Lebensgeschichten
Als ich Verkäuferin werden wollte

Sie war die Tochter eines großen Kaufhausunternehmers, meine Patentante Gerda.
So ein großes Kaufhaus, von ihrem Vater erbaut,  stand auch in meiner Heimatstadt, doch ich habe es leider nur als Ruine kennengelernt, es fiel den Wirren des 2. Weltkrieges zum Opfer.
Meine Tante hatte dann, nach dem Krieg, in der Hauptstraße ein kleines Geschäft eröffnet, und dort war ich als junges Mädchen von 10 Jahren oft und gern.
Ich durfte ab und zu hinter dem großen hölzernen Ladentisch stehen und den Kundinnen seidene Unterröcke zeigen, die in einer großen Lade aufbewahrt wurden.
In einem Regal waren in kleinen schmalen Fächern Herrensocken nach den Größen geordnet und in einer Schublade lagerten aufgerollt Spitzen und Litzen, die dann mit Hilfe einer Elle auf die gewünschte Länge abgeschnitten wurden.
In einem großen hölzernen Schrank hingen hinter Glasschiebetüren Kleider und Mäntel, die in einer kleinen Kabine vor einem großen Spiegel anprobiert werden konnten.
Unter dem Ladentisch lag das Einpackpapier und in einem Schubfach die Rechnungsblöcke.
In den Ferien durfte ich später sogar so einen Kassenzettel ausfüllen, kassiert hat aber dann doch Tante Gerda.
Ich liebte es in dem Geschäft zu sein und Waren anzubieten und so wurde dann wohl auch der Wunsch geboren,
Verkäuferin zu werden.
Und noch etwas zog mich in das Geschäft, der kleine Hund von Tante Gerda, mit dem ich so manches Kunststückchen hinter dem Ladentisch einstudierte. So sollte er immer über die Elle springen, was er auch konnte aber manchmal auch nicht.
Als er es wieder einmal nicht konnte oder auch nicht wollte, kniff ich ihn in das Hinterteil, blitzschnell schnellte er herum und schnappte nach mir und biss mich in die Nase. Eigentlich war er immer mein Beschützer, doch das war zu viel.  
Dann war auch Schluss mit Kunststückchen, doch Verkäuferin wollte ich noch immer werden und ich wurde es.
Ich lernte Handelskaufmann und arbeitete später, bis weit nach der Wende, im Außenhandel.
Na gut, ich verkaufte keine so reizvollen und seidenen Sachen, sondern große Maschinen aus Eisen und Stahl mit einer komplizierten Elektronik.
Doch so ein kleines Geschäft mit dem Kontakt zum Kunden, das war immer mein Traum.

Bürgerreporter:in:

Silke Dokter aus Erfurt

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