Munitionssuche im Naturschutzgebiet „Brand“ in Nienhagen, Landkreis Celle, abgeschlossen

Erst Bombentrichter, dann Spreng- und Brandplatz. Im Naturschutzgebiet „Brand“ wurde ein neues Refugium für Kammmolche geschaffen. Für 750.000 Euro.
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  • Erst Bombentrichter, dann Spreng- und Brandplatz. Im Naturschutzgebiet „Brand“ wurde ein neues Refugium für Kammmolche geschaffen. Für 750.000 Euro.
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Nach neun Monaten intensiver Suche nach Munitionsresten im Forstort Brand durch einen Kampfmittelbeseitigungsdienst ist der Dannhorstweg/Celler Weg wieder freigegeben. Eine Fachfirma hat intensiv detektiert, gegraben, gebaggert, eingesammelt und abgefahren. Herr Kremeike, Grundstücksverwalter von den Landesforsten schätzt, dass Kosten in Höhe von 750.000 Euro entstanden sind. Unterm Strich gesehen ist bei dieser Aktion aber nur ein Teich für den geschützten Kamm-Molch entstanden.

Ein Kilometer östlich des früheren Erdölwerks der Brigitta Elwerath hat die Kampfmittelräumfirma Stascheit Munitionsreste gesucht. In und um einen Bombentrichter herum, der nach Kriegsende als Spreng- und Brandplatz von der englischen Armee genutzt wurde. Gefunden wurden in einem Dreivierteljahr zehn Tonnen Munitionsreste. Mit Metalldetektor in einem Radius von 90 Metern. In diesem Bereich von 25.000 Quadratmetern ist bis 40 Zentimeter Tiefe nun alles „sauber“. Der ursprünglich 1,5 Meter tiefe Trichter ist mit einem Bagger auf 2,50 Meter ausgebaut worden.
Gute Arbeit haben die Fachleute von der Munitionssuche sicher geleistet. Aber um das Ergebnis richtig einzuschätzen, muss man die Situation im gesamten Naturschutzgebiet Brand berücksichtigen. Auf der ganzen Fläche befinden sich 250 Bombentrichter. Fachleute gehen davon aus, dass etwa 17 Prozent der abgeworfenen Luftbomben (Bezeichnung: SC 250, Gewicht: 250 kg) nicht explodiert sind. Daraus ergeben sich 51 Blindgänger, von denen mittlerweile im Jahr 2003 und 2010 je ein Sprengkörper entschärft wurde. Im Naturschutzgebiet Brand liegen also hochgerechnet noch 49 unversehrte Bombenkörper mit einer Länge von 1,64 Meter, einem Durchmesser 0,37 Meter mit jeweils 125 Kilogramm Sprengstoff. Diese Fliegerbomben befinden sich in einer Tiefe von etwa vier, maximal acht Metern.

Im gleichen Wald „Brand“ befindet sich die ehemalige Heeresmunitionsanstalt (Muna), in der Munition einsatzfertig gemacht wurde. Vorgehalten wurde diese Munition über Tage in vier Lagerhäusern mit fast 25.000 Quadratmetern Fläche, später unter Tage im Kalischacht Riedel (650- und 750-Meter-Sohle). Die englischen Besatzer schätzten die Munitionsmengen im Bergwerk auf 20.000 Tonnen, die von Mai 1945 bis Juni 1946 (Explosion im Schacht) zur Vernichtung in das spätere Naturschutzgebiet geschafft wurden. Für das Auslagern von Sprengstoff und Kampfmunition standen also 12 Monate zur Verfügung. Wie viel herausgeholt wurde, hat niemand dokumentiert. Bei einer Menge von 15.000 Tonnen wären das zum Beispiel 41 Tonnen/Tag. In diesem Gedankenspiel wären die restlichen 5.000 Tonnen am 18. Juni 1946 an der Schachtexplosion beteiligt gewesen.

Diese Mengen im Schwerlastverkehr auf unbefestigten Waldwegen zu „einem“ Spreng- und Brandplatz zu transportieren, halte ich für wenig wahrscheinlich. Tatsächlich existieren auch mehrere dieser Entsorgungsplätze im NSG Brand. Hinweise auf diese Brandplätze können Vegetationsänderungen sein. Sichtbar aus der Luftperspektive. Oder Änderungen in der Geländeoberfläche. Sichtbar vor Ort. Bei diesen fast immer unsachgemäßen Sprengungen verteilten sich Munitionsreste und intakte Munition in einem Umkreis von einem Kilometer.

Das gereinigte Areal im Forstort Brand hat eine Fläche von 25.000 Quadratmetern (entspräche einem Quadrat mit einer Kantenlänge von 158 Metern). Diese Fläche wurde mit einem Metalldetektor bis zu einer Tiefe von 40 Zentimetern sondiert und gereinigt.
Eine Größe von 4.830.000 Quadratmetern hat das ganze Naturschutzgebiet mit seinen 250 Bombentrichtern und geschätzten 51 Stück 250-Kilogramm-Blingängern (Bombenmasse = 12.750 Kilogramm).
Mit diesen Flächenmaßen lässt sich nun recht schnell das Ausmaß oder die Bedeutung der Munitionsreste-Sammlung berechnen: 0,52 Prozent der Gesamtfläche des Naturschutzgebiets Brand wurden von Altlasten oberflächlich befreit. Das heißt aber auch, dass auf 99,48 Prozent nichts geschehen ist und auch nichts im sondierten Areal in einer Tiefe von mehr als 40 Zentimetern. Und da liegen in 6 bis 8 Metern immer noch die Blindgänger mit einer Gesamt-Bombenmasse von 12.750 Kilogramm.

Um systematisch vorzugehen müsste das ganze NSG Brand auf Munitionsreste untersucht werden. Aus dem 750.000-Euro-Preis würden dann im Handumdrehen für 483 Hektar 150.000.000 Euro werden. Aber nur für eine Tiefe bis 40 Zentimeter! Und die dicken Brummer liegen immer noch in bis zu 8 Metern Tiefe. Also käme noch einmal der Faktor 15 bis 20 hinzu.

Spätestens jetzt stellt sich die Frage, in wieweit das ganze noch sinnvoll ist. Sollte man sich nicht eingestehen, das eine oberflächliche Säuberung von einem halben Prozent der Fläche doch nur eine Alibifunktion hat. Nichts weiter. - Und das Ganze nun so lassen, wie es ist. Selbstverständlich muss der Mensch bei einem Munitionsfund wie bisher eingreifen oder bei punktuellem Verdacht aktiv werden. Eine Badestelle aber, zum Preis von einer dreiviertel Million Euro für die Kamm-Molche ist einfach nicht vertretbar. 

Quellen:
https://www.myheimat.de/de--nienhagen--549/politik...
https://www.myheimat.de/celle/gedanken/bombardieru...
Wikipedia
Cellesche Zeitung – Massig Munitionsreste aus der Erde geholt
Han. Allgem. Zeitung – Gefährliche Munitionsreste im Boden

Erst Bombentrichter, dann Spreng- und Brandplatz. Im Naturschutzgebiet „Brand“ wurde ein neues Refugium für Kammmolche geschaffen. Für 750.000 Euro.
0,52 Prozent der Gesamtfläche des Naturschutzgebiets Brand wurden von Altlasten oberflächlich befreit. Das heißt aber auch, dass auf 99,48 Prozent nichts geschehen ist und auch nichts im sondierten Areal in einer Tiefe von mehr als 40 Zentimetern!  -  Karte: Open-Street-Map
Bürgerreporter:in:

Rainer Lingemann aus Uetze

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