Roulette Khmer – ein Roman über die düstere Vergangenheit Kambodschas

Die Roten Khmer haben in 1970er Jahren in Kambodscha eine Schreckensherrschaft betrieben, die der Bevölkerung unendlich viel Leid zugefügt hat. Im Roman "Roulette Khmer" beschreibt der Autor Carl Isangard anhand von wahren Begebenheiten, was in diesen Jahren in Kambodscha geschah. Im folgenden Beitrag findest du einen Ausschnitt des Buches.

Es ist der 15. Juni 1977...
Im Demokratischen Kampuchea – Einem kleinen Dorf mitten in der Provinz Prey Wenig

Im düsteren Morgengrauen, beim Anbruch dieses schicksalhaften Tages kommen sie wieder ins Dorf ... Das heisere, aufgeregte Bellen der beiden streunenden, dürren Hunde, sowie das stetig lauter werdende Brummen des heranrollenden Lastwagens hat den Hunderten von Dorfbewohnern ihre Ankunft bereits angekündigt:

Zehn junge Männer, die aus dem mittlerweile angekommenen Laster steigen; mit schlanken, drahtigen Körpern, gekleidet in schwarze Hosen, langärmelige Oberteile, rot-weiß-karierte Kramas und mit grünen Mao Mützen auf den Häuptern. Sie tragen lange Gewehre in ihren Armen. Ihre Gesichter sind dunkelhäutig, ihre Mienen finster wie die Nacht. Das Gebell der beiden Hunde ist inzwischen verklungen. Die Tiere geben nun keinen Laut mehr von sich, ziehen sich mit eingezogenen Schwänzen zurück, als scheinen sie es bereits zu ahnen, wie alle Anwesenden im Dorf.

Es bedeutet nie etwas gutes, wenn die Roten Khmer kommen

Die heutige Ankunft der Soldaten in diesem Lager des kleinen Dorfes von der Provinz Prey Weng verkündet, wie jedes Mal, Unheil. Die Soldaten der Roten Khmer marschieren wortlos, mit starren, grimmigen Blicken zwischen Dutzende von Hütten. Ihre aus Autorreifen hergestellten schwarzen Sandalen bahnen sich quietschend den Weg durch den braunen, aufgewühlten Schlamm.

Die hinterlassenen Spuren der Sandalen werden bald wieder weggespült, spätestens vom nächsten Regenfall. Doch die Spuren, welche das Regime von Pol Pot im ganzen Land hinterlässt, vermag kein Regen wegzuspülen. Spuren, die in die Annalen der kambodschanischen Geschichte eingehen werden, als eines der dunkelsten und grausamsten Kapitel der gesamten südostasiatischen Welt.

Unmenschliche Lebensbedingungen

Es hat die ganze letzte Nacht geregnet. Es herrscht Monsunzeit im Demokratischen Kampuchea.

Die Vegetation des von Verdunstungsschwaden durchzogenen Dschungels, der die hiesige Landschaft umgibt, ist grün und üppig. Das Dasein der hier lebenden Dorfbewohner dagegen ist erfüllt von Schinderei, Trauer, Leid, Hunger, Krankheit, Terror und Tod. Die umherwirbelnden Schwärme, die aus Tausenden von aggressiven, mörderischen Tigermücken bestehen, sind noch die kleinste Plage. In wenigen Stunden wird die Sonne die Bambushütten und die Arbeitsgruben wieder in Backöfen verwandeln. Eine schwere, schwüle Hitze senkt sich dann wie ein bleierner Vorhang über die Landschaft.

Die unmenschliche "Rekrutierung" der Khmer

Das ganze Dorf ist von der Außenwelt wie hermetisch abgeriegelt. Es gibt keine Zeitung, kein Radio, keine Fernseher, nicht mal Kontakt zu den anderen Dörfern. Die einzigen Nachrichten werden von dem hier zuständigen Vorsteher verlesen. Dieser und seine patrouillierenden Helfer, die ebenso der Armee der Roten Khmer angehören, und so gut wie uneingeschränkte Macht besitzen – sie sind Polizisten, Richter und Henker zugleich – geben den zehn eingetroffenen Soldaten jetzt Anweisungen. In einem Arbeitslager von Ro Leap braucht es mehr Hilfskräfte auf den Reisfeldern. Also rekrutiert man hier über zwanzig Frauen und Männer. Nach der Reisernte im November würden die Auserlesenen alle wieder zurück sein. Wenn nur der leiseste Verdacht besteht, dass bei irgendwelchen Leuten kritisch über Politik diskutiert wird oder ein Diebstahl von Nahrungsmittel stattgefunden hat – was hin und wieder vorkommt aufgrund der kärglichen Lebensmittelrationen – werden die Verdächtigen in ein Umerziehungslager gebracht. Auch sie kehren niemals mehr ins Dorflager zurück.

Was ist Roulette Khmer?

Ab und zu machen sich die Soldaten ein makabres Vergnügen daraus, ein Dutzend Männer über ein in der Nähe befindliches Minenfeld zu jagen. Vorher schließt man jeweils Wetten ab. Die Wetteinsätze: Spezielle Handfeuerwaffen, Zigaretten und billiger Fusel (Geld war im Demokratischen Kampuchea schon lange abgeschafft). Die totgeweihten Männer tragen dann gut erkennbare Nummern auf ihren Rücken. Es wird auf diejenigen gewettet, die es schaffen, mit ihrem Leben da­von­zukommen oder auf die anderen, die es nicht schaffen sollen, wobei es jedes Mal drei bis fünf von ihnen erwischt. Dieses teuflische Spiel nennen manche Menschen hier: Roulette Khmer Rouge. Es ist das barbarische Roulette der Roten Khmer.

Westlicher Einfluss wird bei den Khmer nicht toleriert

Vor mehreren mit Stroh bedeckten Bambushütten stehen einige Familien in Reih und Glied. Sie alle tragen die schwarzen Arbeitsanzüge an ihren vor Hunger ausgemergelten Körpern; ihre einzige Kleidung, die sie besitzen dürfen.

Jeder erdenkliche westliche Einfluss bedeutet während den langen, bitteren Tagen und Nächten des tyrannischen Steinzeitkommunismus Frevel und Verrat am kambodschanischen Volk, der weder persönlichen Besitz noch technischen Fortschritt erlaubt.

Der kleinwüchsige, ältere Vorsteher mit dem feisten, vernarbten Gesicht blickt mit ausdruckslosen Augen auf die jetzt ausgewählten Männer und Frauen. Sein leerer Blick verrät, dass er nicht das geringste Mitleid verspürt, genauso wenig wie seine Schergen und die Soldaten. Was zählt, ist allein das gnadenlose Gesetz des Angkar, der Organisation. Eine Organisation; übermächtig und bedrohlich schwebend wie eine gigantische Medusa, deren tödlicher Blick das ganze Land immer mehr zu Schutt und Asche verwandelt.

Menschen werden von den Roten Khmer wie Vieh transportiert

Nun geht es sehr rasch und erbarmungslos, ähnlich dem Verladen bei einem Viehtransport: Die Aktion der Soldaten dauert keine fünf Minuten, dann sind die von ihnen ausgewählten vierzehn Männer und acht Frauen im Lastwagen verfrachtet.
Der Fahrer startet bereits den Motor. Dann fängt es plötzlich wieder an zu regnen.

Shanra ist eines von wenigen Kindern in Kampuchea

Unter den mehreren Hundert Bewohnern gibt es nur sehr wenige Babys. Die meisten sterben bereits ein paar Tage nach ihrer Geburt. Es ist kein Wunder, denn der Großteil der Mütter ist überarbeitet und unterernährt. Nur außergewöhnlich zähe Naturen können in dieser kambodschanischen Vorhölle gedeihen (die eigentliche Hölle ist das abscheuliche Reich der zahlreichen Arbeitslager, in denen jeweils Männer und Frauen getrennt untergebracht werden). Daher leben hier auch sehr wenige Kleinkinder. Eines davon ist die zweieinhalbjährige Shanra, das jüngste von drei Kindern einer der Familien. Das kleine Mädchen mit der niedlichen Stupsnase, den auffallend großen, traurigen Augen und den zerzausten, verfilzten Haaren ist soeben aufgewacht. Es hat noch nicht mitbekommen, was an diesem Morgen hier im Dorf vorgegangen ist.

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Als Printversion oder eBook erhältlich.

Bürgerreporter:in:

Dantse Dantse aus Darmstadt

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