Usedom vom Meer aus erleben

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Wenn die Temperaturen sinken wird es ruhiger in den touristischen Zentren an der Küste. Doch auch außerhalb der Hauptsaison hat Usedom eine Menge zu bieten. Das liegt nicht zuletzt am traditionellen Handwerk, das von engagierten Einheimischen bis heute gelebt wird.

Schon in den frühen Morgenstunden ist Fischer Uwe Krüger unterwegs. Seine Familie ist schon in der sechsten Generation auf dem Meer unterwegs und hat sich dem Fischfang verschrieben. Das werde immer schwieriger, beklagt der 56jährige. Früher habe man pro Schiff 100 Tonnen Hering im Jahr gefangen. Heute seien ihm nur noch 4,5 Tonnen erlaubt. Parallel sei die Zahl der Berufsfischer deutlich gesunken. In Ahlbeck gebe es nur noch zwei von einst zweihundert hauptberuflichen Fischern. Auf der ganzen Insel seinen lediglich 20 bis 30 verblieben, schildert der Fischer, auf dessen Unterarm ein Fisch tätowiert ist. Nicht jeden Tag macht Uwe Krüger einen guten Fang. Heute jedoch freut er sich über einen 10 kg Hecht mit der stattlichen Größe von einem Meter. Der soll das Kühlfahrzeug ganz frisch erreichen und liegt nach Luft japsend auf einer Kiste mit anderen gefangenen Fischen. Uwe Krüger ist seit 40 Jahren Fischer und möchte seinen Beruf in einigen Jahren gerne an den heute 9jährigen Enkel Nils übergeben.

Ein möglicher Abnehmer für seinen Fisch könnte die Räucherei Thurow im Fischerdorf Freest sein. 1891 eröffnete Großvater Robert Thurow dort seine Fischbraterei. Heute werden in einem Gebäude aus den 20er Jahren 15 Sorten Fisch geräuchert und verkauft. Flundern, Aale, Hering stammen aus der Region, alle anderen Fischarten werden aus den sechs anderen Weltmeeren zugekauft, wie Joachim Thurow vor seinem Altonaer Räucherofen erzählt. Das Räuchern geschieht in zwei Phasen. In der ersten wird der Fisch über hellem Feuer gegart. Dann folgt das Räuchern und Schmoren bei geschlossenen Ofentüren und mit viel Holz. Es sorgt für den Geschmack und die Farbe des Räucherfischs. „Aal schmort schon bei geringen Temperaturen, die Flunder braucht mehr“, weiß der Besitzer des Familienbetriebs, der zwischen den Anforderungen des Denkmalschutzes und denen der EU-Zulassung lavieren muss. Eigentlich möchte Thurow sich vor allem dem Fisch und der Räucherei widmen, doch der Diplom-Ökonom muss mit der Zeit gehen. Nachdem er festgestellt hat, dass bei den weniger werdenden Fischwagen auf den Dörfern in erster Linie ältere Menschen einkaufen, bietet er seine Ware nun auch zum Versand an und baut zusätzlich den Verkauf direkt an der Räucherei aus.

Wenn das Wetter mitspielt, ist ein Ausflug mit dem Zeesenboot von Rika Harder ein besonderes Vergnügen. Vom Hafen der Stadt Usedom im Südwesten der Insel aus sticht die Eignerin der „Romantik“ mit bis zu 12 Gästen in See. Vor zwei Jahrhunderten waren die Zeesenboote für die örtlichen Fischer ein großer Fortschritt. Zuvor waren jeweils zwei Boote nötig, um mit einem Schleppnetz zu fischen. Mit dem Zeesenboot konnten sie sich treiben lassen und das Fischernetz mit nur einem Boot einsetzen. Wie die Schleppnetzfischerei mit Hilfe von Schiffs-Schwert und Ösenkonstruktionen gelang, erfahren die Gäste bei einer Bootstour mit Rika Harder. Ihr Boot wurde in den 20er-Jahren gebaut und verlor seine Einsatzmöglichkeiten als Fischerboot vor 50 Jahren. Buchen kann man die „Romantik“ zum Beispiel für einen Ausflug über den Usedomer See auf das Stettiner Haff. Vom liebevoll restaurierten Zweimaster sieht man zum Beispiel die Karniner Eisenbahnbrücke. Das technische Denkmal galt 1933 als die modernste Hubbrücke Europas. Heute ist von der ehemaligen Eisenbahnbrücke nur noch der eindrucksvolle, mitten im Wasser stehende Hubteil in der Mitte erhalten geblieben. Ändern könnte sich das, wenn die Pläne der Region für die Wiederherstellung der Eisenbahnanbindung von Usedom nach Berlin über das polnische Swinemünde Wirklichkeit werden sollten. Bis dahin sorgen nur die Kraniche für den Soundtrack des Herbstes. Hoch über ihnen gleiten majestätische Seeadler mit einer Spannweite von bis zu 2,50 Meter durch die Luft. Rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit nach einem Picknickaufenthalt am Ufer kehren die Gäste von Rika Harder zurück an Land. Zuvor holen sie gemeinsam mit der Eignerin die traditionell roten Segel ein. Einst ergab sich diese Farbe bei der Imprägnierung der Baumwolle, bei der unter anderem Rinderblut zum Einsatz kam. Heute ist die Farbe nur noch ein Zeichen für die Tradition und ein interessanter optischer Reiz zwischen dem Grün der Wälder und dem Blau von Himmel und Wasser.

Wer selbst ein Schiff besitzt, setzt vielleicht auf die Arbeit von Segelmacher Burghardt Streuber. Im Hafen von Kröslin bietet dieser seine Einzelanfertigungen aus Kunstfasern den Bootsbesitzern an. Bis zu 100 Euro pro Quadratmeter kosten die vor Ort aus Stoffbahnen genähten Segel. Auf dem Schnürboden in seinem Atelier hat der Segelmacher die Schnittmuster eingezeichnet. 2 mm dicke Nadeln helfen ihm und seinen vier Mitarbeitern dann, das Schwergewebe in haltbare und funktionale Segel zu verwandeln. In Kröslin entstehen Segel bis zu 160 Quadratmetern genauso wie kleine Maßanfertigungen. Neben Schiffsplanen hat Burghardt Streuber auch Taschen aus altem Segeltuch im Angebot, mit denen die Urlauber ihre Erinnerungen an Usedom das ganze Jahr über auffrischen können.

Bürgerreporter:in:

Christian Kolb aus Essen

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