Die Alpen werden immer gefährlicher – 11 Tote an der Marmolata

Die Marmolata ist der höchste Berg der Dolomiten. Deswegen ist sie für Bergsteiger wie auch den normalen Alpenurlauber besonders attraktiv. Am linken Bildrand unter den Felsen der Punta Rocca ist die Lawine abgegangen, die nach rechts  über den Normalweg des Firnfeldes herabschoss.
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  • Die Marmolata ist der höchste Berg der Dolomiten. Deswegen ist sie für Bergsteiger wie auch den normalen Alpenurlauber besonders attraktiv. Am linken Bildrand unter den Felsen der Punta Rocca ist die Lawine abgegangen, die nach rechts über den Normalweg des Firnfeldes herabschoss.
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Die italienischen Dolomiten sind besonders für deutsche Alpenurlauber ein attraktives Reiseziel. Mit ihren wildzerklüfteten Felsmassiven, bizarren Türmen und Zinnen sehen sie oft aus wie aus einer anderen, einer fantastischen Welt. Und so mancher Urlauber ist mit der Seilbahn zur Punta Rocca auf die Marmolata hinaufgefahren, den höchsten Dolomitenberg, der auch Königin der Dolomiten genannt wird. Dieser hat im Gegensatz zu allen anderen Gipfeln dieses Gebirges, die zu schroff sind als das an deren Hängen größere Schneemengen liegen bleiben könnten, an seiner mäßig geneigten Nordflanke einen Gletscher. Und dieser ist es, aus dem sich vor wenigen Tagen direkt unter der Falllinie der Punta Rocca ein Teilbereich gelöst hat, der mit einer Geschwindigkeit von 300 km/h über den Normalweg zum Gipfel in die Tiefe stürzte und 11 Bergsteiger unter sich begrub. Acht andere, die von der gewaltigen Druckwelle des Abbruchs erfasst wurden, konnten immerhin verletzt geborgen werden. Ein italienischer Glaziologe meinte zu dem Unglück, dass es in den Alpen etwa 1000 Gefahrenbereiche gebe, an denen Ähnliches geschehen könnte.

Selbst bin ich oft in den Alpen unterwegs und habe dabei miterlebt, wie dramatisch schnell die Gletscherschmelze durch den Klimawandel voranschreitet. Dreimal war ich auch auf der Marmolata. Beim ersten Mal, es war 1980, war die jetzt betroffene Nordflanke noch relativ stark vergletschert. Sogar Sommerski war in den oberen Regionen noch möglich. Doch bei meinen nächsten Besteigungen im neuen Jahrtausend war ein großer Teil der weißen Pracht verschwunden. Immer mehr graues Felsgetrümmer kommt zum Vorschein. Und das bietet, wie überall in den Alpen, einen traurigen Anblick. Doch ist es optisch nicht mehr nur unschön, sondern birgt große Gefahren. Da der sich im Untergrund befindliche Permafrostboden immer schneller auftaut, gibt es nicht nur vermehrt Steinschlag und Felsabgänge, sondern es rutschen vermehrt auch ganze Berghänge zu Tal. Selbst habe ich miterlebt, wie über uns eine ganze Felswand abbrach und wir uns auf Firnboden nur durch einen Sprint zur Seite in Sicherheit bringen konnten. Felsabgänge habe ich am Mönch erlebt und im Grand Couloir am Montblanc. Unter den Felsbrocken wurde, nachdem sie näherkamen, ein Mensch erkennbar, der sich auf einer mehrere Hundert Meter langen Fallstrecke immer wieder überschlug und der dabei schon längst tot war.

2007 wollten wir den Montblanc von der Aig. du Midi aus besteigen. Dabei muss ein Gletscherbereich des Mont Tacul erklommen werden. Ein Jahr später ging auf dieser eigentlich nicht lawinengefährdeten Route dann doch eine Lawine ab. Acht Bergsteiger starben.
Der nächste steile Hang der bei einer Montblanc-Besteigung überstiegen werden muss, führt zur Schulter des Mont Maudit hinauf. 2012 brach dort ein Eisbrett ab. Neun Bergsteiger kamen ums Leben. 15 weitere wurden in Krankenhäuser gebracht.

Inzwischen müssen Wege in den Alpen wegen Steinschlaggefahr gesperrt oder das Betreten von Gletscherbereichen und Firngelände verboten werden. So manche Hütte, die zu nah am Abgrund stand, musste auf sicheres Gelände verlegt werden. An vielen Stellen sieht man Bergrutsche, die dann hoch umgangen werden müssen. Und in den Westalpen mit ihren vielen Gletschern, besonders bei Grindelwald, hört man auch an wolkenlosen Schönwettertagen nicht selten ein grollendes Donnern. Erzeugt wird es durch den Luftdruck, der beim Abbrechen von Eiswänden erfolgt, die dann als Lawinen zu Tal gehen. Und immer wieder kann man diese auch mit eigenen Augen sehen, da das Donnern auf sie aufmerksam macht.

Die Berge, nicht nur in den Alpen, sondern weltweit, werden durch den Klimawandel und die damit verbundene enorme Erwärmung gerade in den Hochlagen immer instabiler. Wenn man irgendwo in den Alpen zum Wandern unterwegs ist oder eine Bergbesteigung vorhat, dann erfährt man vor Ort in der Touristikinformation oder im Bergsteigerbüro was sicher ist oder nicht gemacht werden sollte. Aber auch wenn eine Strecke anscheinend ungefährlich scheint, so gibt es doch keine absolute Sicherheit. Das sollte man sich immer vor Augen führen. Selbst auf der einfachsten Wanderung kann man von einem durch die Luft schießenden Stein getroffen werden. Die Grabstellen auf den Friedhöfen in allen Alpenorten, auf denen viele Bergtote zu finden sind, sprechen eine deutliche Sprache. Doch sollte man die Berge deswegen meiden? Das ganze Leben ist voller Risiken. Und derjenige der ohne Risiken lebt, auch der hat nicht gelebt.

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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