Aktive Entschleunigung im Chiemsee-Alpenland

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Schon seit langer Zeit ist die Region zwischen München und Salzburg eine der beliebtesten Feriendestinationen in Deutschland. Vor der malerischen Kulisse der Alpen liegt der mit 80 km² größte See Bayerns – und rundherum in der idyllischen Landschaft eine ganze Reihe von sehenswerten Städten und Ortschaften. Längst ist die Region, in der im Jahr 2016 rund 3,2 Millionen Übernachtungen von Gästen gezählt wurden, nicht mehr nur Anziehungspunkt für Alpinisten und Skifahrer. Das ganze Jahr über bietet das Chiemsee-Alpenland eine Fülle von attraktiven Angeboten für aktive Gäste, die rund um das „Bayerische Meer“ aktiv entschleunigen möchten.

Wenn Michaela Albrecht mit ihren Gästen durch den Wald spaziert, dann hat sie Begleiter aus den Anden dabei. Seit einigen Jahren lebt auf ihrem Hof eine Herde zutraulicher Alpakas. Während im Nachbargehege einige Esel mit lauten Rufen auf sich aufmerksam machen, wirken die Alpakas ganz entspannt. Das macht die neugierigen und sensiblen Herdentiere zu interessanten Begleitern in der Therapie, aber auch beim Coaching und bei Spaziergängen mit Touristen. Bevor ich selbst auf die Weide mit den Tieren gehe und mir einen Begleiter für den geplanten Spaziergang zum Simssee aussuchen kann, erklärt mir Michaela Albrecht, worauf es ankommt. Sie erzählt wie das Halfter sitzen muss, damit die Tiere gut Luft bekommen. Dazu erfahre ich, wie man die Leine hält und auf was ich auf dem Weg achten soll. Dann geht es los. Jeder Spaziergänger hat sich für eines der unterschiedlich großen Tiere entschieden. Meines ist rund 70 kg schwer und damit in einer Gewichtsklasse, mit der ich glaube ganz einfach losziehen zu können. Die ersten Schritte sind für Mensch und Tier eine Gewöhnungssache, doch schon bald spielt sich die Schrittfolge ein. „Nicht ziehen“, mahnt die Alpaka-Besitzerin kurz darauf, als ich schneller auf den Wald zugehe als mein Begleiter. Der ist für jedes Alpaka ein Hindernis, da die Fluchttiere zwischen den Bäumen nicht sehen können, ob Raubtiere lauern. Nur ganz langsam gelingt es uns die kleine Herde wieder in Bewegung zu bringen. Im lichten Wald geht es dann wieder schneller. Mit gemütlich baumelndem Führstrick laufen Alpaka und ich durch den herbstlichen Wald. Doch plötzlich zögert das Tier. Michaela Albrecht kennt den Grund: „Alpakas sind Gewohnheitstiere.“ Sie weist auf frisches Sägemehl am Wegesrand, das beim letzten Spaziergang dort noch nicht lag. Die Tiere haben diese Veränderung gleich bemerkt und sind verunsichert. Nun liegt es an den Menschen sie mit Geduld und sanftem Zug wieder in Gang zu bringen. Zur Belohnung für die Tiere geht es anschließend zum Simssee. Freudig schnarrend eilen die Alpakas ins erfrischende Wasser des Sees. Soweit die Gummistiefel es erlauben begleite ich „mein“ Alpaka, das sich genüsslich ins Wasser legt. Als die Tiere sich im See ausgetobt haben, geht es in aller Ruhe wieder zurück zum Bauernhof. Im frisch erweiterten Hofladen „Chiemgauer Wollspinne“ berichtet Michaela Albrecht über die aufwändige Verarbeitung des Alpaka-Vlies und zeigt ihre Produkte.

Ganz entspannt über den „Boarischen Entschleunigungsweg“

Entspannen kann man auch auf dem „Boarischen Entschleunigungsweg“. Dieser rund zwei Kilometer lange Höhenweg führt von Aschau bis nach Pölching. Bei der Wanderung über den einfach zu gehenden Weg oberhalb des Aschauer Tals kann man sich bewusst Zeit lassen. Hier kommt es nicht auf die Strecke an, sondern auf die bewusst gewählte Entspannung. Während man unterhalb Schloss Hohenaschau und weit oberhalb den Gipfel der Kampenwand sieht, laden ganz unterschiedlich gestaltete Bänke zum Verweilen ein. Eine ist überdacht gegen Sonne oder Regen. Eine erinnert an eine gigantische Hängematte und nennt sich „Himmelswiege“. Eine besteht nur aus einem Melkschemel und einer künstlichen Kuh, die man oberhalb des Baches melken kann. An manchen Stationen erklären Informationstafeln Entspannungsübungen. Wer alles mitmacht und hin und wieder auf einer der Bänke ausruht, braucht deutlich mehr Zeit als die veranschlagte Stunde. Doch das ist der Logenplatz für die Seele gewiss wert. Eine Alternative ist eine Fahrt mit der Kampenwandbahn. Die Bergstation der Seilbahn liegt auf 1467 m. Schon bei der Auffahrt hat man einen hervorragenden Blick auf Schloss Hohenaschau. Dann geht es steil hinauf über karge Felsen und vorbei an den mit zunehmender Höhe weniger werdenden Bäumen. Oben angekommen, erwartet die Besucher ein gut ausgebautes Wegenetz. Leicht zu begehen ist der Panoramaweg zur Steinlingalm. Auch ohne Wanderschuhe und große Trittsicherheit kann man das Bergpanorama genießen. Auf den Almwiesen am Wegesrand grasen Ziegen und Kühe, deren Glocken schon zu hören sind, bevor man die Tiere hinter der nächsten Wegbiegung sieht. Am Ende des Wegs steht die Steinlingkapelle. Wer mag, kehrt in der nahe gelegenen Alm ein. Sportliche Wanderer können anschließend zu Fuß ins Tal gehen – für alle anderen fährt die Kampenwandbahn. Abrunden kann man die Entspannung beim Besuch einer Therme. Direkt am Chiemsee liegt in Prien das „Prienavera“. Besonders schön ist der Blick aus dem Außenbecken auf das auf einer Insel im See gelegene Schloss Herrenchiemsee.

Die historische Altstadt von Wasserburg leuchtet

Wer sich für historische Städte interessiert, ist in Wasserburg am Inn genau richtig. Bis ins 19. Jahrhundert war die 13.000 Einwohner-Stadt ein wichtiges Handelszentrum. Reich und mächtig gemacht hat die in einer Flussschleife gelegene Stadt der Salzhandel. Er legte die Grundlage für die bis heute erhaltenen Patrizierhäuser und das mittelalterlich geprägte Stadtbild. In die Stadt gelangt man über eine Innbrücke und dann durch das Brucktor. Schon auf den ersten Blick fallen mehrere Laubengänge und die bunten Fassaden der Gebäude ins Auge. Experten entdecken den Inn-Salzach-Baustil und bemerken auch Scheinfassaden und die stuckverzierten Giebel. Wer Wasserburg mit anderen Augen sehen möchte, geht auf eine Stadtführung mit Autorin Ilona Picha-Höberth und Buchhändlerin Irene Kristen-Deliano. Die beiden führen ihre Gäste bei verschiedenen thematischen Stadtrundgängen durch verborgene Winkel und Gassen und erklären, was es mit Einhorn, Jungfrau und Roter Löwe auf sich hat. Alljährlich im Herbst schafft „Wasserburg leuchtet“ einen zusätzlichen Grund nach Wasserburg zu kommen. Projizierte Bilder und Videos und vielfältige Kunstwerke tauchen die Altstadt dann in ein besonderes Flair. Verkaufsstände, Sitzgelegenheiten und Unterhaltungsprogramm verwandeln das ruhige Städtchen auf Zeit in ein Festivalgelände. Sehenswert sind dabei nicht nur die großformatigen Projektionen, sondern auch viele kleine Attraktionen wie ein Brunnen, in dem das Wasser scheinbar aufwärts fließt.

Aktiv auf dem Segway und im Kajak

Ein Erlebnis ist eine Segway-Führung durch Rosenheim. Wenn Arnulf Müller-Delius seine Gäste oft zum ersten Mal auf einen Segway stellt, dann geht es erst einmal um die Sicherheit. Statt gleich auf die Straße führt der Weg zunächst in eine kleine Trainingshalle. Dort erklärt Arnulf Müller-Delius wie das High-Tech-Gerät funktioniert und wie man es steuert. Wer Gas geben möchte, verlagert den Körper ganz leicht nach vorne. Wer anhalten oder gar rückwärtsfahren möchte, lehnt sich langsam nach hinten. Lediglich für Drehungen kommt die Lenkstange zum Einsatz. Was in der Theorie gar nicht einfach klingt, erlernt man unter fachkundiger Anleitung in wenigen Minuten. Müller-Delius lässt fahren und bremsen, lenken und drehen und empfiehlt, auf die Breite der Räder zu achten. Ausgestattet mit Schutzhelmen geht es dann auf die Rosenheimer Straßen und Wege. Bei der Landesgartenschau-Tour entdecken die Besucher nicht nur malerische Wege am Kanal, sondern auch die Überbleibsel der Landesgartenschau 2010 wie Aussichtsplattformen und Kunst im Stadtbild. Die Fahrt mit dem Segway geht dabei leicht von der Hand. Während die ersten Meter vor jeder Bewegung noch ein bewusstes Überlegen erfordern, hat man das Gerät bald so intuitiv im Griff, dass man die Natur und die Stadt erleben kann. Als Sport gilt die Tour nicht, denn jegliche Anstrengung wird von Motoren übernommen. Ganz anders ist es bei einer Kajak-Tour mit Rainer Bachmaier. Der Rosenheimer hat seinen Standort am Chiemsee. Je nach Jahreszeit wird man mit einer Schwimmweste oder mit einem Ganzkörperanzug ausgestattet. Dann geht es nach einer kurzen Einweisung vom flachen Ufer ins Boot. Gemütlich paddelt Rainer Bachmeier voran. Als Ziel hat er die Insel Herrenchiemsee ausgewählt. Diese wurde einst durch König Ludwig II. vor dem Abholzen gerettet. Später baute der Monarch auf der Insel sein letztes Prunkschloss. Rainer Bachmeier gibt Tipps zum Paddeln und kennt sich aus in der Region. Im kristallklaren Wasser sind einzelne Fische zu sehen, während sich im Hintergrund das Panorama der Alpen abzeichnet. Wer mag, kann sich einfach ein Stück weit treiben lassen, denn Entspannung und Aktivsein müssen keine Gegensätze sein.

Bürgerreporter:in:

Christian Kolb aus Essen

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