4. Teil: Kinder- und Jugendjahre im Schatten des Nationalsozialismus - Erinnerungen der 89-jährigen Zeitzeugin Maria Bengtsson Stier

Erinnerungen der 89-jährigen Zeitzeugin Maria Bengtsson Stier
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1931 -- Warum schrien die Menschen auf der einen Seite „Heil Hitler“ und auf der anderen Seite „Heil Moskau“ und sie versuchten sogar, sich gegenseitig zu übertönen. Da stimmt doch etwas nicht. Ich war total verwirrt. Wieder spürte ich die Faust, diesmal aber schmerzhafter als zuvor in meinen Rippen. „Los, los, wird´s bald, mache eine Faust und rufe „Heil Moskau“, drohte die Stimme neben mir. Zögernd hob ich den Arm, machte eine Faust und sagte leise und sehr zaghaft „Heil Moskau“ , während der Mann zu meiner rechten mit seinem „Heil Hitler“ immer mehr in Begeisterung geriet. Doch mir war bei dieser Sache doch nicht ganz geheuer.

Inzwischen hatten sich die einzelnen Parteien so sehr in Rage oder in Wut hineingesteigert, dass sie ohne Vorwarnung aufeinander losgingen und handgreiflich wurden. Die Durchfahrt der Autos war nun blockiert und die Autos standen still. Die Polizei ging mit Gummiknüppeln auf die Streitenden los und versuchte, die Menschenklumpen aufzulösen. Doch die Arbeit der Polizei war ziemlich erfolglos.

Ich bekam es nun wirklich mit der Angst zu tun. Wie um alles in der Welt sollte ich aus diesem rasenden, schreienden und ineinander verklumpten Menschenhaufen herauskommen. Rücksichtnahme auf mein geringes Alter konnte ich in dieser Situation nicht erwarten! Also kroch ich so weit wie nur irgend möglich weg von den ineinander verwurschtelten Menschen. Dann bahnte ich mir wie ein Maulwurf einen Weg zwischen den Beinen hindurch und verschwand blitzschnell in der stillen, menschenleeren Schlossgasse.

Den ganzen Weg zu unserem Wohnviertel hin in der hinteren Schlossgasse sprang ich, als sei der Teufel hinter mir her.

Oh, meine Mutter hatte ja recht, es war gefährlich! Ich hatte noch großes Glück, dass man mich nicht tot getrampelt hatte. Atemlos kam ich an unserem Hoftor an, stürzte in den Hof hinein und schloss hastig das Tor. Ins Haus ging ich jedoch noch nicht. Meine Mutter durfte auf gar keinen Fall erfahren, wie ungehorsam ich gewesen war.

Wie der Kampf der Parteien auf dem Roßmarkt ausgegangen ist, habe ich an diesem Tage nicht mehr erfahren. Aber das konnte man am nächsten Tag ausführlich in der Zeitung lesen. Zum Schluss waren die Anstrengungen der Polizei doch noch von Erfolg gekrönt gewesen. Besonders der unerschrockene Einsatz des Polizisten Schreiber von Gau-Odernheim wurde in dem Zeitungsartikel lobend hervorgehoben. Später habe ich meinen großen Bruder gefragt was „Heil Moskau“ und „Heil Hitler“ eigentlich bedeutet. „Heil Moskau“ das sind die Kommunisten und „Heil Hitler“ das sind die Nationalsozialisten“ sagte er. „Doch unser Vater ist Sozialdemokrat“. Oh Gott, das war ja eine richtige politische Suppe. Viel begriff ich nicht davon, doch dass die einzelnen Parteien nicht gut aufeinander zu sprechen waren, das war sogar mir aufgegangen.

Meine Eltern haben jedoch nie erfahren, in welche Gefahr mich das Erscheinen Adolf Hitlers gebracht hatte. Dieser erste und einzige Besuch Adolf Hitlers in Alzey war der Anfang von allen Veränderungen in der Lebenshaltung und überhaupt im Alltag der Menschen; doch das wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand…….

Fortsetzung folgt……..http://www.myheimat.de/linz-am-rhein/ratgeber/5-te...

Bürgerreporter:in:

Gisela Görgens aus Quedlinburg

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