Seelenstorm-Sonderausgabe "Gedanken zur Einheit"

3.Oktober Gedanken zur Einheit

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Sonderausgabe 3.Oktober "Gedanken zur Einheit"

Was will man bloß den armen Schülern in Meck/Pomm beibringen? Sie müssen
laut Justizministerin Kuder unbedingt lernen, wie erbarmungslos unmenschlich
die Diktatur in der ehemaligen DDR funktionierte. Wenn sie das wissen, haben
sie das wichtigste Rüstzeug fürs Leben erworben, den pawlowschen Reflex:
Weckt man sie nachts und sagt DDR, antworten sie – Unrechtsstaat!
Damit wollen sie nichts zu tun haben. Wer will das schon?
Also Bahn frei für unseren Nachwuchs in die gaucksche himmlische Freiheit Jauchzend direkt hinein in die freiheitlich demokratische Verblödung, in deren
heiligen Hallen die Bengels und Deerns erst nachts vor den iPhon-Läden kampieren,
um sie dann hysterisch zu stürmen, wenn die Apple-Fahne winkt. Flugs
schieben sie auf dem augenverrenkend winzigen Bildschirm per Fingerkuppe
die Welt vor sich her, die sie so begreifen wie sie es sollen. Das um sie herum
jene Welt in Flammen steht, wird ihnen verkauft als Aufbruch in die Zukunft.
Und sie glauben es, weil sie es so in der Schule lernen. Jedenfalls viele glauben
es. Das will Frau Ministerin Kuder, auf jeden Fall wollen es ihre Strippenzieher.
Die Dame kommt aus dem Westen, der Herr Ministerpräsident auch. Wenn es
zum Tag der Einheit Deutschlands hieße: Ostdeutsche vor, dann träte das Mueßer
Holz – der ehemalige III. Bauabschnitt Großer Dreesch – geschlossen auf.
In Schloss und Staatskanzlei sieht die Sache anders aus. Dort herrscht der Westen;
anscheinend traut man den Mecklenburgern nicht zu, sich selbst zu regieren. Es
hat vielleicht damit zu tun, dass in Wirklichkeit gar keine Vereinigung vollzogen
wurde, sondern eine Angliederung, eine Einverleibung, ein Beitritt – aus meiner
Sicht gewissermaßen ein Fehltritt! Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, dass wir
Deutschen und alle übrigen Menschen, die hier leben möchten, dies in nationaler
Einheit tun sollten – aber es brauchte doch kein Rollkommando über uns hergefallen
sein, das uns auch noch komplett enteignete!
Gehen wir durch Schwerins Straßen, erfreuen wir uns an einem frischen, instand
gesetzten Stadtbild – doch schauen wir hinter die Kulissen, stellen wir fest, dass
kaum ein einheimischer Eigentümer vorkommt. Der Immobilienmarkt fest in
westlicher Hand! Westliche Geschäftsleute vermehren hier ihr Kapital, Heer -
scharen nicht nur von Beamten, sondern Advokaten, Architekten, ja selbst
Gemüsehändler räubern in unserem Revier; sie haben, nachdem die DDR verhökert
war, mit ihrem Geld ihre Duftmarken gesetzt und sind jetzt Platzhirsch und
bestimmen das Geschehen. Wir einstigen Volkseigentümer sind Gast im Land –
ob das nun einer so unverblümt ausspricht wie ich: an der Tatsache ändert es
nichts. Privatstraßen, unterbrochene Seeumrundungen, großkotzige Landmänner
in Reitstiefeln hoch zu Ross mit zähnefletschenden Kötern, die mich bei Wanderungen durch meine mecklenburgische Heimat bedrängen, gab es in meinem früheren Leben in der DDR nicht. Erst heute weiß ich dies zu schätzen.
Stimmt ja alles gar nicht, werden Schönredner der deutschen Einheit einwenden:
Schaut doch nur unsere Bürgermeisterin an! Aus Jülchendorf, das liegt nicht
weit von hier; von wegen aus dem Westen! – Nun ja, die Sache mit dem Alibi:
Bürgermeister in Schwerin, einer Stadt, die pleite ist, was kann man da bewegen?
Da wollen wir doch einen Ostdeutschen unterbringen, eine Linke sogar. Gleich
mitgeliefert haben wir den Beweis: Die Roten können doch nicht mit Geld, konnten
die nie, sieht man ja an der DDR – und jetzt an Schwerin.
Dass Bürgermeister und Stadtvertreter Null Stimmgewicht haben, wird geschickt
umschifft. Dafür gibt es Medien, die tatsächlich mit allen Wasser gewaschen sind.
Sie haben es auch nicht sehr schwer bei der von Frau Kuder persönlich gebildeten
Schülergeneration. Außerdem hat selbst die gute alte Schweriner Volkszeitung nur noch herzlich wenig mit Schwerin zu tun. Ihr Zentrum liegt in Schleswig-Holstein, und die Macher singen das Lied ihrer Brotherren und längst nicht mehr die Weise ihrer betrogene ehemalige Leserschaft.
Eigentlich braucht man uns im Osten lediglich für Verrichtungen, die dem
Westen Geld bringen. Wenn wieder einmal – wie jetzt – bekannt wird, dass der
Osten wirtschaftlich hinterherhinke, weil die Arbeitsproduktivität im Osten
wesentlich niedriger sei als im Westen, suggeriert dies, dass die Ostdeutschen fauler sind als die Westdeutschen und wir ein sogenanntes Fass ohne Boden sind. Niemand hat ernsthaftes Interesse, die Mitbürger in Bayern oder Hessen aufzuklären, warum die Arbeitsproduktivität niedriger ist.
Dass es der Lohn auch ist (natürlich bis auf den der westlichen Beamten), ist ja
wohl das mindeste – wäre ja noch schöner! Dass da etwas auseinander driftet,
was nie beisammen war, wird wissentlich und geflissentlich übersehen; die
Folgen gehen die heutigen Akteure später nichts mehr an. Dann schwatzen sie
senil und ohne Maulkorb dummes Zeug in Talkshows und verteilen ihre fette
Pension an gelungene oder missratene Enkelkinder.
Auch gebe ich Christoph Hein nicht recht, der noch guten Muts ist und meint, das
Zusammenwachsen würde genauso lange dauern wie Teilung herrschte. Unter
diesen gesellschaftlichen Verhältnissen gelingt die Einheit Deutschlands nie!
Da ich aber wie jeder andere Deutsche – gleich wo er seinen Wohnsitz hat – die
deutsche Einheit als Garant für das Fortbestehen unseres Volks erkenne, bleibt für
ihren endgültigen Vollzug nur ein Weg: Die Umgestaltung unserer Gesellschaft
weg von einer durch globale Finanzinteressen ferngesteuerte nur scheinbar
demokratisch legitimierte Gelddiktatur zu einer demokratischen Republik des
Volkes, die ihren Namen verdient und menschliche Interessen wirklich vertritt
und so Deutschland tatsächlich in Frieden eint.
Wir müssen uns also überlegen, wie wir zukünftig leben wollen. Egal wie wir uns
entscheiden, der Kapitalismus ist immer im Weg.
Es stimmt nicht, dass es ohne die „Märkte“ nicht geht. Es reden uns bloß jene so
ein, die satte Profite mit unserer erhofften Blödheit machen. Wussten Sie, lieber
Leser, dass es ein Frau gibt, die jeden Tag 60.000 Euro Zinsen kassiert – jeden
Tag? Jeden Tag! Fällt das Geld vom Himmel? Es fällt nicht vom Himmel! Sie
bezahlen es, lieber Leser, und ich, und zwar über Steuern und Preise, Mieten und
sonstige Abgaben, über Billigjobs, Armut, Ausgrenzung, Hungerrenten. Ja, damit
dieser Frau und vielen anderen jenes einen Prozents der Superreichen ihr
Zinszuwachs garantiert wird.
Was das mit dem Tag der Einheit zu tun hat? Nun, die DDR war ein gänzlich
anderes System. Geld horten war da nicht nötig; das bisschen, welches wir hatten,
nahm uns die Treuhand auch noch weg. Heute haben wir noch immer nichts,
da waren bekanntlich die westdeutschen Brüder und Schwestern vor. Jetzt sind
wir dafür gut, den Besitzenden die Zinserträge zu erwirtschaften: deren Reichtum
ist unsere Armut. – Das hat es mit der Einheit zu tun!

Bürgerreporter:in:

Norbert Höfs aus Schwerin (MV)

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