Kassandra unter dem Schnee

Es war einmal eine Frau namens Kassandra, die hatte die Gabe des Hellsehens. Aber ihre Gabe war mit einem Fluch belegt.
Weil sie die sexuellen Avancen von Apollon höchst persönlich abewiesen hatte, verfügte dieser, dass niemand ihr mehr glauben schenken sollte, selbst wenn sich ihre Vorhersagen im Nachhinein als richtig erwiesen hatten.

Würde die arme Frau in der heutigen Zeit leben, sie würde von einem gigantischen, globalen Schneeballsystem erzählen, das die Menschheit zu zermalmen droht.

In manchen Ländern würde sie für diese Prophezeihungen verfolgt, entrechtet, gefoltert oder sogar getötet werden.
In den Ländern die sich selbst als freiheitlich und demokratisch bezeichnen würde sie hingegen nur ausgelacht und ausgegrenzt werden. Aber das ändert ja nichts an der Wahrhaftigkeit ihrer Worte.

Ein Schneeball auf der Spitze eines Berges ist Anfangs klein und kaum gefährlich, solange er nicht scharf geworfen wird und jemanden ins Gesicht trifft. Aber selbst dann ist der Schaden den er anrichtet zwar unangenehm aber zu verschmerzen.
Kinder haben Spass daran sich mit Schneebällen zu bewerfen.
Es ist auch ein ganz natürliches kindsverhalten die Bälle immer größer zu formen und immer fester zu kneten. Das Spiel wird mit der Zeit immer aggressiver, bis schließlich eines der Kinder einen Schneeball so fest zusammen presst, dass eine harte Eiskugel entsteht. Das Kind, welches das Pech hat davon getroffen zu werden, erleidet eine Platzwunde an der Stirn. Vielleicht trug es eine Brille die nun kaputt ist und es läuft weinend nach hause.
Erster Verlierer
Nach den ersten Erschütterungen durch den kleinen Zwischenfall berappelt sich die Gruppe wieder und beschließt eine ganz, ganz große Kugel zu rollen.
Es macht Spass zu sehen, wie die Kugel wächst und unter dem weggekugelten Schnee der Erdboden wieder zum Vorschein kommt.
Schnee klebt eben gern an anderem Schnee, das ist seine physikalische Eigenschaft, ein Naturgesetz!

Stolz betrachten die Kinder ihrer Hände Arbeit und tanzen vergnügt darum herum.

Der Spielplatz ist jetzt kahl und leer so ohne Schnee und morgen ist doch Weihnachten.

Eines der kleineren und schwächeren Kinder wird bei dem Gedanken ganz traurig, dass der große Spielplatz so kahl und unweihnachtlich ausschaut. Es macht den Vorschlag, den großen Ball kaputt zu machen und den Schnee wieder auf dem Platz zu verteilen.
Die anderen Kinder kommen ins Grübeln und finden die Idee irgendwie gut.
Aber der große Junge, der sich immer als der Chef aufspielt, sieht sein Werk in Gefahr. Und überhaupt, wo kommen wir hin, wenn die Kleinen so tun, als hätten sie etwas zu sagen?!

Er guckt den Kleinen mit ganz strengen Augen an. Mustert ihn von oben bis unten, so als würde er nach etwas suchen. Aber weil er auf die Schnelle nichts finden kann, denkt er sich eine Geschichte aus, denn die anderen Kinder fangen schon an in dem Schneeball herum zu stochern.

„Deine Mutter hat meiner Mutter erzählt, dass du noch ins Bett machst!“

Der große Chefjunge ruft das so laut, dass die anderen Kinder augenblicklich vom großen Schneeball ablassen und den kleinen Jungen anstarren. Alle sehen ganz deutlich, wie sich seine Augen weiten und ihm die Schamesröte das Gesicht überzieht.

„Bettnässer, Bettnässer!“, johlt der große Chefjunge und als die anderen Kinder in das Gejohle mit einstimmen, da steigen dem Kleinen die Tränen in die Augen und er rennt davon.
Zweiter Verlierer.

Als es schließlich anfängt zu dämmern und die Nacht sich anschickt das Land mit Dunkelheit zu überziehen, da machen die Kinder sich auf den Heimweg. Nur der große Chefjunge bleibt bis zuletzt um seinen großen Schneeball zu bewachen.

„Mein Schatz ...“, murmelt er leise vor sich hin. „Niemand wird dich kaputt machen!“ er legt die Arme weit ausgebreitet auf die Kugel, so als versuche er sie zu umarmen, aber dafür ist sie schon zu groß. „Ich bringe dich in Sicherheit.“, flüstert er dem Schneeball zu. Dann stemmt er sich mit aller Kraft dagegen. Die Kugel ist schon so groß und schwer, das er sie kaum vom Fleck bekommt. Zusammen mit all seinen Freunden war es leicht gewesen, die große Kugel zu bewegen, aber so ganz alleine ist es eine große Kraftanstrengung.
Und so rollte der große Junge den Schneeball vor sich her, hinunter vom Spielplatz, die Straße entlang und wäre es nicht schon so dunkel gewesen, dann hätte er bemerkt, wie gefährlich nah er dem Abhang gekommen war. In diesem Moment hielt er sich für so stark und mächtig, dass er gar nicht merkte, dass die Schneekugel mehr und mehr von alleine rollte, bis sie schließlich seinen Händen entglitt und ganz von allein den Berg hinunter rollte.
Dort hatte noch eine menge Schnee gelegen, der nun an der Kugel haften blieb.

Wie groß ist die Kugel wohl noch geworden bevor sie schließlich ins tiefe Tal hinab stürzte? Hoffentlich hat sie kein Haus getroffen in dem Menschen leben!
Zahl der Verlierer: unbekannt …

Aber verzage nicht Kassandra, dies war nur eine Geschichte und schließlich ging es nur um Schnee und nicht etwa um Geld und Machtspielchen ….. naja

Bürgerreporter:in:

Imke Schüring aus Wesel

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