sie ins digitale Zeitalter herüber zu retten. Unter der Überschrift "Damals in Döhren" möchte ich den myheimat-Usern kleine Einblicke in mein Fotoarchiv geben. Vielleicht erinnert sich ja der eine oder andere Leser selbst noch an die damaligen Ereignisse oder erkennt sich gar auf einen der alten Bilder selbst wieder.

Heute: Die Gedenkfeier am Ehrenmal am Maschsee

Am Nordufer des Maschsee gibt es einen kleinen Friedhof. Diese Anlage ist die letzte Erinnerung an ein Verbrechen, das vor nun schon über 65 Jahren in unserem Stadtbezirk geschah. Hier liegen russische Kriegsgefangene aus der Zeit des 2. Weltkrieges begraben, die Nazi-Verbrechern zum Opfer gefallen sind. Im April 1979 erinnerte die IG Metall mit einer Kundgebung an Morde vom 6. April. Die Bilder entstanden bei der Demonstration.

Es war der 6. April 1945. Amerikanische Truppen näherten sich Hannover. Da ließen die braunen Machthaber in Hannover eine Gruppe von 154 russischen Gefangenen zum Seelhorster Friedhof treiben. Hier mussten die Russen eine Grube ausheben und sich mit dem Gesicht nach unten in das so geschaffene Erdloch legen. Dann wurden sie erschossen. Den Befehl dazu gab ein gewisser Kommissar Joost, damals Leiter der Gestapo-Leitstelle Hannover. Unter den Opfern befand sich auch ein etwa 17 bis 18 Jahre altes russisches Mädchen. Als die SS-Männer gerade diese junge Russin erschossen, schaffte es ein Hauptmann der Roten Armee mit Namen Peter Palnikow zu fliehen. In einer Waldarbeiterhütte tauschte er seine Häftlingsuniform gegen Zivilkleider. Andere Zwangsarbeiter verbargen Palnikow dann im Lager bei den Eisenwerken Wülfel. Diesem Palnikow ist es zu verdanken, dass das Verbrechen ans Tageslicht kam. Er meldete sich nach dem Einmarsch der Amerikaner bei der Besatzungsmacht und schilderte sein Schicksal.

Die Sieger über das NS-Regime zwangen prominente Nazis, die Ermordeten zu exhumieren. Dabei entdeckte man weitere Massengräber von KZ-Häftlingen auf dem Seelhorster Friedhof. Am 10. Mai 1945 wurden die Toten - 154 russischen Gefangenen und 232 KZ-Opfer - in Leinentücher gewickelt, zum Nordufer des Maschsees überführt und feierlich beigesetzt. Gedacht war an eine zentrale Lage für den neuen Friedhof, damit er den Hannoveranern immer in Erinnerung bleiben sollte. Doch die spätere Stadtentwicklung drängte die Gedenkstätte ins Abseits. Einige der am Verbrechen Beteiligten wurden später gefasst und von den Alliierten zum Tode oder zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.

Im Maschseeboten, das ist ein örtliches Anzeigenblatt im Stadtbezirk Döhren-Wülfel, wurde 1979 über die IG-Metall-Aktion und deren geschichtliche Hintergründe berichtet. Schließlich gibt es einen direkten Bezug zum Stadtbezirk. Der Ort des Verbrechens liegt in Döhren-Wülfel. Der damalige Landtagsabgeordnete der CDU nahm den Bericht zum Anlass für einen Leserbrief. Er stritt darin die Ereignisse rundherum ab. Nun ja, auch in der CDU gab es zwischenzeitlich einen Sinneswandel. So forschte der CDU-Politiker und Stadtteil-Hobby-Historiker Günter Porsiel auch über diese Untaten und fand Zeitzeugen, die sogar Indizien für noch weitere Mordtaten der Nazis auf dem Seelhorster Friedhof lieferten.

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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