Gedanken zur Radio-Sendungen des NDR-Kultur "Am Abend vorgelesen" vom 23. u. 24. 06. 2014

Die Beiträge dieser Sendereihe beginnen zumeist abends, werktags nach den 22-Uhr-Nachrichten. Meine Frau ich haben uns angewöhnt sie, wenn immer möglich im Bett zur Nachtruhe liegend, anzuhören.
Also hörten wir am 23. Juni

Wilhelm Lamszus 'Das Menschenschlachthaus' vorgelesen von Camill Jamma

Wahrlich, kurz vor der Nachtruhe, sind das ungeeignete Bilder, die der Autor mit Worten zeichnete.
Schließlich waren sie ja von ihm auch zum Wachrütteln gedacht. Sie sind gegen Krieg, Heldentum und soldatisch-nationale Vorstellungen gerichtet. Und das in einer Weise, die von völkisch gesinnten Kreisen vehement abgelehnt wurde und die dem Autor nach 1933 durch die Nationalsozialisten vielfältige Repressionen einbrachte. Er musste sich und seine Schriften während des sogen. Dritten Reichs verbergen. Im Hause eingemauert fand man sie erst Jahre später durch Zufall wieder.
Seine Erzählung Das Menschenschlachthaus zeichnet ein Bild vom kommenden Krieg. Diese Antikriegsschrift erschien 1912, also vor Beginn des Ersten Weltkriegs, der heute auch als Der Große Krieg genannt wird und der rund 17 Millionen Menschenleben dahin raffte.
Die prophetische Schrift Lamszus', der bis 1965 in Hamburg lebte, verdeutlicht das Grauen der Schlachtfelder. Mit einem geruhsamem Einschlafen ist beim Anhören seiner im Radio vorgelesenen Schilderungen nicht zu rechnen, wachgerüttelt erblickte ich den frühen Morgen eines neuen Tages.
In dessen Abendstunden ich den zweiten Teil der Lesereihe mit offeneren Ohren erlebte.

In der Sendung am 24. hörten wir die Erzählung 'Mäuse' geschrieben von Edgar Hahnewald (1884 - 1961) gelesen von Henning Nöhren.
Der Autor ließ Bilder aus einem unterirdischen Befehlsstand an der Ostfront des Ersten Weltkriegs im Geiste entstehen. Es gelingt ihm sowohl das unmittelbare räumliche Umfeld, das Innere eines Bunkers zu verbildlichen, wie den Blick auf die außerhalb stattfindenden Kampfhandlungen zu vermitteln. Er wechselt mehrfach die Perspektive zwischen den zunächst friedlich erscheinenden Ereignissen im sicheren Leitstand, dem Bunker des Protagonisten, und einem draußen geführten Artillerie-Angriff, sowie dem nachfolgend ausgesandten Spähtrupp. Diese Männer sind besonders gefährdet, das weiß der am “Klappenschrank“ sitzende Telefonist aus eigener Erfahrung. Den höher gestellten Militärs geht es um die Rückeroberung eines unbedeutenden Wäldchens. Aber die Hauptperson der Darstellung ist für die Aufrechterhaltung der Telefonverbindungen zwischen den Leitstellen sowie Beobachtungsposten und dem Spähtrupp verantwortlich. Am Telefon mit allen verbunden hört der Soldat knappe Meldungen im Telefonhörer; sie verdeutlichen das militärischen Geschehen außerhalb seines Erdbunkers. Wenn die Telefonstimmen verhängnisvoll schweigen, wendet sich der Soldat den mit ihm gemeinsam im Bunker lebenden kecken Mäusen zu. Er mag sie so scheint es zunächst. Doch als sie an seinem Brotvorrat knabbern ändert sich sein bis dahin auf Beobachtung gerichtetes Verhalten. Er fängt einen der von Hunger getriebenen Nager, um ihn dann in einem Wassereimer qualvoll zu ertränken. Dieses Geschöpf strampelt und kämpft um sein Leben. Es gleicht somit den Männern draußen an der Kampflinie; sie alle sind dem überraschend und gewaltsam zuschlagenden Todesschicksal ausgesetzt.

Unter Aggression leiden oft Unschuldige. So die Erkenntnis aus dem Gehörten. Wachgerüttelt betrachten ich spätestes jetzt die täglichen Fernsehnachrichten über die aktuellen Kriege auf dieser Welt mit anderen Augen.

Bürgerreporter:in:

Rolf Schulte aus Hildesheim

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