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Als in Hannover die Bilder laufen lernten

  • Ständige Automaten-Ausstellung "Zum Einhorn", Georgstraße 34, Lithografie, 1897
  • hochgeladen von Bernd Sperlich

Es begann im Jahr 1896, als im Haus Georgstraße 34 „Zum Einhorn“ die Automaten-Dauerausstellung des Kölner Schokoladen-Produzenten Ludwig Stollwerck, der sich sehr mit dem Thema „Automaten“ beschäftigte, eröffnet wird. Wie es ein Beleg in der Fotostrecke belegt, standen in einem größeren Raum mehrere Automaten nebeneinander, die einen Münzeinwurfschlitz hatten und mit den unterschiedlichsten Dingen gefüllt waren, natürlich auch mit Stollwerck-Schokolade, die Tafel für 10 Pf pro Stück.
Bei einigen Automaten konnte der Betrachter, nach Einwurf einer Münze, laufende Bilder sehen, die bei einer Vorführgeschwindigkeit von 30-40 Bildern pro Sekunde, einem „Daumenkino“ gleich, nach weniger als einer Minute vorbei waren. Es ist ein sogenannter Kinetoskop-Automat, erfunden von Thomas Edison und Mitarbeiter William Dickson. Das Kinetoskop wurde 1894 in einem Ladenlokal am Broadway in New York zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt, vorher  war aber eine Besichtigung in Edisons Werkstatt, Orange/New Jersey, möglich.
1895 gründet Stollwerck gemeinsam mit Edison die „Deutsch- Oesterreichische Edison Kinetoskop(e) Compagnie“ und präsentiert danach die Kurzfilmchen in Dauer-Ausstellungen, so auch in Hannover, beginnend in der 2. Hälfte des Jahres 1896.

Fast gleichzeitig revolutioniert eine andere technische Neuheit die Fotowelt.
Am 28. Dezember 1895 zeigen die Gebrüder Auguste und Louis Lumiẻre in Paris vor einem erstaunten Publikum den "Cinématographe", eine Weiterentwicklung des Edison-Kinetoskop. Der neu entwickelte Apparat hat einen Greif(er)-Mechanismus. Der Zelluloidfilm verfügt zwar auch über eine Breite von 35 mm, wie beim Kinetoskop, beeindruckt aber durch eine Länge von 17 m. Bei einer Wiedergabefrequenz von 16 Bildern pro Sekunde dauert die Projektion von 800 Bildern nur knapp eine Minute. Statt Miniaturfiguren konnten jetzt ganze Straßenszenen, Landschafts- und Architekturbilder und Ereignisse gezeigt werden. Die Filme hatten anfangs eine Länge von ca. 2 Minuten, in der Blütezeit der Kinematographie steigerte sich die Filmlänge auf bis zu 30 Minuten.
Die Wirtschaftlichkeit lag auf der Hand: Statt eines einzelnen Automatenguckers, der nur wenig Einnahmen brachte, betraten jetzt viele Leute gegen Zahlung eines Eintrittspreises den Vorführraum, die Geburtsstunde des Kinos. Es wurden in der Regel mehrere "Streifen" gezeigt.
Auch für den, eingedeutscht, Kinematographen sichert sich die Stollwerck-Automaten-Gesellschft die Vorführrechte für Deutschland. Am Heimatstandort Köln kommt es am 20. April 1896 zur Deutschlandpremiere. Weitere Städte folgten. Es darf angenommen werden, dass der neue Apparat auch in der ständigen Automaten-Ausstellung im „Einhornhaus“, Georgstraße 34, zum Einsatz kam.
Im Buch „Lichtspielträume- Kino in Hannover 1896-1991“, herausgegeben von der Gesellschaft für Filmstudien e. V., ist ein entsprechender Hinweis zu lesen (es wird Bezug genommen auf  einen Artikel in der Norddeutschen Zeitung vom 24. Februar 1951):

"… der vordere und größere Teil eines langen Ladens (Anmerkung des Berichterstatters: siehe Foto 1 in der Bilderstecke) war durch eine ständige Automatenausstellung ausgefüllt, wo man dem kleinen Glücksspiel mit Groschenstücken frönen konnte, wo man auch eine Tafel für zehn Pfennig und andere schöne Dinge automatisch erwerben konnte (Anm: Der Edison-Kinetoskop wird explizit nicht erwähnt, Erinnerungslücke?). Der hintere Teil des Ladens war abgetrennt und trug an der Trennwand das geheimnisvolle Schild: „Cinématographe Lumiẻre“. Eintrittspreis zwanzig Pfennig. Es waren ungefähr fünfzig Sitzplätze vorhanden. Geboten wurden nur Kurzfilme, die einen zum Teil schon stark verregneten Eindruck machten. Sie waren im Anfang zumeist französischen Ursprungs.

Schon ein Jahr später, 1897, soll es in Hannover in einem Lokal der Ständehausstraße 1 zu weiteren Vorführungen gekommen sein. Das Theater lebender Photographien wird aus der Taufe gehoben.

Nicht nur in festen Häusern, sondern auch in Wanderkinos auf Jahrmärkten kommt der Kinematograph zum Einsatz.
Verkaufsanzeigen belegen, dass man für den Erwerb eines Apparats durchaus 1500 Mark "auf den Tisch legen" musste.

In Hannover baut und verkauft die Firma Carl Buderus Kinematographen
nach dem System der Gebrüder Lumiere und dreht Filme, die zunächst hauptsächlich im Mellini-Theater in der Artilleriestraße, später aber auch außerhalb Hannovers gezeigt wurden.

Nach 1905 kommt es zu einer signifikanten Zunahme der Theater Lebender Photographien bzw. Kinematographen-Theater, vielleicht ist es der Tatsache geschuldet, dass die Gebrüder Lumiere 1905 ihr Patent an Charles Pathé verkauften. Dieser betrieb einen schwunghaften Lizenzhandel und verdiente sich mit dem "Papier" eine goldene Nase.

Auch in Hannover nehmen die Neugründungen zu. Sie sollen in einer Aufstellung bis 1912 chronologisch erfasst werden (ohne Anspruch auf Vollständigkeit, es wurden nur Etablissements aufgenommen, deren Nachweis gelungen ist):

1906 > Kinematographen-Restaurant „Zur Schwalbe, Inhaber Arthur
Mest, Ernst-August-Platz 5,

1907 > Hagen u. Sander, Vereinigte Lichtspiele, Oberstr. 7
> Colosseum, Münzstr. 2, eröffnet am 26.10.
> Alhambra, Theater lebender Photographien, Limburgstr. 2,
eröffnet am 23.3. (Foto)
> Panoptikum, Theater lebender Photographien, Bahnhofstr. 4,
Inhaber Carl Spieker, eröffnet am 23.03. (Beleg).

1908 > Apollo Lichtspiele, Inhaber Wilhelmine Kaufmann,
Limmerstraße 50
> Kinematographen-Theater August Knickrehm (Hansa ?),
Goethestraße 47

1910 > Hagen und Sander, Vereinigte Theater Lichtspiele,
Vahrenwalder Str. 86
> Kinematographen–Restaurant (Walhalla?), Inhaber August
Knickrehm, Goethestraße 46
> Möller Biotophon-Kinematographen-Theater, Goethestr.48
> Viktoria-Theater, Lichtbildbühne, Alte Celler Heerstr. 4

1911 > Astoria-Theater , Inh. Heinrich Bötjer, Nordmannstr. 2

1912 > Kammer-Lichtspiele, Goethestraße 41, Inhaber Carl Spieker,
eröffnet 2. August, (Belege).
> Goethehaus-Lichtspiele, Inhaber Arthur Mest, Goethestr. 46
> Hagen und Sander, Vereinigte Theaterlichtspiele ,
Hildesheimer, Str. 11 (Foto)
> Kinematographen-Theater Arthur Mest, (Schiller-Theater?)
Schillerstr. 24
               > Lichtspiele, Inhaber Albert Brosende, (Victoria Lichtsp. ?)
                  Deisterstraße 8
Dazu noch:

> Georgspalast, Theater lebend. Photographien (Beleg),
Georgstaße21/Ecke Ständehausstraße, Eröffnung unbekannt
> Eden-Theater, Inhaber Philip Langlotz,
Bahnhofstraße 9, Eröffnung vermutlich 1910 (Foto)
> Kinematographen-Theater „Thalia“, Limmerstraße 12a/Ecke
Kochstraße, Eröffnung um 1906

Im Jahr 1912 war es vorbei mit überhitzten Vorführgeräten und brennenden Zelluloidstreifen in rauchgeschwängerten Restaurants. Wie es das letzte Foto in der Bilderstrecke beweist, wurden die Theater-Lichtspiele immer größer und komfortabler.

Literatur:
Es wurde ein wenig im Buch „Lichtspielträume-Kino in Hannover 1896-1991, Herausgegeben von der Gesellschaft für Filmstudien, 1991, geblättert.

  • Ständige Automaten-Ausstellung "Zum Einhorn", Georgstraße 34, Lithografie, 1897
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 1 / 14
  • Anzeige in: Führer durch Hannover, Otto Borgmeyer, Buchhandlung und Antiquariat, Hannover, Georgstr. 4, Am Steintor, 1896
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  • Bild 2 / 14
  • Foto zur Verfügung gestellt von "Hochschule Mannheim, Fakultät für Gestaltung". Deutlich sind die Zelluloidstreifen zu sehen. Oben ist das Guckloch.
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  • Bild 3 / 14
  • Fred Otto Niesen, Filmstreifen von Edison, 1894, zur Verfügung gestellt von "Hochschule Mannheim, Fakultät für Gestaltung. Jedes Bild erfährt eine leichte Veränderung, bitte von links oben nach rechts unten betrachten.
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  • Bild 4 / 14
  • 1897, der Schreiber der Postkarte teilt mit, dass er gerade ein Stück Schokolade gegessen hat. Es war wohl eine Stollwerck-Schokolade.
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  • Bild 5 / 14
  • Central-Theater, Kinematographen-Restaurant, Inhaber Arthur Mest, der in den folgenden Jahren noch weitere Kinematographen-Theater übernehmen sollte, 1907. Anzeige aus 1911.
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  • Alhambra, "schönstes Kinematographen-Theater der Provinz", Limburgstraße 2, später Kabarett "Kammerbrett'l (1920er Jahre)
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  • Georgstraße 41 ist falsch, es muss Georgstraße 21 heißen, vor 1909
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  • 1908, Inhaber Carl Spieker betrieb zeitgleich den Wintergarten, Goethestraße 41
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  • Bild 9 / 14
  • Eden-Theater, Bahnhofstraße 9, um 1912
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  • Eröffnet 1912, vorher Eispalast (1910-1911), Wintergarten (1903-1910), Palmengarten (1881-1902), Königlicher Marstall (Remise) bis 1878/79. Nach dem Auszug der Kammer-Licht-Spiele etablierte sich dort "Atrium-Lichtspiele", bis ca. 1943.
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  • Kammer-Licht-Spiele, 1912: Probleme gab es damals!
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  • Beispiel für einen typischen Kurzfilm- ohne Ton- der damaligen Zeit, 1912
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  • Bild 13 / 14
  • Schon ein moderner Kinosaal, Vereinigte Theater-Lichtspiele, Inhaber: Hagen und Sander, Hildesheimerstr. 11, 1912/13
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  • Bild 14 / 14

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10 Kommentare

Ja ja, lieber Bernd, mein altes "Apollo" in der Limmerstraße. Da kommen die Erinnerungen wieder hoch. Danke für den interessanten filmhistorischen Bericht.
Horst dAe

>"Ob sie wohl auch nur die geringste Vorstellung davon hatten, was sich aus diesen primitiven Anfängen entwickeln würde?"< Wohl kaum, Wilhelm, es war ein ungeheurer technischer Fortschritt, heute gibt es mit den digitalen Medien ja wieder so einen Umbruch.

Ja, ja, lieber Horst d.Ae, "Dein" Apollo!

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