Babywatching im Kindergarten – Pädagogisch wertvoll

Immer mehr Kindergärten setzen in Deutschland auf ein Projekt namens „Babywatching“. Hier beobachten die Kindergartenkinder ca. einmal die Woche für 30 bis 45 Minuten ein Baby und versuchen zu verstehen wie es sich in verschiedenen Alltagssituationen verhält.

Die Kindergartengruppe sitzt auf dem Spielteppich im Kreis und in der Mitte liegt ein 7 Monate altes Baby. Die Kinder, vor allem die Mädchen, fangen sofort an sich mit dem Baby zu beschäftigen und betonen immer wider wie süß das Baby ist. Mit großen Augen schaut das Baby durch die Runde, wo sie von den Kindergartenkindern beobachtet wird. Plötzlich fängt das Baby an zu schreien. „Was glaubt ihr warum das Baby wohl angefangen hat zu schreien?“, fragt die Erzieherin die Kinder. Schnell haben die Kleinen auch verschiedene Antworten: „Vielleicht hat es Hunger“, „die hat die Windel voll“, „bestimmt hat das Baby Durst“ oder „Vielleicht hat das Baby angst vor uns“. Ein blick in die Windel, und da ist nichts drin. Gegessen hat es gerade. Die Mama des Babys gibt dem Baby eine Flasche mit trinken und schon hört es auf zu schreien und nuckelt an ihrer Flasche. „Ah, das Baby hat wirklich Durst,“ betont ein Kindergartenkind.

Durch dieses spielerische beobachten und versuchen zu erraten was das Baby hat, beziehungsweise zu erraten warum das Baby gerade dieses oder jenes macht, lernen die Kinder im Kindergarten früh Gefühl dafür zu bekommen wie sich ein Baby in gewissen Umständen verhält. Auch die Entwicklungsphase, wie es von Woche zu Woche wächst, und nach und nach neue Dinge kann, können die Kinder live beobachten. „Sehr interessiert wie sich das Baby verändert oder wie es versucht ihr Umfeld zu erkunden, sind oft Kinder die keine Geschwister haben oder sich ein kleines Geschwisterchen wünschen,“ verriet eine der Erzieherinnen.

Doch Babywatching hat auch einen anderen Hintergrund. Der Kinderpsychiater Henri Parens aus den USA fand heraus, dass Kinder weniger aggressiv sind, wenn sie Kontakt zu Babys haben. Sie werden feinfühliger und können besser mit andren Kindern umgehen. In seiner Forschung stellte Parens fest, dass Kinder mit Babykontakten nicht nur einfühlsamer werden, sondern auch konstruktiver mit Wut und Aggression umgehen können. Die Denkweise eines Kindes ist anders, da es gewisse Situationen schon im Kopf für sich selber hinterfragt, anstatt sofort loszubrüllen oder zu schlagen. Ein Beispiel: Luka nimmt Heiko ein Buch weg. Der Gedankenzug von Heiko ist jetzt nicht: „ Der nimmt mir mein Buch weg. Der ist blöd. Das hol ich mir jetzt wieder, egal wie!“ Sondern: „Der nimmt mir mein Buch weg. Warum macht er das? Ist er neugierig? Will er nur kurz was nachschauen?“ Dieses sorgfältige Hinterfragen einer Situation, welches die Kinder vom beobachten und eigenständigen herausfinden von Situationsbedingten Bewegungsabläufen eines Babys erlernt haben, kann einen Streit verhindern, und der Konflikt möglicherweise mit friedlichen Mitteln gelöst werden.

Diese Projekt ist nicht nur Pädagogisch wertvoll, sondern kostet auch kein Geld. Die Babys sind Geschwisterkinder von Kindern die den Kindergarten besuchen und die Mütter, beziehungsweise. Väter, machen diesen Einsatz freiwillig. Auch das Baby selbst profitiert von diesem Projekt, denn es lernt schon sehr früh unter vielen verschiedenen Kindern zu sein und so wird die Kontaktfähigkeit zu anderen Kindern gestärkt. Ein wirklich einfaches Projekt, welches eine fülle von Erfahrungen bringt und jeder Kindergarten einmal ausprobieren sollte.

Bürgerreporter:in:

Oliver Klas aus Solingen

Webseite von Oliver Klas
Oliver Klas auf Facebook
Oliver Klas auf Instagram
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.