Quäker in Dortmund

"In der Zeit des Umbruchs nach der Reformation und nach den die Weltsicht verändernden Entdeckungen gab es auch in England in der Mitte des 17. Jahrhunderts Gruppen und Menschen, die nach religiöser Erneuerung suchten. Sie fanden, daß die Kirchen ihrer Zeit die Menschen vom Kern des christlichen Glaubens wegführten und in hierarchischen und überlieferten rituellen Formen erstarrten. Eine dieser Gruppen sammelte sich um George Fox (1629 - 1691), von dessen visionärer Eingebung sich sich begeistern ließen ließ. Dieser hatte vor allem Möglichkeiten und Formen der unmittelbaren religiösen Beziehung zu `dem von Gott in jedem Menschen´ erfahren. Sie verstanden sich als `Freunde Jesu´, wie dieser die veränderte Beziehung zu seinen Jüngern - nach Knechten zu Freunden - gekennzeichnet hatte. Deshalb nannten sie sich bald `Religiöse Gesellschaft der Freunde´; bekannt wurde nsie aber unter ihrem ursprünglichen Spottnämen `Quäker´ (Zitterer).

Auch in Deutschland gibt es seit dem Ende des 17. Jahrhunderts Quäker; offiziell geduldet wurden sie jedoch erstmalig um 1791 in Bad Pyrmont. Seit 1800 steht dort ein Versammlungshaus, das - 1932 neu errichtet - für viele überregionale Veranstaltungen der Freunde genutzt wird. In mehrere Städten des deutschsprachigen Raumes treffen sich gegenwärtig kleine Quäkergruppen. Auf der ganzen Welt gibt es rund 200.000 Quäker.

Alle Freunde sind sich darin einig, daß es in jedem Lebewesen `das von Gott´ gibt, eine Art göttlichen Funken. Im Umgang mit ihren Mitmenschen versuchen sie, sich daran zu orientieren. Sie stellen sich in diesem Zusammenhang zuweilen vor, in jedem Menschen leuchte ein `inneres Licht´, das den Weg weist und das jeder auch ohne die Hilfe und Vermittlung eines Priesters oder Bibelwortes in sich finden kann. Dieses Bild ist von der im Urchristentum Vorstellung abgeleitet, daß es einen `inneren Christus´ gibt.

Die Bibel un das Leben Jesu sind für viele wesentliche Quelle und Zugang zu religiöser Erfahrung. Immer geht es darum, den Geist , den SInn und die Symbolik des Textes stets aufs neue zu erschließen. Anderen Freunden vermitteln auch Alltagswahrnehmungen in der Natur und unter Menschen, Texte aus Poesie und Ausdrucksformen der Kunst Quellen und Zugang zur Erfahrung der Religio, der Verbundenheit mit dem, was wir nach allgemeiner Übereinkunft Gott nennen. Die Gottesvorstellungen sind vielfältig und unterliegen individuellen und zeitbedingten Wandlungen.

Die Andacht ist das zentrale Ereignis unserer Gemeinschaft. Wir kommen zusammen für eine Stunde der Stille in Gemeinschaft vor Gott. Wer Sich aus dieser wartenden und lauschenden Haltung heraus innerlich gedrängt fühlt, äußert, was ihn bewegt. Einige Menschen verspüren dabei eine Erregung, ein `Beben´ (engl. to quake; daher der Spottname). Die Anwesenden versuchen, sich einer möglichen geistigen Botschaft zu öffnen, die auch in unbedeutend erscheinenden Äußerungen zum Ausdruck kommen kann. Die Andacht kann überall stattfinden, wo Freunde zusammenkommen. Geweihte Räume brauchen wir dafür nicht. Die Andacht ist für alle Menschen offen. Wir verzeichten auf Rituale und beschränken uns auf ein Minimum an äußeren Formen. Wir taufen nicht und feiern kein Abendmahl. Wir betrachten das ganze Leben als Sakrament.

Es gibt bei den Freunden keine stukturierte Hierarchie. Wer mitmacht, trägt auch Verantwortung. Auch Kinder finden oftmals ihre eigenen Weisen, am Gruppenleben teilzunehmen. Notwendige Ämter werden in der Regel nnur für eine begrenzte Zeit vergeben, damit eine Lebendigkeit in der Amtsführung bestehen bleibt," stellen sich die Quäker in einem Faltblatt selbst vor.

Frösche quaken. Quäker auch? Um dies herauszufinden, mache ich mich am 2. Sonntag im Oktober 2009 frühmorgens auf den Weg nach Dortmund. Dort gibt es eine kleinde Gemeinde dieser christlichen Religionsgemeinschaft. Wie mir Anne Wamershoff erzählt, kommt sie jeweils am 2. und 4. Sonntag des Monats zu einer Andacht in den Räumlichkeiten des Gemeindehauses der Evangelischen Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde zusammen.

Nehme ich mich dazu, sind wir an diesem Sonntag gerade einmal 4 (!) Personen zu der Andach zusammen. Ob es an der gerade Herbstferienzeit liegt, daß nur so wenige Leute kommen? Anne vermutet es jedenfalls. "In ganz Deutschland gibt es nur rund 300 Quäker," erzählt sie. "In unseren Glanzzeiten hatten wir auch Nachwuchs und waren 20 Mann stark. Die Kinder leben heute aber über alle Winde zerstreut."

Während des gemeinschaftlichen Schweigens sitzen wir gemeinsam an einem Tisch. Eine brennende Kerze auf einem Untersatz ist der einzige Schmuck. Das Stillesein dauert rund 45 Minuten und wird nur durch eine kurze Bemerkung Annes unterbrochen. Ein gemeinsames Händereichen signalisiert dann das Ende der Andacht.

Wer die Gottesdienste der andren Kirchen kennt, für den ist das Schweigen in der Gemeinschaft, die Stille, das Zusammenkommen und Insichgehen schon ungewohnt. Aber ich war ja vorgewahnt. Ein Freund hatte mir im Vorfeld erzählt, daß er früher mal bei einer Andacht gewesen sei und daß es ihm überhaupt nicht zugesagt habe. Mein Freund ist aber auch ein hyperaktiver und wibbeliger Typ, der nur schlecht über längere Zeit still sein kann. Jemand wie er ist für die Quäker nicht geeignet.

Nach der Andach itst noch ein wenig Zeit für geselliges Beisammensein. Wir reden über gemeindeinterne DInge, aber auch über die Unterschiede zu anderen christlichen Zweigen. So gegen 11.15 Uhr gehen wir dann wieder auseinander.

Bürgerreporter:in:

Andreas Rüdig aus Duisburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

10 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.