"Neger mit Armeleutegeruch"

Buchillustration von 1905 eines typischen "Negers"
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Vor längerer Zeit bin ich durch eine Erbschaft in den Besitz zweier repräsentativer Buchbände aus dem Jahre 1905 gelangt. Die Bände umfassen insgesamt über 800 Seiten im Großformat 23 cm x 31 cm und enthalten von zwei Autoren verfasste reich illustrierte Berichte über eine Reise um die Erde. Der edel gestaltete Einband besteht aus geprägtem Leinen und ist farbig angelegt (s. Foto).

Als ich kürzlich erstmalig in den Schinken blätterte, stieß ich auf eine Beschreibung des amerikanischen Südstaatenstädtchens "Jacksonville", in der sich einer der Autoren über die farbige Bevölkerung und deren Religionsausübung auslässt.

Zum besseren Verständnis der Geisteshaltung dieses Autors zitiere ich aus dem Vorwort eines Bandes, in dem der bei Erscheinen der Bücher zwischenzeitlich verstorbene Verfasser des Reiseberichts gewürdigt wird:

"Ein wackerer Mann, ein reich begabter Schriftsteller ist mit ihm dahin gegangen, ein warmherziger Vaterlandsfreund, der als junger Offizier in den unvergesslichen Jahren 1870/71 für Deutschlands Größe kämpfte, und der, nach dem er den Degen mit der Feder vertauscht hatte, fortfuhr, im kerndeutschen Sinne zu wirken, wo immer sich Gelegenheit bot. Vielen Tausenden hat er in Vorträgen und Schriften, in seiner geistesfrischen, anregenden Art die Liebe zur Natur und zu allem Guten und Schönen, dass die weite Welt birgt, eingeprägt."

Zitat aus dem Reisebericht über Jacksonville:

"Auf den Straßen herrscht jener , dem in südlichen Gegenden Reisenden bekannte Mischgeruch von frischen und fauligen Früchten, Fleisch, Maultiermist und - last not least -von Negern.
Dieser ist der schlimmste von allem. Was bedeutet gegen ihn das harmlose Lüftchen, das wir in Nordeuropa als Armeleutegeruch bezeichnen. Ich will dem Leser mit der Differenzierung dieses einzigartigen Parfüms verschonen, es ist aber fürchterlich und mag nicht zum kleinsten Teile der Grund sein, dass, trotz der politischen Gleichberechtigung, die Weißen den Neger räumlich sich völlig vom Halse zu halten bemüht sind.

Ich nutze die Stunden in Jacksonville - es war ein Sonntag - mir einen Negergottesdienst anzusehen, welcher in einer kleinen hölzernen Kirche stattfand. Die Tür stand offen und ein wüster Spektakel veranlasste mich in die Tür zu treten.
Auf der Kanzel stand ein schwarzer Kerl - der clergy-man - und brüllte mit seinem dem Neger eigenen metallischen Bass grimmig auf die Zuhörer ein, welche von Zeit zu Zeit im Chor gegenanbrüllten. Ich schloss daraus, dass wohl eine Art Responsorien abgehalten wurden, denn verstehen konnte man nichts; schon das Englisch eines einzelnen sprechenden Negers zu verstehen erfordert Übung.

Da Bild war bunt genug: Helle Kattunkleider, Cylinder, rote Kravatten, schmierige Arbeitshemden, ungeheure Frauenhüte, schmutzige Babys, die auf dem Boden krochen. Eine vollbusige Dame sah mich und grinste von einem Ohr bis zum anderen und bald war ich Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit, wobei aber mit derselben Gewalt fortgegröhlt wurde.
Lärm, Hitze und Geruch wurden mir bald überwältigend und ich zog mich zurück. Ich glaube, dass diese Leute sich größtenteils im Zustande der Ekstase befanden, sie brüllen sich in sie hinein, werfen sich auf den Boden, schlagen sich auf die Brust und ins Gesicht. Später wurde mir erzählt, dass die schwarzen Prediger in einem Teil ihrer Reden stets über die Weißen schimpfen, was dass Applausgebrüll erklärt, durch das der Geistliche häufig unterbrochen wurde. " (Zitat Ende).

Nur ein kleiner Reisebericht von 1905, der aber vielleicht mit seiner unterschwelligen Verachtung für andere Ethnien mit dazu beigetragen hat, den Boden für die spätere Rassenideologie der Nationalsozialisten zu bereiten.

Auch das Deutschland nach dem ersten Weltkrieg war nicht frei von Rassismus.
In der Weimarer Republik war neben der antisemitischen Propaganda auch die Agitation gegen die Besetzung des Rheinlandes nicht nur in den Kampfblättern der extrem rechten Parteien bzw. politischen Gruppierungen von „rassistischer Begleitmusik“ durchzogen. Anlass boten hier besonders die teilweise aus Afrika stammenden französischen Besatzungstruppen. Die in dieser Zeitspanne geborenen Kinder einiger schwarzer Soldaten und deutscher Frauen wurden zum Teil als „Gefahr für die deutsche Rassenreinheit“ instrumentalisiert. Die betroffenen Kinder wurden als so genannte „Rheinlandbastarde“ später von den NS-Behörden erfasst und vielfach zwangssterilisiert.

Es lässt sich, angefangen von den deutschen Verbrechen in der Kolonialzeit des Kaiserreiches, über die Weimarer Republik bis hin zum Holocaust im sog. "Dritten Reich" eine Kontinuität des Rassismus verfolgen.

Und heute ?

Auf der dritten Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban/Südafrika brachte die Bundesrepublik Deutschland in einer Erklärung ihre Sorge zum Ausdruck, dass schwerwiegende Formen von Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie existieren. Ebenso wurde in der Erklärung anerkannt, dass es gegenüber nichtdeutschen Staatsangehörigen, Migrantinnen und Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden häufig zu diskrimierenden, fremdenfeindlichen und rassistischen Praktiken kommt.

Eine unendliche Geschichte ?

Buchillustration von 1905 eines typischen "Negers"
Der Bucheinband
Bürgerreporter:in:

Günther Eims aus Sehnde

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