Frau randalierte wegen 50 €

Die aktuellen Ereignisse lassen mich ziemlich erschrecken. Da wird doch tatsächlich ein Mensch erschossen, der verzweifelt genug war, bei den Sachbearbeitern der Jobagentur zu „randalieren“. Wie man zudem noch hört wegen 50 € die dieser Mensch an Bargeld benötigte. Dies lässt mich zu dem Schluss kommen, dass sich scheinbar in den vergangenen Jahren nichts geändert hat.

Das alles erinnert mich wieder an längst vergessen geglaubte Erlebnisse. Denn es gab auch in meinem Leben in den vergangenen Jahren Zeiten in denen ich u.a. auch bei der Jobbörse am Liebsten randaliert hätte und meine Phantasie reichte damals auch noch weiter. Wie gut für meine drei Kinder und mich, dass es dabei blieb und ich auf hilfsbereite Menschen traf.

Auf die jahrelange Vorgeschichte möchte ich hierbei gar nicht eingehen. Ich beginne mit meinen Erlebnissen einfach mal zu dem Zeitpunkt, als ich nach langer Krankheit eine Umschulung gemacht hatte. Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser Maßnahme erhielt ich noch eine medizinische Reha und wollte anschließend beruflich neu durchstarten.

Wie besprochen ging ich am Tag nach meiner Heimkehr mit meiner Abschlussbescheinigung der Reha-Klinik zur Arbeitsagentur. In dem sicheren Gefühl an diesem Tag alle nötigen Schritte zu erledigen bald Geld zu erhalten.

Die Rentenversicherung hatte bis dahin nur bis zum Ende der Umschulung (dem Tag der bestandenen Prüfung) bezahlt. Der Betrag für die vergangenen sechs Wochen der Reha musste noch berechnet und überwiesen werden. Wer jemals mit der Rentenversicherung zu tun hatte weiß, dass das dauern kann.

Inzwischen war zu Hause mein Kühlschrank leer, die Miete und sonstige Rechnungen nicht bezahlt. Wovon auch.

Bei der Arbeitsagentur geriet ich an eine Sachbearbeiterin mittleren Alters, die mir erst einmal machtvoll zu verstehen gab, dass das Datum in meinen Unterlagen nicht stimmen würde ich alle Papiere neu ausfüllen und zusammen bringen müsse.

Wohlgemerkt hatte ihr Kollege im Antrag meinen Prüfungstermin als Anfangsdatum und nicht das Ende meiner Reha, vermerkt.

Mir zog diese Aussage erst einmal die Füße weg. Ich holte tief Luft und unter Tränen versuchte ich mich zu wehren und sagte ihr, dass das wohl ein Irrtum sein müsse. Nach einigem unfreundlichen Hin und Her Ihrerseits, durfte ich bei einem ihrer Kollegen vorsprechen. Dieser erkannte auch dass alle Papiere vorlagen und alles seine Richtigkeit hatte.

Ich schilderte meine finanzielle Situation und fragte „mutig“ nach einem Vorschuss auf das bevorstehende Arbeitslosengeld um größere Not abzuwenden. Man teilte mir mit nicht zuständig zu sein.

Immerhin bemühte sich der Sachbearbeiter herauszufinden, wer denn zuständig sein könnte und man schickte mich zum Sozialamt. Zum Schluss gab mir der Angestellte der Agentur noch sechs Bewerberadressen mit, die ich auch am gleichen Tag bearbeitete.

Auf dem Sozialamt musste ich mir allerdings dann wieder einmal sagen lassen, meine Situation sei zwar schwer, man könne mir aber mangels Zuständigkeit nicht helfen.
So langsam fühlte ich endgültig wieder entnervt und kraftlos. Mein stetes Bemühen, meine Tränen zurück zu halten scheiterte kläglich. Ich gab zu verstehen, dass meine Kinder und ich seit dem Vorabend nichts zu essen gehabt hätten und hungrig wären. Die Antwort des Sachbearbeiters machte mich atemlos: „ Das ist nicht unser Problem“! Nach weiteren endlosen Diskussionen erhielt ich einen Vorschussscheck von 114 €. welcher mir bei der ersten Zahlung 14 Tage später sofort und in voller Höhe von der Zahlung der Rentenversicherung abgezogen wurde.

Wer schon mal Arbeitslosengeld erhalten hat weiß, dass es Rückwirkend bezahlt wird. Daher handelte es sich um einen sehr geringen Betrag für vierzehn Tage. Die Rentenversicherung zahlte die Restzahlung wenige Tage später, aber es waren inzwischen so viele Rechnungen aufgelaufen, dass alles nur ein „Tropfen auf dem heißen Stein“ war. Es blieb eigentlich nichts zum Leben übrig.

Meine Kinder und ich stellten Antrag auf ergänzende Hilfe. So einfach ist das aber gar nicht. Man rechnete uns Gelder als Einkommen an, die man laut Gesetz haben müsste, aber welche in der Realität nicht gezahlt wurden. Zum Beispiel Kindergeld für meinen ältesten, Sohn, welcher noch unter 25 Jahre war, aber noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hatte. Demnach stand uns also angeblich keine ergänzende Hilfe zu.

Irgendein netter Mensch, ich weiß gar nicht mehr wer es war, schickte mich zum Verein „Frauen helfen Frauen“. Dort fand ich ganz liebe Unterstützung von sehr hilfsbereiten Menschen. Als erstes gab es einen Gutschein für die Tafel. Ich bekam endlich wieder Lebensmittel. Aber auch sehr hilfreiche Tipps, wie ich mein Leben weiter organisieren könnte, gab es dort. Unter anderem machte mein Vermieter mir großen Druck, weil ich eine Monatsmiete schuldig war. Er wohnte mit im Haus und bedrängte mich beinahe täglich mit irgendwelchen neuen Forderungen. Als wenn ich nicht so schon genug zu regeln hatte, musste ich nun auch noch auf Wohnungssuche.

Ich fand auch sehr schnell eine Wohnung. Zwei Zimmer, Küche, Bad, sehr schön in der Altstadt gelegen. Ich besprach alles mit meinen Söhnen. Denn das hieß, sie mussten sich eine eigene Wohnung suchen. Aber so schwer, wie das im ersten Augenblick schien, war das glücklicher Weise gar nicht. Sie fanden recht schnell Wohnungen und in der Folgezeit regelten sich auch deren finanziellen Angelegenheiten. Auch meine Söhne fanden private Unterstützung von hilfreichen Menschen. Und siehe da, bei meinem ältesten Sohn konnte die Kindergeldangelegenheit geklärt werden, somit bekam auch er sein Geld was ihm zustand. Hätte das nicht alles früher geschehen können? Ich hätte doch unsere Wohnung halten können. Aber wie auch immer – im Nachhinein betrachtet – kann ich nur feststellen, dass es für alle Beteiligten gut war, das „Hotel Mama“ zu schließen. Auch ist unser Miteinander viel entspannter geworden. Es ist schön zu sehen, dass meine Söhne erwachsen geworden sind.

Nun zog ich also um und eine neue Agentur – ein neuer Sachbearbeiter – war für mich zuständig. Nach nur wenigen Tagen bekam ich meine erste Einladung von meinem neuen Sachbearbeiter. Ich freute mich, vor allem weil ich die Hoffnung hatte, endlich Arbeit vermittelt zu bekommen. Aber weit gefehlt. Ich durfte eine Vereinbarung unterschreiben, wonach ich mich verpflichtete mindestens fünf Bewerbungen pro Monat zu schreiben und durfte ein so genanntes Bewerbertraining besuchen. Nebenbei bemerkt: „ Ich hatte seit einem halben Jahr gut 100 Bewerbungen geschrieben. Für Bewerbungsbemühungen bekam ich immerhin zwei Blätter mit Adressen von Zeitarbeitsfirmen.

Es mutet schon eher paradox an, wenn man darüber nachdenkt, dass die Agentur für Arbeit den Arbeitsvermittlungsagenturen Geld dafür bezahlt, wenn Sie die über die Agentur für Arbeit zu vermittelnden Arbeitssuchenden vermitteln........

Wenn ich mir alle diese Erlebniss noch einmal in Erinnerung rufe, kann ich nur zu gut verstehen, dass Menschen in solchen Situationen die Nerven verlieren und sich auch schon mal im Ton vergreifen. Vielleicht sollten wir die Situationen und den Umgang miteinander bei solchen Institutionen positiv verändern, dann braucht niemand mehr zu randalieren.

Bürgerreporter:in:

Cornelia Reuter aus Burgwald

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