Die Greylsche Feuerlösch-Maschine. Ein Vorschlag an die Marburger Feuerwehr.

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Im Jahre 1716 präsentierte der Augsburger Silberstecher Zacharias Greyl seinen Mitbürgern eine Erfindung. Zu dem Zweck hatte er aus Holz eine einige Meter große Bretterhütte errichtet und sie mit allem möglichen brennbaren Material, wie Brettern, Stroh, ja sogar mit Pechkränzen gefüllt und in Brand gesteckt. Als dann die Flammen senkrecht aus den Fenstern der Hütte schossen und der Dachstuhl lodernd brannte, schob er auf einem Wagen ein kleines Fäßchen in die Hütte und nach einer halben Minute ertönte ein Knall, ähnlich einem Musketenschuß. Nur Bruchteile einer Sekunde danach war das gewaltige Feuer nicht nur vollkommen gelöscht, sondern es war auch kaum Qualm wahrzunehmen und das Innere der Hütte hatte sich so stark abgekühlt, daß man sie unbedenklich betreten konnte. Die letzten Brandnester konnten problemlos beseitigt werden.

Kann diese Geschichte, die ich in Johannes Kanolds "Sammlung von Natur und Medicin ... Geschichten" 1720-1724 gelesen habe wahr sein? Kanold war Arzt in Breslau und Mitglied der kaiserlichen Akademia Leopoldina, für seine Zeitschrift kontribuierten bedeutende Wissenschaftler aus ganz Europa, z.B. der Arzt und Physiker Johann Jacob Scheuchzer in Zürich. Er war ein bedeutender Gelehrter, der sich in dieser Publikation der Bekämpfung des Aberglaubens und der Verbreitung der Aufklärung widmete. Jede eingehende Meldung wurde von ihm und seinen Mitstreitern genauestens geprüft.

Worin bestand diese Vorrichtung? Es handelte sich um ein Faß mit Wasser in dessen Schwerpunkt eine genau dosierte Sprengladung saß. Detonierte diese, so führte sie zunächst das sie umgebende Wasser in kleine Tröpfchen über, in ein Aerosol. dieses befand sich nun in einer unter hohem Druck stehenden Wasserdampfwolke. Dieses Gasvolumen hohen Druckes expandierte dann weiter bis auf Umgebungsdruck. 2 Faktoren sind es, die hier eine massive Senkung der Temperatur in der Umgebung bewirken: 1. Nehmen die Wasser-Aerosol-Tröpfchen sehr rasch Wärme aus der Umgebung weg und verdunsten völlig zu Wasserdampf. 2. bedeutet die blitzartige Expansion des unter hohem Druck befindlichen Dampf-Tröpfchen-Volumens eine "adiabatische Expansion" auf ein Vielfaches des Anfangsvolumens. Dies ist mit einer weiteren kräftigen Absenkung der Temperatur im expandierenden Volumen verbunden. Und alles dies geschieht - sofern der Sprengsatz nicht zu klein ist - im Bruchteil einer Sekunde. Die Wassertröpfchen und das wieder erkaltende und kondesierende verdampfte Wasser werden überdies Schwebstoffe - Rauchpartikel - an sich binden und ausfällen. Und ein dritter Faktor kam noch hinzu: Greyl versah das Wasser mit einer Salzfracht eines Salzes, das unter Wärmefreisetzung in Lösung geht. Engt man eine solche Salzlösung ein, so muß die Lösungswärme wieder zugeführt werden, in diesem Fall kommt diese Kristallisationsenergie aus dem Brandgeschehen.

Es handelt sich also keineswegs um ein schönes Märchen aus der Zeit, in der die meisten Grimmschen Märchen spielen, sondern um harte physikalische Realität: Das Ding hat funktioniert!

Das merkte bald auch ganz Europa: August der Starke von Sachsen und Polen ließ die Maschine mit glänzendem Erfolg gegenüber dem Zwinger in Dresden ausprobieren und erwarb das Verfahren von Greyls Witwe zu einem stattlichen Preis. Greyl war bereits 1718 verstorben und seine Witwe führte die Vermarktung mit ungeheurer Zähigkeit aus. Auch Greyls Heimatstadt Augsburg erwarb die Rechte. Und dort kam es dann auch zu dem ersten Einsatz im Ernstfall: Am 10. 10. 1721 brach in der Innenstadt ein Feuer aus. Drei sehr große Häuser standen lichterloh in Flammen bis in den Dachstuhl. Das Feuer drohte, sich auszubreiten und die ganze Stadt in Schutt und Asche zu legen. Da wurden 3 dieser Module angebracht und die Brände waren gelöscht bis unters Dach in weniger als einer Sekunde. Auch hier konnten Feuerlöschtrupps die Häuser sofort betreten und die restlichen Brandherde problemlos bekämpfen. In England wurde das Verfahren auch bald kopiert und in London konnten damit mehrere schwere Brände gelöscht werden.

Ich muß bei dieser Geschichte immer wieder an den verheerenden Brand des "squash-Center" in Marburg denken: Eine Verpuffung in einem sehr großen Volumen. Drei Feuerwehtleute schwer verbrannt. Hätte man so ein Modul gehabt, es wäre alles kein Problem gewesen. Wenn sich noch Menschen im Brandbereich befinden sollten, hätten diese wegen der starken Druckschwankung höchstens einen Trommelfellriß zu befürchten, was einem Feuertod sicher vorzuziehen wäre.

Als Salzfracht würde ich feste Natronlauge NaOH vorschlagen. Löst man diese in Wasser, wird sehr viel Wärme frei, derat, daß die Lösung, wenn man das Gefäß nicht kühlt, schlagartig siedet und einem ins Gesicht spritzt.

Bei der Dimensionierung des Sprengsatzes ist zu bedenken, daß dessen Energie im Wesentlichen zwei Effekte herbeiführen muß:

1, Die Erhöhung der Oberflächenenergie des Wassers, die bei Zerstäubung in ein Aerosol eintritt, zu erschwingen. Stellt man sich die verwendete Wassermenge als anfänglich in Kugelform vorliegend vor und gibt den mittleren gewünschten Durchmesser der nach Detonation erzeugten Aerosoltröpfchen vor, so liefert die Oberflächenenergie-Differenz den ersten Energiebeitrag.

2, Zu diesem kommt dann noch die Energie, die nötig ist, um das Gas-Aerosolgemisch so stark zu expandieren, daß der geplante Volum-Effekt eintritt. In einfachster Näherung und um überhaupt eine Idee von der benötigten Größe des Sprengsatzes zu erhalten, kann man sich die Vorgänge 1 und 2 als getrennt voneinander aublaufend denken.

Sollten wir einmal einen Nuklarkrieg erleben müssen - was Gott verhüten möge - so wären es gerade diese Kleinbrände, die das größte Problem darstellten, da sie radioaktives Material durch die Konvektion im Brand-Geschehen dauernd in Suspension halten und bringen. Hätte man ein solches hocheffizientes Lösch-Instrument, könnte man viel Leid damit verhindern.

Bürgerreporter:in:

Heinrich Rautenhaus aus Marburg

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