SV-Ilten-Chef Carsten Elges: "Wir versuchen, die Geschichte des Schützenwesens zu pflegen!"

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Carsten Elges ist der Vorsitzende des Schützenvereins (SV) Ilten. Im E-Mail-Interview gibt er Einblicke ins Iltener Schützenleben und verrät, was der Verein zum 300. Jahrestag des Rechts auf Scheibenschießen geplant hat.

Herr Elges, Sie sind der Vorsitzende des Schützenvereins (SV) Ilten. Seit wann bekleiden Sie dieses Amt und was zeichnet den Schützenverein aus?

Ich leite den SV Ilten seit etwas mehr als elf Jahren. Einige Jahre zuvor hatten wir unser Vereinshaus fertig gebaut. Damit waren die Voraussetzungen dafür gegeben, dass die Mitglieder sich Gedanken über die zukünftige Ausrichtung machen konnten. Unser Verein versucht nach Kräften, die Geschichte des Schützenwesens in den Ortschaften der Heimatregion zu pflegen, aber auch öffentlich zu machen. Gleichzeitig ist gerade den Verantwortlichen im sportlichen Bereich bewusst, dass insbesondere sportliche Erfolge auf örtlicher und überörtlicher Ebene dafür sorgen, dass Iltens Bürger auf den Verein aufmerksam werden. Schließlich hat gerade erst im vergangenen Jahr unser Spielmannszug die Weichen dafür gestellt, neben der traditionellen Musik auf den Schützenfesten in den umliegenden Ortschaften durch eine Erweiterung des Repertoires weitere Auftrittsmöglichkeiten zu erschließen.

In diesem Jahr steht ein besonderes Ereignis an: Seit 300 Jahren gibt es das Recht aufs Scheibenschießen. Lassen Sie uns dem Thema zunächst historisch nähern. Das Scheibenschießen ist ein Recht von zehn. Welches sind die anderen? Und wie kam es, dass die Menschen im Großen Freien diese Rechte vor 300 Jahren erhielten?

Da kann ich nur zitieren: Wir haben bei einem der Iltener Heimatchronisten nachgelesen. Otto Heise schrieb: „Durch die Verordnung vom 7. Juli 1710 wurde das Scheibenschießen im Fürstentume Lüneburg abgeschafft. Das großvogtliche Rescript vom 4. März 1711 bestimmt indessen, dass, wenngleich das Scheibenschießen im Allgemeinen verboten, doch den Freien im Amte Ilten. Da sie mit besonderen Privilegien begnadigt und sie sich im Nothfalle zur Defension des Landes gebrauchen lassen müssen, dasjenige nicht entzogen werden dürfe, was sie dazu geschickt mache. Jede Ortschaft könne daher ihr Schießen ohne Gesöff und Unordnung halten und sollten die Preise zum Besten der Ortschaften bleiben.“
Die welfischen Herzöge hatten offenbar seinerzeit kein stehendes Heer. Vielmehr gab es die Verpflichtung der Bauern, sozusagen bei Bedarf Kriegsdienst zu leisten. So ist es nachvollziehbar, dass die Obrigkeit darauf Wert legte, dass die Bauern sich im Schießen übten, damit sie im Bedarfsfall auch treffen konnten.

Weitere Rechte waren
die freie Gerichtsbarkeit,
die Freiheit von öffentlichen Abgaben,
die Freiheit von Zoll, Freiheit von Herrendiensten, Kriegerfuhren, Landfolgen, Jagdfolgediensten und Gefangenendiensten für andere als Freie,
die Freiheit, Handel, Gewerbe und Krugnahrung zu treiben.
Maße und Gewichte durch einen eigenen Eichmeister eichen zu lassen,
das Recht, Bier und Branntwein zu brauen,
die Freiheit, die Hofespertinentien (also Hausrat, landwirtschaftliche Geräte, etc.) zu veräußern,
die Jagdfreiheit,
das Recht, zur Conservation ihrer Freiheiten einen Deputierten und Bauherrn zu halten

Diese Rechte sollen die Freien erhalten haben, als sie ihre Herzog das Leben retteten.
Ilten kommt im Großen Freien eine besondere Rolle zu. An die damalige Funktion als Hauptort erinnern heute noch das Amtshaus und der Thie, der ehemalige Gerichtsplatz.

Im Mittelpunkt Ihrer Feierlichkeiten steht das Recht Scheibenschießen abzuhalten. Kann man sagen, dass Sie dadurch eine Tradition fortleben lassen?

Genauso ist es. Die Schützenvereine und -gesellschaften aus den Ortschaften sind heute einer der Träger der Tradition des Großen Freien. Nicht zuletzt haben die Nachfahren der Freien Bauern von damals, die auch heute noch in den einzelnen Ortschaften organisiert sind, den Schützen den Silbervogel zur Verfügung gestellt. Diese Trophäe, die schon im 16. Jahrhundert gestiftet sein soll, sollte damals wie heute ein Anreiz sein, um am Scheibenschießen teilzunehmen. Der Nachfolger des damaligen Amtmannes, der Deputierte der Freien, Herr Heinrich Klußmann aus Lehrte, steht unseren Aktivitäten wohlwollend gegenüber.

Wie ist das Jubliläumsjahr strukturiert? Welche Veranstaltungen haben Sie wann geplant? Warum sollte sich kein Bürger des Großen Freien diese Veranstaltungen entgehen lassen?

Wir haben versucht, möglichst viele der Freienrechte aufzugreifen. Wir, das sind in diesem Fall der Vorsitzende des Heimatbundes Niedersachsen, Heinz-Siegfried Strelow, der Vorsitzende des Vereins Regionlamuseum Rethmar e.V., Dieter Borsum, der Vorsitzende des Vereins Unser Dorf Ilten, Günter Köpfer und der Vorsitzende der Schützenbruderschaft Das Große Freie, Heinz Köneke.
Also los geht’s bis zum 1. Mai mit dem Jubiläumsschießen. Dazu bauen wir am 9. April in Gretenberg extra einen Schießstand, weil es dort keinen Schützenverein gibt. Mit den Preisen, die es außer der Scheibe für den Sieger zu gewinnen gibt, wollen wir an das Braurecht erinnern. Mit einer Brauerei haben wir ein „Freienbier“ aufgelegt. Der Abend der Siegerehrung am 17. Juni endet mit einer „Hannoverschen Serenade“, die wir im Park hinter dem historischen Amtshaus aufführen möchten. Dazu sind alle Schützen aus dem Altkreis Burgdorf eingeladen.
Am 12. August dann werden wir in Kooperation mit dem Kulturverein Sehnde Kleists „Zerbrochnen Krug“ als szenische Lesung auf die Bühne der „Wilhelm-Raabe-Grundschule“ in Ilten bringen. Und zwei Tage später haben sich die Musikzüge aus dem Kreisschützenverband Burgdorf zu ihrem jährlichen Freundschaftstreffen in Ilten verabredet. Auf dem Brandes-Hof direkt am Thie findet dieses Konzert statt. An diesem Tage möchten wir eine Ausstellung mit Informationstafeln zu den Freienrechten vorstellen. Diese Info-Tafeln möchten wir später den Schulen zur Verfügung stellen, um auch jungen Leuten den Zugang zum Wissen rund um das „Große Freie“ zu erleichtern. Glücklicherweise steht das Große Freie immer noch auf den Lehrplänen der Grundschulen.

Welchen Preis erhält denn den Sieger Ihres Schießwettbewerbs? Früher wurden ja zeitweise Silberne Vögel gestiftet.

Der- oder diejenige mit dem allerbesten Schuss, gewinnt eine Jubiläumsscheibe. Weiterhin gibt es eine Wertung der jeweils zehn besten Schützinnen und Schützen aus jedem Ort. Mit diesem Gedanken wollen wir an die Freienkompanien erinnern, in die die Bauern damals eingeteilt worden sind. Die beste Kompanie bekommt ebenfalls einen besonderen Preis in Form von Freienbier und Bratwurst.

Viele Vereine beklagen das mangelnde Engagement des Nachwuchses. Welche Beobachtungen machen Sie beim SV Ilten?

Unserem Verein geht es da nicht besser als allen anderen auch. Wir betreiben einen Sport, der aus Sicherheitsgründen mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden muss. Das, was man von den Schützen sieht, sind mehr oder weniger ausgelassene Feiern, bei denen die Schützen von allen anderen dadurch zu unterscheiden sind, dass sie in der typischen Schützentracht gekleidet sind. Vorsichtig gesagt vermute ich, dass wir dadurch nicht die Eltern der Kinder aus unseren Neubaugebieten in Ilten dafür begeistern können, ihre Kinder bei uns anzumelden. Deshalb versuchen wir, durch sportliche Erfolge und einen Spielmannszug, der auch vor modernen Musikstücken nicht zurückschreckt, am Image unseres Vereins zu arbeiten.

Wo sehen Sie den Verein in zehn Jahren?

Wenn es uns gelingt, unsere Stärken herauszustellen, dann werden wir unseren Platz finden: Beim Schießen muss man sich nun mal konzentrieren. Dies ist bestimmt nicht schädlich für Kinder, die heutzutage so vielfältigen Reizen ausgesetzt sind. Dazu sollte es uns gelingen, den Spielmannszug so zu positionieren, dass er mit seinem musikalischen Spektrum attraktiv für Jugendliche ist. Gleichzeitig sind wir Iltener Schützen sicher gut beraten, wenn gerade wir die Tradition des Großen Freien als Alleinstellungsmerkmal (dieses Wort hat Sehndes Erster Stadtrat Rolf Steinhoff in diesem Zusammenhang genutzt) unserer Heimatregion pflegen. Wir sind immer noch Veranstalter des größten Volksfestes in Ilten und das kann gern auch so bleiben.

Mal abgesehen vom Schützenverein: Was macht Ilten und Sehnde lebenswert? Und was könnte besser werden?

Die Ortschaften der Stadt liegen wirklich verkehrsgünstig und zentral. Wir sind alle sehr gut angebunden an die Verkehrsadern von Nord nach Süd und von Ost nach West vor der großen Landeshauptstadt. Diese Lage schätzt man erst, wenn man die Vorteile mal nicht mehr genießen kann.

Sehnde ist meiner Meinung nach allerdings auch Jahrzehnte nach der Gebietsreform keine Einheit. Vielleicht kann man allerdings auch gar nicht mehr Integration und Identifikation erwarten. Als Iltener schau ich manchmal neidisch auf die kleineren Orte der Stadt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich die Leute dort besser mobilisieren lassen und die Ortsteile deshalb einfach mehr auf die Beine stellen.

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Annika Kamissek aus Bad Münder am Deister

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