Die Würde der Frau ist unantastbar

Schon während meiner Kinder- und Jugendzeit musste ich nicht nur selbst häusliche Gewalt erfahren, sondern auch mit ansehen, wie anderen Kindern und Jugendlichen eine solche angetan wurde. Besonders Mädchen und Frauen hatten unter dem ganz normalen Wahnsinn zu leiden. Sie wurden schon im frühsten Kindesalter sexuell missbraucht, zur Demut erzogen, geschlagen, gequält, vergewaltigt, ihrer Freiheit beraubt und verheiratet. Allein in meinem Geburtsort bin ich auf über hundert Opfer sexueller Gewalt gestoßen. Von den unterdrückten Frauen und Mädchen will ich hier erst gar nicht reden.
Leider musste ich gleichzeitig feststellen, dass Mann die Frau im Laufe der Jahrhunderte gut domestiziert hatte. Nicht nur der Vater, nein, auch die Mutter freute sich über den „Stammhalter“ mehr, als über „nur ein Mädchen“. Müttern wurde die Schuld daran gegeben, wenn kein Junge geboren wurde. Und Mütter mit Sohn hatten einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft – wenn man überhaupt von einem Stellenwert reden kann.
Leider hat sich an dieser Einstellung bei vielen Menschen bis heute nichts geändert, obwohl inzwischen klar ist, dass der Mann bei der Zeugung das Geschlecht des zukünftigen Kindes bestimmt. Nur er kann ein Y-Chromosom übertragen oder eben nicht.
Wir müssen also gar nicht über unsere Grenzen hinausschauen und mit Fingern auf andere zeigen. Es reicht, wenn wir unsere nächste Umgebung beobachten, und schon werden wir fündig.
Auch heute noch werden Mädchen anders erzogen, als Jungen, nämlich in Richtung Hausfrau und Mutter. Nicht die inneren Werte zählen, wie z. B. Intelligenz oder Wissen, sondern nur Schönheit, Schönheit, Schönheit. Obwohl durch etliche Studien nachgewiesen wurde, dass sehr viele Mädchen lesbisch sind, werden sie darauf getrimmt, sich einen gutsituierten Ernährer zu suchen. Auf die sexuelle Orientierung wird keine Rücksicht genommen. Ach ja richtig, Lesben gibt es ja gar nicht. Das sind nur verkorkste Frauen, die nur noch nicht den richtigen Mann gefunden haben. Leider ist dieser allumfassende Schwachsinn noch sehr weit verbreitet.
Schon im Kindergarten wird nur ein Lebensmodell vorgestellt – nämlich das Heterogene. In den Bilderbüchern versorgt Muttern die Kinder, während Papa im Job das Geld für die Familie verdient. Und wenn man die kleinen Mädchen fragt, was sie einmal werden wollen, kommt meistens „Prinzessin“. Die Abhängigkeit wird also schon in frühen Jahren eingetrichtert – und der Konkurrenzkampf um die besten Ernährer. Mädchen halten zusammen, aber nur so lange kein Mann in der Nähe ist. Nicht umsonst gibt es z. B. in Großraumbüros einen mehr oder weniger ausgeprägten Dauerzickenkrieg.
Wie oft musste ich mir Eltern anhören, die mir erzählten, ihre Tochter bräuchte keine hohe Schulbildung. Es würde vollkommen reichen, wenn sie einen Beruf erlernte. Dieser müsste natürlich irgendwie nützlich sein. Es wäre also angebracht, dass die Tochter z. B. Fleischereifachverkäuferin wird, damit sie billig Wurst mit nach Hause bringen kann, oder vielleicht noch Friseurin, um Mama und Oma die Haare machen zu können.
Und bloß nicht auffallen! Was sollen denn die Nachbarn sagen, wenn das Kind plötzlich einen eigenen Kopf entwickelt? Nee, nee, Abitur und dazu noch studieren? Das kommt gar nicht in die Tüte. Die soll sich mal einen guten Mann suchen und dann ist es gut. Mit dem kann die Familie mehr angeben, als mit einer Tochter, die nur große Rosinen im Kopf hat.
Diese Erziehung führt dazu, dass sich viele Mädchen und Frauen minderwertig fühlen. Man hat ihnen von frühster Jugend an eingetrichtert, guck mal, der Junge hat einen Penis und du hast keinen. Man hat ihnen also weisgemacht, Mädchen würde etwas fehlen.
Diese Einstellung führt dazu, dass sich kaum ein Mädchen traut, gegen Übergriffe, welcher Art auch immer, vorzugehen. Sie wachsen in eine Gesellschaft hinein, in der sie nicht ernst genommen werden, in der sie als Ware oder Freiwild angesehen werden. Erst wenn es zu offensichtlichen und nicht vertuschbaren Massenübergriffen kommt, wird darüber mehrseitig berichtet. Der dauernd vorkommende Einzelfall wird dagegen kaum beachtet. Millionen von Opfern in Deutschland bekommen keine Stimme.
Mehrere Studien haben ergeben, dass sich nur ein Bruchteil der Frauen und Mädchen traut, überhaupt Anzeige zu erstatten. Der Druck innerhalb der Familie ist unglaublich groß. Du kannst doch deinen lieben Papi, deinen Onkel, deinen Bruder, deinen Lehrer, deinen Trainer, deinen Beichtvater, deinen Nachbarn etc. nicht anzeigen. Um Gottes Willen, mach keinen Ärger. Mach aus einer Mücke keinen Elefanten. Das war doch gar nicht so schlimm. Da hast du dich bestimmt vertan.
Also lassen sich Mädchen und Frauen weiterhin klaglos begrabbeln, traktieren, vergewaltigen und verheiraten. Geht ein Ehemann fremd, ist immer die Nebenbuhlerin schuld. Wenn Frauen und Mädchen nicht endlich aufstehen und zusammenhalten, wird sich nichts ändern. Niemand hat das Recht, ein Frau, ein Mädchen gegen ihren Willen anzufassen. Selbst wenn eine Frau nackt über den Marktplatz geht, hat niemand das Recht, sich ihr unaufgefordert zu nähern. Mädchen und Frauen sind keine Ware, sondern Menschen. Ich würde mich freuen, wenn diese Tatsache nicht nur von Männern, sondern auch von den Frauen selbst irgendwann einmal verinnerlicht wird. Denn das Verhalten einer Mutter prägt nicht nur das Verhalten der Tochter, sondern auch das Verhalten des Sohnes.
Der Zwist in der Welt könnte aussterben, wenn wir wirklich eine Gleichheit hätten, und nicht nur eine, die auf einem Gesetzesblatt steht.
Die Würde des Menschen ist unantastbar – damit ist auch die Würde der Frau gemeint.

Buchtipp:
Hans Georg van Herste
Papa kommt fast täglich

Bürgerreporter:in:

Elisabeth Keller aus Gnarrenburg

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