Haben Katzen Lampenfieber? Bericht über das Gastspiel des Moskauer Katzentheaters in Gersthofen

„Meine lieben Katzen“ heißt die Show des Moskauer Katzentheaters um Direktor und Clown Dimitri Kuklachev. Gestern hatten Familien mit Kindern beim Gastspiel in der Stadthalle Gersthofen ihren Spaß bei der Unterhaltungsshow. Kuklachev kombinierte seine kindgerechte Clownerie dabei mit Einlagen vier weiterer Clowns und 34 Katzen im Alter von einem bis 19 Jahren.

Den Auftakt vor rund 400 Zuschauern im Großen Saal machte allerdings ein Bichon à poil frisé, der auf zwei Beinen über die Bühne lief. „Ich fand den Hund ganz niedlich“, hatte die kleine Lina Schlecht einen guten Riecher für den heimlichen Publikumsliebling. Später schob dieser pudelartige weiße Hund eine Katze im Eimer herein, die von den Kindern in der ersten Reihe gestreichelt werden durfte. Da hatte Kuklachev etwas angefangen! Plötzlich strömten Kids aus allen Ecken der Stadthalle Gersthofen vor zur kleinen Katze im Eimer und überhäuften sie mit Berührungen. Eine andere Katze reichte Kuklachev auf einer Stange durchs Publikum. Aber auch eine Mitmachnummer ohne Katzen stieß auf Begeisterung: Eine weiche Litfasssäule versuchte sich mehrfach erfolgreich im Stage Diving. Das waren die Show-Elemente, bei denen nachvollziehbar wurde, warum mehrere Platzanweiser von Anfang bis Ende mitwirkten. Sie sorgten für Sicherheit und ermahnten Zuschauer, die sich dem Verbot der Blitzlicht-Fotografie widersetzten.

Jede Katze hat ihre eigenen Talente und Vorlieben
Nicht jede Katze eignet sich für die Show-Bühne. Von 20 Katzen, die Kuklachev bekommt, schafft es eine ins Rampenlicht. Wer nicht fit für den Auftritt ist, wird verschenkt, übersetzte der Dolmetscher Kuklachevs Auskunft. Bis die Katzen reif für die Bühne sind, haben sie meist ein bis zwei Jahre Vorbereitung hinter sich. „Jede Katze hat eigene Charakterzüge. Mein Job ist es, ihre Merkmale herauszufinden“, gibt Kuklachev preis. Diese findet er meistens beim Spielen heraus. Was macht eine Katze auf einer leeren Bühne? Wo sind ihre Talente? „Die Basis jeder Nummer ist das Verhalten eines Tieres“, bekräftigt Kuklachev.

Eine Katze absolviert eine Laufetappe durch eine Eimer-Stafette, andere balancieren oder machen den Slalom zwischen die Beine eines Clowns mit, wieder andere imitieren auf einem Holzpferd die abgespeckte Version der Bremer Stadtmusikanten. Ein mutiges Exemplar schaukelt sogar auf darauf. Eine schwarze Katze klettert eine Stange sechs Meter hoch auf ein Podest, ihre flauschig-weiße Kollegin begnügt sich mit einer geringern Höhe. Doch ihre Stange schwankt und kippt. Kurz vor dem Aufprall fängt Kuklachev sie auf und bringt sie wieder ins Lot. Das Ganze passiert mehrmals hintereinander und ist Teil einer Clownerie-Nummer. Wo der natürliche Instinkt der Katze auf der fallenden Stange ab einem gewissen Winkel signalisiert, abzuspringen, vertraut die Mieze im Katzentheater darauf, dass ihr Herrchen den Aufprall verhindert.

Haben dressierte Katzen Lampenfieber?
Anfangs wirkten die Katzen in der Stadthalle Gersthofen nervös und angespannt. Haben Katzen etwa Lampenfieber? „In jeder Stadt müssen sich die Tiere anpassen“, sagt Kuklachev. Sie proben auf der Bühne, riechen die besondere Atmosphäre des Saals, bevor die Show beginnt. Fällt eine Katze mal krankheitsbedingt aus, wird ihre Nummer gestrichen und durch eine andere ersetzt. Es sei denn, ihren Job kann auch ein Double übernehmen. Manche Katzen haben nämlich unterschiedliche Dressurakte drauf. Schwieriger als die einzelnen Dressurnummern mit Bewegungsanteil ist laut Kuklachev übrigens, wenn die Katze still sitzen oder so tun soll, als ob sie schläft.

Weil das Moskauer Katzentheater von der Tagesform und Laune der einzelnen Katzen abhängig ist, unterscheiden sich die Auftritte in den Städten durch kleine Eigenheiten. In Gersthofen beispielsweise war das reguläre Ende vor der Zugabe so ein Fall. Eine Katze schob einen Mini-Kinderwagen auf die Bühne. Zum Vorschein kam, um den Bogen zum Auftakt zu schließen, der Bichon à poil fraisé. Anschließend tauschten Katze und Hund die Rollen. Er schob sie heraus, jedoch nicht am Stück. Denn die Mieze war mit ihren Pfoten auf Streicheleinheiten aus, der knuffige Hund jedoch auf Abstand programmiert. Zwei Mal unterbrach er seine Nummer daher kurz, um seine persönliche Distanz wieder herzustellen.

Tierschützer stellen Katzentheater an den Pranger
Innerhalb von sieben Jahren entstand das Programm des Moskauer Katzentheaters. In manchen Szenen sind die Katzen der Star, in manchen Bestandteil der Clownerie, jedoch ab und an auch nur ein Accessoire derselben. Bei Tierschützern steht das Moskauer Katzentheater am Pranger. Die Tierschutzorganisation PETA wirft Kuklachev vor, den Katzen, die Reviertiere sind, durch den permanenten Ortswechsel und zu kleine Boxen Stress und Angst auszusetzen. Zudem seien die Kunststücke, welche die Katzen aufführen, artwidrig und mit Entbehrungen sowie Zwang verbunden. Kuklachev gibt indes an, dass die Katzen, sobald sie im Hotel sind, abwechselnd frei herumlaufen. Eine Durchsage zu Showbeginn versichert dem Publikum zudem, dass alle Katzen mit Liebe trainiert wurden. Seine Katzen sind lieb, aber ist Kuklachev, der mit Katzen aufgewachsen ist, wirklich lieb zu ihnen? Tierschützer bezweifeln stark, dass Liebe ein ausschlaggebender Faktor beim Moskauer Katzentheater ist.