Bronxmusic - american stories - des Offenbacher Autors Uwe Kampmann

Der Autor am Schreibtisch

"Kampmann schreibt Geschichten in bester amerikanischer Shortstorymanier, pointiert wie O´Henry und überraschend wie Roald Dahl" so in einem Kommentar des Bayerischen Rundfunk.

"Besser als Charles Bukowski" schrieb das hessische Literaturbüro Frankfurt a.M.

In der FAZ war zu lesen: "Kurze harte Sätze wie Schläge ins Gesicht. Geschichten die an Hemingway erinnern."

Exposé:

Roter Faden ist die Reise eines jungen Mannes durch die USA, der auf einer Party leichtfertig äußert: "Ich bin Schriftsteller und schreibe ein Buch über New York." Niemand weiß, daß er außer Schulaufsätze und Postkarten bisher noch nichts geschrieben hat. Man beginnt sich um ihn zu reißen. Jeder will ein Teil in seiner Geschichte werden und so beginnt er zu schreiben.

Von New York führt die Reise in den Süden der USA, von dort nach Arizona durch die Wüste, nach San Francisco. Begegnungen am Straßenrand wachsen zu bewegten Geschichten. An manchen Orten verwandelt sich Traurigkeit zu schönster Musik, an anderen Stellen zerbricht die Seele im unendlichen Leid menschlicher Grausamkeit.

Leseprobe:

BRONXMUSIC
von
Uwe Kampmann

Beginn einer Reise durch die USA. American stories :
Ein Mann der in New York beginnt ein Schriftsteller
zu werden.

Lifestyle

Gestern rief mich Marge an. Sie hatte mich unter der Telefonnummer von Toni und Ellen erwischt. Ich hatte am Pool gesessen als der Diener mit dem Telefon gekommen war.
"Keine Party, Marge ", hatte ich gesagt, "ich sitze hier an einer Geschichte. Na klar, du kommst auch darin vor. Verdammt, Marge, halt mir die Leute vom Leib."
Sie wollte mich unbedingt irgendwelchen Leuten vorstellen. Mein Argument, sie könne so nie einen Platz in der Geschichte finden, hatte sie überzeugt, mich heute in Ruhe zu lassen, schließlich schreibe ich meine Geschichten nicht im Stehen bei irgendeinem Cocktailempfang, sofern ich überhaupt etwas schreibe.
Beutehungrig, wie eine habgierige Meute von Bluthunden waren sie über mich hergefallen. Als wäre ich der erleuchtete Mittelpunkt ihres faden Alltags, heulten sie mir einem Rudel Wölfen gleich ständig in den Ohren. Fast schien es mir, sie nagten sie mir ab. Zur gleichen Familie gehörten diejenigen, die mich wie Schakale umschlichen. Ich spürte ihr Verlangen, sich mir zu nähern. Ein leicht dahingesagtes :"Ich bin Schriftsteller und schreibe ein Buch über New York ", war der Grund all dessen, was ich jetzt zu erleben bekam.
Hatte ich bisher meine Rolle beherrscht und meine Umgebung als harmlose Kulisse betrachtet, so hatte sich jetzt alles ins Gegenteil verkehrt. Aus den Kulissenwänden heraus schienen Hände nach mir zu greifen, mich festzuhalten, mich an sich zu ziehen, Stimmen, die mit ihrem Verlangen meine Ohren tamponierten und Zungen, die begannen, meine Schritte zu lenken.
Jeder wollte einen Teil, aber nur ein Teil von mir war nicht genug, schließlich war man in dieser Stadt, alles wollte man haben und das war noch zu wenig.

Die ersten vierzehn Tage, nachdem mir dieser eine Satz, "Ich schreibe ein Buch über New York" über die Lippen gekommen war, hatte ich bei Marge gelebt, in ihrer Villa, mit Chauffeur, Swimmingpool, eigenem Strand, verborgen hinter einem Dschungel aus Rhododendron, weit draußen auf East Long Island, sechzig Meilen östlich von Manhattan in den Hamptons.
Die Gegend ist hip.
Hampton gilt unter den Reichen als das schönste Dorf der USA. Man ist hier unter sich. Wer sich betrinken will, fährt rüber nach Bridgehampton zu Bobby Vans Restaurant. Die Krankenschwestern ein Stück weiter im Southhampton Hospital kennen sich aus. Die Ausnüchterungszellen heißen dort medizinische Ferienwohnungen, in denen sich Schauspieler, Verleger und die poeple der New Upperclass treffen.
Die Hamptons sind vermögenstechnisch eine Verlängerung der Wallstreet, nur schöner, heller, duftiger und im Trend. Trendy ist, wer hier ein Haus besitzt.
Geld ist hier nicht der Rede wert.
Marge hatte mich hierhergeholt, damit ich schreiben sollte. Jeden Tag sollte ich ihr etwas Neues vorlesen. Mein Problem war nur, bisher hatte ich kaum geschrieben, außer gelegentliche Postkarten.
Der Satz "Ich bin Schriftsteller und schreibe ein Buch über New York", hatte mich völlig aus meiner Bahn geworfen.
Bevor ich dazu kam, einen Satz zu Papier zu bringen, hatte mir Marge gezeigt, wie sehr sie mich mochte.
Marge war gleich in der ersten Nacht gekommen. Gierig hatten wir unsere tropische Hitze geatmet. Ihre glasigen, grünen Augen hatten durstig nach mehr verlangt. Wie ein aufgewühlter Ozean hatte sie auf mir gesessen. Ich hatte es mit ihr aufgenommen, und wir versanken in der Flut. Erschöpft fielen wir in den Schlaf, um beim Erwachen gleichermaßen zu beginnen.
Marge war auch hier ein Stück New York. Viel war nicht genug, und alles war zu wenig, es mußte mehr sein. Unaufhörlich hatten wir Worte geflüstert, Berührungen gewechselt und uns angeschaut.
Ich verspürte Gefühle wie im Aufzug des World Trade Center. Im Aufzug hinauf und hinunter zujagen, fünfhundert Meter in der Minute. Es legte sich flach auf den Magen und prallte bis hinunter in die Knie, flog das Rückgrad hinauf und erschien wie ein riesiger Kreis im Kopf und schien dabei fast sanft die Haut zu zerfetzen. Ich ratterte wie ein Dampfhammer, während über ihr Gesicht ein Lächeln flog, das Wangen und Nasenflügel erzittern ließ.
Vierzehn Tage hatte ich es ausgehalten. Keine einzige Zeile hatte ich zu Papier gebracht. Marge hatte mich deswegen angeschrien. Den Rest hatte sie mir mit dem Verlangen gegeben, zitronengelbe Hosen und weiße Schuhe zu tragen. Jeder, der in den Hamptons zur Gesellschaft gehörte, trug dieses Zeug in diesen Farben. Als Marge darauf bestand, daß auch ich so herumzulaufen hätte, vernichtete ich die Hose und die Schuhe mit einem Messer. Ich hasse es, uniformiert zu werden.
Ich blieb noch zwei Tage, merkte aber, daß ich unter solchen Voraussetzungen nicht schreiben konnte, und ich wollte schreiben. Schließlich war ich der Mann gewesen, der gesagt hatte: "Ich bin Schriftsteller und schreibe ein Buch über New York", und dazu gehörten auch die Hamptons, diese Ansammlung von zehn Dörfern auf Long Island, deren gesellschaftliches Leben sich nicht von dem in Manhattan unterschied, außer das man hier zitronengelbe Hosen und weiße Schuhe tragen mußte.
Ich war einfach gegangen, hatte alles hinter mir gelassen: Marge und die Villa.
Ich ging hinunter zum Strand, meilenlanger, weißer, feiner Sand. Ich war nicht einmal wütend. Unmöglich, in dieser Umgebung, sechzig Meilen östlich, der schwülen, feuchten Hitze entkommen. Weit entfernt von den baumlosen Straßenschluchten der Stadt New York.
Hier glich alles einer Sommerresidenz, wo nur Platz zur Erholung blieb. Hier, wo ich ging, war ich fern vom hektischen Straßenlärm, abseits von jedem Small talk, allein mit dem Schrei der Möwen, dem leisen Rauschen der Wellen und dem Wind, der sanft meine Haut unter dem blauen Licht des Himmels kühlte.
Zwei Tage und zwei Nächte blieb ich am Strand. Und dann holte ich mein Heft hervor und begann zu schreiben. und fand Ruhe und den Anfang zu schreiben.
Nichts, was ich vermißte, ich schien alles zu besitzen. Die Worte kamen von selbst, abgelöst in den Pausen von Träumen.
Ich verpflegte mich an einem Kiosk, ansonsten vermied ich jede Begegnung mit den Menschen. Am Morgen, in der aufgehenden Sonne, holte ich den Schlaf nach, den mir die Kälte in der Nacht geraubt hatte, und doch waren es die Gedanken und die Stille der Nacht, die ich am Tag auf das Papier brachte.
Ich dachte an New York.

Ich lächelte still und fuhr mir mit der Hand durch das Haar als ich Marge am dritten Tag wiedertraf.
Sie war aus Angelas Boutique gekommen. Ich folgte ihr. Ich wollte sie überraschen, sie in ein Café einladen und ihr vorlesen. Ich ging so dicht hinter ihr, daß ich ihr hätte auf das Fersenband ihrer Sandalen treten können. Ihr kupferrotes Haar bewegte sich im Wind, der vom Meer her wehte und sich an ihr festzuhalten schien.
Plötzlich hatte sie sich umgedreht, mich in die Arme genommen und mich mit ihren grünen Augen, ihrem sinnlich harten Mund und ihrer erdigen Stimme angelacht.
Ich stand da, unrasiert, meine Tasche in der Hand und sagte: "Marge, ich habe angefangen, über dich zu schreiben." Ich holte aus meiner Tasche das Heft hervor und fügte entschuldigend hinzu: "Vorerst nur Notizen, das Buch kommt noch. Komm laß uns in ein Café gehen, ich will dir vorlesen."
"Nicht hier", erwiderte sie und winkte ihren Chauffeur herbei.
Wir hatten es nicht weit.
Bevor ich dazu kam, das Heft noch mal in die Hand zu nehmen, hatte Marge schon die Kleider abgelegt.
Ich war auch wieder froh, sie so zu sehen. Wir zeigten uns auf eine ganz zuverlässige Weise was wir aneinander mochten. Sie, meine Art, wie ich mir Zeit ließ, und ich die Art, wie sie Frau war.
Wir lagen auf lila Seide, hatten das Fenster weit geöffnet und hielten Sektkelche in den Händen. Ich ließ den Champagner kalt über sie hinweglaufen und trank von ihren Brüsten während sie stöhnte und sagte: "Ich hasse New York. Darum bin ich so oft hier."
Ich sah sie an, ohne zu sagen, was ich dachte. Es war nur der Augenblick, der uns bleiben würde.
Ich glaube, jetzt zu sterben, würde mir nichts ausmachen. Woanders würde ich dem Tod auch nicht entgehen können.
Liebte ich Marge ? Um ehrlich zu sein, nein.
Und sie mich ?
Ich machte mir darüber keine Gedanken. Wir sind hier in New York, wo der Lifestyle so übersatt und doch immer hungrig ist.
Nur der Augenblick hat eine Chance, ansonsten ist nichts von Bestand schon gar nicht das, was heute ist.
Das Leben ist eine Illusion, nirgendwo war ich dieser östlichen Erkenntnis so nahe wie in New York.
Es war früher Nachmittag. Vom Meer wehte eine sanfte Brise und brachte Abkühlung für den Abend.
Die Klimaanlage arbeitete gleichmäßig und leise. Das Telefon war abgestellt. Der Chauffeur und die Köchin hatten frei bekommen.
Ich warf einen Blick auf Marge, wie sie ausgestreckt neben mir lag.
Es war abzusehen, Marge würde ihr Gesicht verlieren, irgendwann, im Grunde nur eine Anzahl von Tagen entfernt, bis ein Schönheitschirurg das berühren würde, was ich an ihr mag. Marge würde ewig jung sein und irgendwann alt sterben.
Ich biß ihr sanft ins Ohr, und flüsterte: "I love New York."
Ich spürte ihren matten Atem, drehte mich um und verschwand in meinen Träumen.

Bürgerreporter:in:

Uwe Kampmann aus Offenbach

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