myheimat.de setzt auf dieser Seite ggf. Cookies, um Ihren Besuch noch angenehmer zu gestalten. Mit der Nutzung der AMP-Seite stimmen Sie der Verwendung von notwendigen und funktionalen Cookies gemäß unserer Richtlinie zu. Sie befinden sich auf einer sogenannten AMP-Seite von myheimat.de, die für Mobilgeräte optimiert ist und möglicherweise nicht von unseren Servern, sondern direkt aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern, wie z.B. Google ausgeliefert wird. Bei Aufrufen aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern haben wir keinen Einfluss auf die Datenverarbeitung durch diese.

Weitere Informationen

AWO Helsen: Gesundheitswesen wird entsolidarisiert

In seiner ersten Vorstandssitzung im Jahr 2011 hat die AWO Helsen folgende Stellungnahme erarbeitet:

AWO Helsen: Gesundheitswesen wird entsolidarisiert

Für die meisten Arbeitnehmer gilt im Jahr 2011: Weniger Netto vom Brutto. Mit dem Start der Gesundheitsreform am 01. Januar kommen Verteuerungen und weitere Änderungen auf die rund 70 Millionen gesetzlich Versicherten zu. Mit den Stimmen der Koalition hat der Bundestag die schwarz-gelbe Gesundheitsreform beschlossen. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen. Die Reform ist der Ausstieg aus der solidarischen Krankenversicherung, die über Jahrzehnte eine Grundlage für Wohlstand und sozialen frieden in Deutschland war.

Der Beitragssatz steigt von 14,9 auf 15,5 Prozent. Arbeitgeber zahlen nun 7,3%, Arbeitnehmer 8,2%. Diese Erhöhung geht vor allem zu Lasten der Arbeitnehmer und Rentner und lässt die Arbeitgeber bei der Finanzierung der steigenden Gesundheitskosten aussen vor. In Zukunft werden die Arbeitgeber komplett aus der Mitverantwortung für alle weiteren Kostensteigerungen entlassen. Die Versicherten müssen für alle weiteren Kostensteigerungen alleine aufkommen. Die AWO lehnt die einseitige Festschreibung des Arbeitgeberanteils in der gesetzlichen Krankenversicherung entschieden ab. Die verstärkte Belastung der Versicherten wird sich kaufkraftschwächend und damit wachstumshemmend auswirken.

Künftige Mehrkosten für Ärzte, Kliniken und Arzneimittel müssen die Krankenkassenmitglieder über Zusatzbeiträge bezahlen. Die geltende Ein-Prozent-Obergrenze für diese von Kasse zu Kasse unterschiedlichen pauschalen entfällt. Unabhängig vom Einkommen muss jedes Mitglied einer Kasse den verlangten Betrag in gleicher Höhe überweisen. Das solidarische Grundprinzip, wonach starke Schultern mehr tragen als schwache, wird ausgehebelt. Arme und Reiche sollen künftig denselben Zusatzbeitrag bezahlen. Einkommensunabhängige Zusatzbeiträge führen dazu, dass Geringverdienende im Vergleich zu Besserverdienenden überproportional stark belastet werden. Aktuelle Berechnungen zeigen, dass jährliche beitragspflichtige Einnahmen in der GKV um zwei Prozent steigen und die Ausgaben um 4% weiterhin überproportional wachsen. Wenn man dieses Szenario bis zum Jahr 2020 fortschreibe, dann erreicht der Zusatzbeitrag für Arbeitnehmer monatlich etwa 75 €.

Übersteigt der durchschnittlich von allen Kassen gebrauchte Zusatzbeitrag zwei Prozent des Einkommens eines Kassenmitglieds, erhält es die Differenz als Senkung des normalen Kassenbeitrags zurück. Der Ausgleich wird aus Steuermitteln bezahlt. Dieser Sozialausgleich wird nicht annähernd die tatsächlichen Mehrbelastungen der Menschen decken, weil er an Durchschnitts- und nicht an tatsächlichen Belastungen ausgerichtet ist. Stattdessen verursacht er unnütze Bürokratie für Krankenkassen und Arbeitgeber.

Wer sich als Gesetzlicher-Krankenversicherungs-Versicherter beim Arzt behandeln lässt, kann dies auf Rechnung tun und diese dann zur Erstattung bei der Krankenkasse einreichen. Verbraucherschützer warnen aber, dass Patienten bei dieser Abrechnungsmethode durchaus auf Kosten sitzen bleiben können, weil die Kasse nur einen Teilbetrag erstattet (der Arzt rechnet nach privatärztlichen Gebührenordnung ab!). Eine Vorkasse beim Arzt ist kein geeignetes Mittel um Kosten transparent zu machen, sondern bedeutet nur eine zusätzliche finanzielle Belastung. Mit der Einführung der Vorkasseregelung wird das Gesundheitssystem zu einem Drei-Klassen-System umgebaut. In Zukunft droht, dass nur noch Privat- und Vorkassepatienten rechtzeitig Termine bekommen. Auszuschliessen ist nicht, dass diejenigen eher ein Termin bekommen, die in Vorkasse gehen – genau wie Privatpatienten. Menschen mit kleinen Einkommen, die sich keine Vorkasse leisten können, haben das Nachsehen.

Führt der Arzt unnötige Behandlungen durch oder berechnet er mehr als den üblichen Satz, bleibt der Patient in Zukunft auf den Kosten sitzen. Die Ärzte können Leistungen anbieten, die die Krankenkassen nicht zahlen. Auf diesen Kosten bleiben die Versicherten ebenso sitzen, wie auf überhöhten Honorarabrechnungen.

Wer als Gesetzlicher-Krankenversicherungs-Versicherter ein teureres Medikament wünscht, kann das bekommen; muss aber die Mehrkosten selbst zahlen.

Diese Reform hat eine eindeutige soziale Schieflage zu lasten der kleinen und mittleren Einkommen. Keine der drängenden Zukunftsfragen wird gelöst. Das Schaffen von mehr Bürokratie, die Aufkündigung der Solidarität sind keine Problemlösungen.

Bei möglichen Reformoptionen findet der Gedanke, alle Bevölkerungsgruppen in ein solidarisches Finanzierungssystem der Krankenversicherung einzubeziehen, unseren Rückhalt. Wir finden unsere Gerechtigkeitsvorstellung in einer Bürgerversicherung wieder, die von Vermögenden zu Geringverdienern umverteilt und die alle Personenkreise einbezieht, also auch Beamte, Selbstständige und Besserverdiener, die heute privat versichert sind.

Die Koppelung der Versicherungspflicht an das Kriterium abhängige Beschäftigung ist nicht mehr zeitgemäss. Wir brauchen soziale Sicherungssysteme, die unabhängig vom Erwerbsstatus sind. Wir brauchen eine Finanzierung, die alle Einkommen mit einbezieht – nicht nur Löhne, Gehälter und Renten. Nur die Bürgerversicherung, die alle Einkommensarten zur gerechten Finanzierung einbezieht, ist sozial ausgewogen und solidarisch.

Wir haben Pharmapreise, die etwa 50 bis 100% höher sind als im europäischen Durchschnitt. Auch da müssen wir ran. Die facto können die Pharmaunternehmen weiterhin ihre Preise selbst bestimmen – zu Lasten der Versicherten.

Weitere Beiträge zu den Themen

AWO HelsenGesundheitsreform

1 Kommentar

> "Die Opposition stimmte geschlossen dagegen"

Aber auch nur in der Opposition... :(

Beteiligen Sie sich!

Um zu kommentieren, öffnen Sie den Artikel auf unserer Webseite.

Zur Webseite