Siegertexte im Schreibwettbewerb: Deutschland im Jahre 2050 (von Jana Weber)

Beim Schreibwettbewerb des Kunstkreises Laatzen zusammen mit dem Calenberger Autorenkreis hat Jana Weber (13) aus Hagenburg mit diesem Text in der Altersklasse "Klasse 5 bis 8" den dritten Preis gewonnen:

Deutschland im Jahre 2050

Seit jeher versuchen die Menschen, ihre schönsten Momente festzuhalten. Sei es durch Kunstwerke wie Bildhauerei und Gemälde, Filme oder Fotos. Jeder hat dabei seine eigenen Vorlieben und Stärken, so wie ich. Doch ich bin alt und krank und werde vermutlich bald nicht mehr sein. Deshalb wird dies auch eine der letzen Eintragungen in diesem Buch.

Dieses Buch, das mich die ganzen 80 Jahre meines Lebens begleitet hat. Abends setze ich mich in meinen Sessel, neben dem noch immer die alte Stehlampe aus meiner Kindheit steht, und blättere ein bisschen in meinen Erinnerungen herum. Das gelbe Licht der Lampe spiegelt sich dann in den Schutzfolien, die die zahlreichen alten Fotos meiner Vergangenheit, welche in diesem Buch und mehreren Alben aufgeklebt sind, vor jeg- lichem Schaden bewahren. Schweigend betrachte ich dann die Bilder. Sie zeigen unzählige Geburtstage, Feiern und Feste wie Weihnachten oder Silvester und Hochzeiten. Das Bild von der Hochzeit meiner Eltern mag ich besonders. Die Art, wie mein Vater meine Mutter so zärtlich und sicher in seinen Armen hält – meine Mutter muss sich in diesem Moment sehr geborgen gefühlt haben! Auf diesem Foto jedenfalls sieht sie immer aus wie ein Engel. Ihre langen, gelockten, schwarzen Haare umspielen ihr hübsches Gesicht und ihr reines, weißes Kleid bringt ihren schlanken Körper und vor allem ihre Taille besonders gut zur Geltung. Für meinen Vater war sie schon immer eine wunder- schöne und liebenswürdige Frau gewesen. Er selbst hatte sie sehr oft und gern gezeichnet. Er hatte wirklich ein unglaubliches Talent, was Stift und Papier anging. Und es war seine Art, seine Erinnerungen und Träume festzuhalten.

Ich hatte außerdem noch eine jüngere Schwester. Sie war klein und zierlich, eher ruhigen Wesens, mochte Pink und alles, was süß aussah. Ich hatte sie sehr gern. Doch leider starb sie, als sie sechs war, an einer schweren Lun¬genentzündung. Damals waren die Ärzte noch nicht immer in der Lage, solch schwere Krankheiten zu heilen. Heute ist das alles ganz anders. Es gibt mehr Krankenhäuser und besser ausgebildete Ärzte und Kranken- hauspersonal. Das Foto meiner kleinen Schwester lässt mich jedes Mal wieder traurig werden.

Dann schweift mein Blick meistens weiter und bleibt an dem Bild meiner Einschulung hängen. Meine Einschulung – einer der schönsten Tage meines Lebens. Wir hatten zu der Zeit nicht besonders viel Geld, mussten sparen und auf so manches verzichten. Heutzutage, wenn ich es dann schaffe einkaufen zu gehen, sehe ich häufig Kinder, die am Rock ihrer Mutter zerren und diese dann zu jedem zweiten Spielzeug, das in ihr Blick- feld huscht, ziehen. Oft heißt es dann: „Oh Schatz, ich habe dir doch gerade eben erst Kekse gekauft!“ „Aber Mami, ich will das unbedingt haben! Bitte!“ Die Geschichte endet dann meist damit, dass entweder die Mutter schwach wird, seufzt und dem Kind das Spielzeug kauft, oder dass sie Nein sagt und das Kind anfängt zu weinen. Ich frage mich dann immer: „Ist das tatsäch- lich notwendig? Muss man alles haben, was man sieht? Braucht man es wirklich? Oder kauft man es nur, weil andere es auch schon haben und man ihnen nicht nachstehen will?“ Meine Schwester und ich waren schon zufrieden, wenn unsere Eltern uns eine Tafel Schokolade oder ein schönes, neues Buch mitbrachten. Ja, ich liebe Bücher wirklich sehr! Vor allem Krimis lese ich gerne. In meiner Jugend habe ich aber auch Bücher wie „Die Schatzinsel“, „20.000 Meilen unter dem Meer“ oder „Robinson Crusoe“ verschlungen. Ich finde es ganz fantastisch, wie man genau neben der handelnden Person steht, während diese die spannendsten Abenteuer erlebt, oder wie man sich selbst beim Lesen in einen Abenteurer verwandelt.

Verzeiht, wenn das Folgende unhöflich erscheint, aber kennt die Jugend von heute dieses Gefühl überhaupt noch? Weiß sie noch genau, was Bücher sind? Sicher gibt es noch einige Leute, die so denken wie ich und für die Bücher wertvoll sind. Dennoch ist die Technologie nicht aufzuhalten. Schade, denn sonst würden die Jugendlichen heute vielleicht den Wert der Bücher zu schätzen wissen.

Kaum entstand der erste Gameboy, folgten der Nintendo DS, die Wii und Unmengen von Computerspielen. Kurz nach dem drei- dimensionalen Nintendo gab es auch noch eine Wii mit einem dreidimensionalen System. Die Computerspiele haben sich offenbar am meisten entwickelt, da es nun schon einige Hologramm-Spiele gibt, die angeblich sehr realitätsnah sein sollen. Mittlerweile besitzen einige Jugendliche sogar schon Hologramm-Handys. Mit denen können sie ihren Gesprächspartner als Miniatur vor sich erscheinen lassen. Ich frage mich, wie so etwas funktioniert.

Während des Unterrichtes werden auch nur noch Computer verwendet, man findet kaum noch Bücher in den Klassenräumen. Schon seltsam. An meinem Einschulungstag hatte ich mich unendlich über meine ersten Schulbücher gefreut. Ich war glück- lich, endlich in die Schule gehen zu dürfen, was heute ja leider nur noch als lästig bezeichnet wird.

Erst neulich laß ich in irgendeiner Zeitung wieder von einem angeblich genialen Fortschritt. Dort stand in Großbuchstaben: „PLASTIKPFLANZEN FÜR DRINNEN UND DRAUSSEN! KEINE PFLEGE UND KEIN NACHKAUFEN MEHR NÖTIG. SPAREN SIE GELD UND ERFREUEN SIE SICH AN IHREM IMMER GRÜNEN ZUHAUSE OHNE GROSSEN AUFWAND!“
Das ist ja wohl die Höhe!

Mir war noch nie zuvor untergekommen, dass es ein großer Aufwand sein soll, seine Pflanzen zu pflegen. Als wir noch Kinder waren, waren wir bei schönem, warmen Wetter fast jeden Tag draußen im Garten und haben die Sträucher, Blumen, Büsche und Bäume mit dem Gartenschlauch gegossen. An-schließend wurden Gießkannen gefüllt und die Pflanzen im Haus versorgt. Für uns war das nicht viel Arbeit, sondern eher Spaß.

Und wenn die Zeit reif war, hatte meine Mutter aus den Äpfeln unseres Apfelbaumes Mus, Saft, Marmelade, Kuchen oder ihren legendären Apfelstrudel gemacht. Wir ertränkten ihn immer förm- lich in Vanillesoße. Vor allem warm wurde er zu einem Geschmackserlebnis, auf das wir jedes Mal heißhungrig vor dem Ofen warteten.

Kein Vergleich zum Original-Apfelstrudel-Geschmack aus der Tube. Und sowas nennt sich Fortschritt.

Wenn ich alles so zusammenfasse, hatte ich eine wunderbare Kindheit und ich erinnere mich immer gern daran. Ich glaube, dass die Kinder von heute auch ein schönes Leben führen, nur halt auf ihre moderne Weise.

Diesen Eintrag in mein Tagebuch würde ich gern mit den folgenden drei Sätzen abschließen: Definitiv ist das Deutschland im Jahre 2050 ganz anders als vor 80 Jahren. Dennoch werden wir Menschen nie aufhören, unsere Erinnerungen festzuhalten, uns weiter zu entwickeln und Neues zu lernen. Aber egal, wie wir all dies auch machen werden, es wird offenbar nie mehr so sein wie es einmal war.

Bürgerreporter:in:

Robin Jantos aus Hannover-Mitte

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