Auf der Himmelsleiter

Der Piz Bernina (4049 m) | Foto: Foto DAV Don
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  • Der Piz Bernina (4049 m)
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Die „goldene Zeit des Alpinismus“ zur Mitte des 19. Jahrhunderts war vorbei. Alle Hauptgipfel der Alpen waren längst erstiegen, als sich am 12. August 1878 der preußische Afrikaforscher, Wissenschaftler und Bergsteiger Paul Güßfeldt (1840 – 1920) aufmachte, in den Graubündner Hochalpen Neuland zu begehen. Der firstartige Nordgrat des Piz Bernina, mit 4049 m der einzige Viertausender und höchste Berg der Berninagruppe (Schweiz), galt lange Zeit als unbesteigbar. Güßfeldt wanderte – in Begleitung der einheimischen Bergführer Hans Grass und Johann Griss – von Pontresina aus ins hintere Rosegtal, fand den Aufstieg zur 3430 m hohen Prievlusa – Scharte, und überkletterte den „schönsten Firngrat der Alpen“ bis zum Vorgipfel, wo die Partie ins Stocken geriet. Zu groß schienen die Schwierigkeiten zu sein, die Führer zögerten. Schließlich lockte die greifbare Nähe des Gipfels (der immerhin noch zwei Kletterstunden entfernt lag) doch und die Drei gingen in die Annalen der Alpingeschichte ein.

Dieser alpinen Herausforderung stellten sich vom 14.-18. Juli 2007 zwei Bergsteigergruppen aus Donauwörth und Umgebung. G..Blank, K. Hofmann, T. Roser, M. Wrobel, mit den Heilbronnern Z. und S. Jung, sowie E. Sonnenleitner und A. Mayr traten an, sich einen langgehegten Wunschtraum zu erfüllen.

Längst ist das Rosegtal durch einen breiten Fahrweg erschlossen, den sich Pferdekutschen, Wande-rer und Mountainbiker teilen, um zumindest den Anblick der Eisriesen zu genießen. Wer weiter will, muss in etwa 4 Stunden die Tschiervahütte (2583 m) des Schweizer Alpen – Clubs erreichen, die als einziger Ausgangspunkt für den Biancograt gilt. Entsprechend überfüllt ist die solide Unterkunft, denn hier versammeln sich Bergsteiger aus aller Herren Länder. Führer und Bergschulen mit ihren Kunden, Erlebnisveranstalter und Amateuralpinisten fiebern dem nächsten Tag entgegen.
Um 3.30 Uhr ist die Nacht zu Ende...! Nach kurzem Frühstück bestimmt geschäftiges Murmeln und das Klimpern von Steigeisen, Eispickeln und Karabinern die Akustik am Hüttenausgang. Schließlich zieht eine lange Reihe von Lichtpunkten – die eingeschalteten Stirnlampen der Alpinisten – wie eine Perlenschnur durch die nächtlichen Hänge oberhalb der Hütte. Man muss mindestens zu zweit gehen, der Seilsicherung wegen. Denn in der Eisregion kann eine Gletscherspalte für einen Alleingänger zur tödlichen Falle werden.

Auswirkungen der Klimaerwärmung werden auch hier bereits greifbar: Ein mehrere hundert Meter breiter Bergsturz zerstörte den früheren Weg und wurde etwas oberhalb neu angelegt. Der folgende Aufstieg zur Prievlusa – Scharte (ein rätoromanisches Wort für „gefährliche Scharte“) musste aufgrund des Eisrückgangs ebenfalls verlegt werden, um die zunehmende Steinschlaggefahr zu verringern. Für die einheimischen Bergführer eine existenzsichernde Maßnahme. Arno Mayr, der die Tour vor 20 Jahren schon einmal erlebt hat, stellt betroffen fest: „Die Gletscher sind kaum wiederzuer-kennen; wo früher Eis war, kommt Fels und Schutt zutage!“
Im Wettlauf mit dem Sonnenaufgang wird die Scharte von den Kletterern erreicht. Nach kurzer Rast gilt es, den eigentlichen Grat zu bewältigen, dessen Schwierigkeiten sich im Lauf eines Jahrhunderts zwar relativiert haben, nach wie vor warten jedoch insgesamt 1500 Höhenmeter im Aufstieg und danach ein langer und anspruchsvoller Abstieg auf die Alpinisten.
Die meisten Gruppen erreichen nach 7 bis 10 Stunden den Gipfel; gutes Wetter, gute Kondition und ausreichendes Können vorausgesetzt. Nur ganz Eilige steigen dann direkt ins Tal ab, was weitere 6 Stunden Gehzeit bedeutet. Üblich ist die Übernachtung auf der schlicht-gemütlichen Marco e Rosa – Hütte, die auf 3500 m direkt auf der italienisch-schweizerischen Grenze liegt. Hier lässt es sich, wie die Donauwörther nach glücklichem Gipfelsturm feststellten, gut leben, den Sonnenuntergang genießend, die müden Beine unter dem Hüttentisch ausgestreckt. Abgesehen von den Getränkeprei-sen, die der außergewöhnlichen Höhenlage - von Gletschern umgeben - angepasst sind.

Hier irrte Güßfeld!
Angesichts der überwundenen Mühen und Schwierigkeiten mutmaßte der Berliner Professor vor 130 Jahren, es fänden sich wohl kaum Wiederholer seiner alpinen Großtat . Ein Irrtum, wie sich bald darauf herausstellen sollte, denn nicht nur für die Donauwörther, sondern für Generationen von Bergsteigern wurde der „Grat“ zur Traumtour schlechthin.
Daher ein Rat: Nie am Wochenende gehen und sich beim nächtlichen Aufbruch möglichst weit vorne einreihen. Der Bianco-Grat ist so schmal, dass später nicht mehr überholt werden kann!

Bürgerreporter:in:

Beate Schuster aus Donauwörth

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