Die schöne Nackte im Wald ...

Als ich den dichten Wald verlasse, staunt mein Auge. Völlig überraschend steht sie vor mir – eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen habe. Ich bin starr vor Staunen, denn ihre pech-schwarzen, langen Haare bedecken ihre Brüste, und gekleidet ist sie – mit nichts! Was für eine Versuchung, so allein, mitten auf einer einsamen Wiese am Waldessaum ...! Erotik pur!

Als ich mich der Schönen genau von vorn nähere, wird das Bild sonderbar. Ihr Blick – eigenartig starr; die Augen – merkwürdig hohl; ihr Mund – mit Bewegungen, als würde sie einen riesigen Kaugummi kauen. Unentwegt starrt sie mich an. Doch sie errötet nicht. Sie flieht nicht vor mir. Sie bedeckt nicht ihre Scham ... nichts!
Ich fühle mich unwohl. Soll ich mich ihr wirklich nähern? Oder ist es eine Fata Morgana, ein Trugbild, ein Traum, aus meinem Innersten geboren?
Die Neugier ist stärker. Fast stehe ich vor der Schwarzhaarigen. Da bemerke ich, dass sie unter ihrer schwarzen Mähne keine Brüste hat; bemerke, dass dort, wo ihre Scham sein sollte, nichts ist, nichts, nur Haut!
Stark verunsichert spreche ich die Fremde an. „Hallo, guten Tag, schöne Frau!“
Sie reagiert nicht, ein eigenartiges Geräusch kommt aus ihrem, zugegeben etwas überdimensionierten Mund – fast könnte man von einem Maul sprechen! Malmende Zähne – mit etwas Schaum vor den Lippen – halten mich ab, noch näherzutreten. Da! Ein Laut wie ein langes, dumpfes „Uhhhh“ entfährt den Lippen. Welche Sprache sie wohl spricht?
Da sehe ich es! Ihre Hüften! Sie sind breit, breiter, als ich sie je bei einer Frau gesehen habe! Entsetzlich breit!
Als ich etwas zur Seite trete, offenbart es sich. Ihr Hinterteil! Ihr Hinterteil! Ihr Hinterteil – es dehnt sich, erstreckt sich nach hinten, lange, endlos lange nach hinten!
Gelähmt beobachte ich, dass mich die Hübsche immer noch gleichgültig anstarrt. Ihr Bauch hängt dabei gewaltig nach unten durch.
Plötzlich bückt sich die schöne Fremde. Ihre Haare wallen über den Grasboden, wie ein Mähne, doch deutlich ist es zu sehen: Mit ihrem Mund schnappt sie nach den saftigen Gräsern am Boden, zerkauft diese und starrt mich dabei unentwegt an. Sie schaut, sie kaut, sie schaut, sie kaut, sie kaut wieder ...! Schauer durchfluten meinen Körper. Wo bin ich hingeraten?
Langsam schweift mein Blick den rückwärtigen Körper des Wesens entlang; von einer „Schönen“ wage ich nicht mehr zu sprechen, und da sehe ich es. Ein Kuhkörper – aber statt des Euters zwei pralle weibliche Brüste!
Phantasiewesen haben wir schon als Kinder gezeichnet – aber das hier – es steht real vor mir! Hat die Evolution dieses Tal vergessen? Hat Gott hier eine Experimentierwiese angelegt ...?
Mir ist eiskalt. Bewegungsunfähig verfolge ich das nackte Schauspiel vor meinen Augen.

Dem fremden Wesen werde ich zu langweilig. Mit dumpfem, starrem Blick dreht es sich, wiederkäuend, von mir weg und trottet langsam davon. Doch an seinem Hinterteil zeigt sich unverkennbare Weiblichkeit, von pechschwarzen Schamhaaren bedeckt ...!
Angewurzelt verfolge ich das Schauspiel meines Lebens. Als ich konsterniert den unheimlichen Ort verlassen will, fällt es mir ins Auge: ein Schild, ein Warnhinweis.

„Bitte nicht füttern! Bitte nicht berühren! Chimäres Hybridwesen. Prototyp! Zuchterfolg der Universität Newcastle unter Leitung von Prof. Lyle Armstrong und John Burn. Achtung, nicht serienreif, nicht klonfähig!“

Beim Weggehen stelle ich mir die Wiese vor, voll mit weiteren Prototypen. Meine anfangs erwachte Männlichkeit ist längst in sich zusammengesunken. Der Stier verlässt die Weide, ein chimärer Hybrid-Ochse ... und malt sich schaudernd aus, was die Gentechniker noch für Hybriden züchten könnten ...

Bürgerreporter:in:

Roland Greißl aus Fuchstal

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