Ein Konflikt, der keiner sein muss

Gefährliche Selbstjustiz | Foto: Foto: Dinse
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Vor den Toren der Landshauptstadt Hannover mit ihren mehr als 500.000 Einwohnern gelegen, über zahlreiche Verkehrswege an das Umland angebunden, ist der Deister begehrtes Ziel Erholungssuchender aller Couleur.

Zwischen Bad Nenndorf und Springe begegnen sich dort Wanderer, Tierfreunde, Familien die den Wochenendspaziergang nutzen wollen um ihren Kindern das Erlebnis Natur nahe zu bringen, Mountainbiker, Jogger, Nordic Walker, Jäger und nicht zuletzt diejenigen, die ihren Lebensunterhalt mit der Bewirtschaftung der Wälder verdienen.

Trotz der imposanten Erscheinung und der auf den ersten Blick beeindruckenden Ausdehnung schrumpft der Deister bei näherer Betrachtung zu einem Hügel, auf dem man sich bei der Wahrnehmung der eigenen Interessen beinahe zwangsläufig über den Weg läuft und leider hin und wieder gar auf die Füße tritt.

Nun mag man der Meinung sein, dass sei in Anbetracht der Zahl der Menschen, die hier in der Umgebung leben ein ganz natürliches Phänomen und mit ein wenig Toleranz, gegenseitiger Rücksichtnahme und dem Einsatz einer angemessenen Portion gesunden Menschenverstandes, dürfte das friedliche Zusammentreffen all dieser verschiedenen Gruppen eigentlich kein Problem sein. Bis in die jüngste Vergangenheit hätte man mit dieser Ansicht auch durchaus Recht gehabt. Seit einigen Monaten scheint diese Absicht der friedlichen Koexistenz jedoch aufgekündigt zu sein.

Wer in den letzten Monaten die lokale Presse aufmerksam verfolgt hat, muss den Eindruck gewinnen, der Deister werde plötzlich und aus heiterem Himmel von Horden vandalisierender, rücksichtsloser, naturverachtender Adrenalinjunkies überrannt, die es sich zum Ziel gemacht haben, auf ihren martialischen Geländefahrrädern alles was sich ihnen an Mensch, Tier und Pflanze in den Weg stellt, gnadenlos niederzubügeln in dem wahnwitzigen Bemühen, sich den ultimativen Kick zu verschaffen.

Teilweise seit Jahren beziehungsweise Jahrzehnten bestehende Pfade, die von den Bikern gern genutzt werden, weil sie tatsächlich fahrtechnisch eine gewisse Herausforderung bieten und weil sie (zum überwiegenden Teil nur wenige Meter) abseits der stark frequentierten Wanderwege liegen und so helfen, unschöne oder gar gefährliche Begegnungen zu vermeiden, werden plötzlich mit Hilfe schweren Gerätes und unter Einsatz nicht unerheblicher finanzieller Mittel in apokalyptisch anmutende Schlammwüsten verwandelt, die sich die Natur mühsam zurück erobern muss. Gesunde, ökologisch wie ökonomisch wertvolle Bäume werden gefällt und verbleiben im Wald um diese Pfade (übrigens auch für Wanderer) unpassierbar zu machen. Aktuell ermittelt in Springe gar die Polizei, weil - verzeihen sie die Ausdrucksweise - völlig verwirrte selbsternannte "Waldsherriffs" Nagelbretter im Laub vergraben und andere Fallen bauen, die mir persönlich bisher nur aus einschlägigen Hollywoodstreifen bekannt waren. Das Ganze wird begleitet, durch eine mit dem Begriff "einseitig" noch sehr wohlwollend benannte Pressekampagne mit den schon oben beschriebenen Inhalten.

Um es auf den Punkt zu bringen: Die Mountainbiker der Region, zu denen sich auch der Verfasser zählt, stehen in fassungslosem Erstaunen da und fragen sich, aus welcher Himmelsrichtung dieses Gewitter so plötzlich über sie hereinbricht!

Seit etwa 20 Jahren hat dieser Sport unter Anderem im Deister eine Heimat. Viele von ihnen werden seit Jahren immer wieder dem einen oder anderen dieser - zugegebener Maßen - seltsam anmutenden "Verrückten" begegnet sein. Ich selbst betreibe diesen Sport seit seinem Erscheinen in Europa, habe auf tausenden Kilometern, die ich in allen möglichen Gegenden dieser Welt die Wälder durchstreift habe noch niemals (und das bitte ich, wörtlich zu nehmen) einen wie auch immer gearteten Konflikt mit einem der vielen, vielen Menschen erlebt, die ich dabei getroffen habe.

Ich schreibe diesen Artikel, um ihnen die Gelegenheit zu geben, auch einen anderen Blickwinkel einnehmen zu können, als den, der momentan durch den Blätterwald rauscht.

Vor dem Hintergrund der Ereignisse hat sich in den letzten Monaten eine Interessengemeinschaft mit dem Namen Deisterfreun.de gebildet. Diese Interessengemeinschaft besteht in ihrem Kern aus etwa 50 Mountainbikern aus der näheren und weiteren Umgebung des Deisters. Organisiert über das Internet, besteht ein loser Kontakt zu mehr als hundert weiteren Bikern. Die Deisterfreun.de verstehen sich als Gemeinschaft, bei der der Name Programm ist. Neben unserem gemeinsamen Hobby, dem Biken verbindet uns vor allem eine Liebe zur Natur im Allgemeinen und zu "unserem" Berg, dem Deister im ganz Speziellen. Die Gruppe besteht aus Menschen jeder Altersgruppe und aus nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen. Neben dem 16 jährigen Schüler, dem Familienvater, der als Polizeibeamter sein Geld verdient, der Studentin und dem Anwalt, finden auch ältere Herrschaften wie unter anderem der Autor dieses Artikels dort den Platz, sich für seinen Sport und das Erleben von Natur und Umwelt zu engagieren.

Wenn sie selbst durch den Deister streifen, erkennen sie die Deisterfreun.de an ihren leuchtend grün-weißen Shirts mit der Aufschrift deisterfreun.de. Scheuen sie sich nicht, einen solchen Menschen einmal anzusprechen und ihn ausgiebig nach seinem Tun zu befragen. Ich würde allerhand darauf verwetten, dass sie einen freundlichen Menschen kennen lernen, der ihnen mit Respekt begegnet.

Also dann: Bis bald im Wald !

Gefährliche Selbstjustiz | Foto: Foto: Dinse
Deisterfreun.de | Foto: Foto: Dinse
Bürgerreporter:in:

Axel Werner aus Wennigsen

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