Ausgrenzung und Armut- der Paritätische hakt nach

Die Kreisgruppe Marburg-Biedenkopf des Paritätischen Hessen hatte im Vorfeld der
Kommunalwahlen am 14.03.2021 auf Hofgut Fleckenbühl Spitzenkandidat*innen aus Stadt und Landkreis eingeladen, um mit ihnen in Austausch zu drei Schwerpunktthemen zu gehen. Unter der inhaltlichen Klammer Ausgrenzung und Armut ging es um sozialverträgliches Wohnen, Arbeit und Beschäftigung, sowie Jugendhilfe. Die Regionalgeschäftsführerin des Paritätischen, Claudia Klee, führte durch die hybride Veranstaltung am Donnerstagabend.
Drei Themen an drei Tischen, an denen verteilt die zur Wahl stehenden Kandidat*innen und
Vertreter*innen der regionalen sozialen Landschaft Platz genommen haben.
Bereits die Vorstellungsrunde war mit der Frage verknüpft, welches zentrale sozialpolitische
Thema die jeweiligen Politiker*innen in der nächsten Legislaturperiode als wesentlich
betrachten. Die Kandidat*innen waren sich bei den Schwerpunktthemen ziemlich einig: mehr
bezahlbarer Wohnraum, mehr Räume für Jugendliche und keinesfalls Kürzungen in der
Finanzierung der sozialen Arbeit nach Corona.

Wolfgang Urban, NTB e.V., führte in das Thema Wohnen ein und beschrieb die Notwendigkeit Wohnen mit Aspekten des Sozialen zu verknüpfen. Besonders eine Durchmischung von Jung und Alt, von verschiedenen Einkommensgruppen, von Menschen mit und ohne Behinderung etc. sind zu erhalten oder zu ermöglichen. Strukturen und Orte, die soziale Begegnung in und um die Gebäude fördern haben von Anfang an Eingang in die Planung. Dazu ist jeweilQuartiersmanagement in allen Stadtteilen aber auch in den Städten und Gemeinden im Landkreis zu schaffen.

Als Vertreter für NTB e.V. und die DMSG Hessen e.V. verwies Bernd Gökeler darauf, dass in erheblichem Umfang bezahlbarer Wohnraum entstehen muss. Dabei wirkt auch die 2. Miete, die stetig steigenden Nebenkosten, seit Jahren preistreibend. Wohnungen und Wohnumfeld müssen gerade in Anbetracht einer alternden Gesellschaft barrierefrei gestaltet sein. Das Konzept des universellen Bauens, dessen Ursprung bereits auf das Bauhaus zurückgeht, bietet dazu bei Neu- und Altbau kreative Möglichkeiten. Wohnungen dürfen nur gepaart mit der Entwicklung der notwendigen barrierefreien bzw. universellen Infrastruktur gesehen werden.

Antworten sah Jan Schaulauske, die Linke, darin, u.a. die Sozialquote bei Bauvorhaben zu erhöhen. Marian Zachow, CDU, formulierte die Idee, dass ggf. Behörden aufs Land ziehen könnten um begehrte Flächen in der Innenstadt frei zu machen, denn nach Dirk Bamberger, CDU, ist eine weitere Verdichtung der Bebauung nicht mehr möglich. Eine größere Rolle soll nach Nadine Bernshausen, Grüne, die GeWoBau bei der Frage spielen.

Als Verlierer der Pandemie sieht Andrea Suntheim-Pichler, Bürger für Marburg, die Frauen „Corona ist weiblich“.

Maria Flohrschütz, JUKO, sieht vorrangig die Jugend als Verlierer der Pandemie. Es findet so gut wie keine Berufsvorbereitung mehr statt und der Lehrstellenmarkt droht zusammen zu brechen. Alle Kandidat*innen waren sich einig, dass noch mehr Unterstützung notwendig ist.

Während Andrea Suntheim-Pichler auf die Möglichkeit zur Überbrückung im Rahmen des
freiwilligen sozialen Jahres aufmerksam machte, forderte Sandra Laaz, Grüne, das Projekt „Ausbildung statt Sozialhilfe“ wieder zu reaktivieren.

Den gesonderten Blick auf den Arbeitsmarkt warf Rainer Dolle, Verein für Bildung und
Beratung. Daraufhin benannte Dr. Thomas Spies, SPD, das Stadtgeld als bestes
Arbeitsplatzerhaltungsprojekt. In Anbetracht der steigenden Zahlen von Langzeitarbeitslosen ist ein geförderter Arbeitsmarkt zu entwickelnd, so Anna Hofmann, die Linke.

Einen Einblick in die breit gefächerte Gemeinwesenarbeit gaben Karin Ackermann Feulner und Mirco Niebuhr, BSF. Kinder und Jugendliche sind demnach nicht nur beschränkt im Bereich Schule und Ausbildung zu betrachten. Immer öfter entsteht der Eindruck, dass Jugendliche als Störfaktoren im öffentlichen Raum wahrgenommen werden. Parteiübergreifend wurde zugesichert, Jugendlichen Raum zur Entfaltung schaffen zu wollen. Die Bedeutung der Gemeinwesenarbeit wird von allen anerkannt und Linke und Grüne wollen diesen Bereich ausdrücklich noch mehr unterstützen.

Tenor aller Kandidat*innen ist der Wunsch, auch mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip, in
engem Austausch mit den Trägern der sozialen Hilfe in Stadt und Landkreis jeweils zu
tragfähigen Problemlösungen im Bereich Soziales zu kommen. Dr. Thomas Spies betont dabei die Bedeutung der Entwicklung der kooperativen Sozialplanung. Die kann allerdings, aus Sicht der Träger, nur unter enger Einbeziehung des Landkreises erfolgen. Bei der kooperativen Sozialplanung nicht vergessen werden dürfen dabei die, die unter freiwillige Leistungen fallen, so wie die Selbsthilfe und Selbstvertretung. Deren finanzielle Basis ist in Zeiten von Corona durch den Wegfall von Spenden hoch gefährdet und sie sind mangels eigener Rechtsform oft von weiteren Förderungen ausgeschlossen.
Der jährliche Armutsbericht des Paritätischen Hessen weist wiederholt eine Zunahme der
Menschen in Armut in Marburg-Biedenkopf aus. Der Landkreis liegt seit einigen Jahren deutlich über dem hessischen Durchschnitt. Corona wird nach Ansicht der Vertreter*innen des Paritätischen diesen negativen Trend noch verstärken, ein Aufruf an die Politik, die Bekämpfung von Ausgrenzungen und Armut zentral in ihr politisches Handeln zu stellen.

Pressemitteilung
Veranstaltung der Kreisgruppe Marburg-Biedenkopf zum Kommunalwahlkampf am 04.03.21 auf Hofgut Fleckenfühl in Cölbe von 17.00 bis 19.00 Uhr
von Bernd Gökeler

Bürgerreporter:in:

CHRISTINE Stapf aus Amöneburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

29 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.