Tunesien nach der Revolution

(Dieser Text gilt auch einer tunesischen Freundin, durch die ich das Land lieben gelernt habe)

Tunesien ist ein von mir oft besuchtes Land.
Nun habe ich dieses Land wieder bereist und einige Veränderungen vorgefunden.
Oberflächlich gesehen hat sich für den Pauschaltouristen nichts geändert, auch wenn Italiener, Deutsche, Franzosen weitesgehend Engländern und Ostblockreisenden gewichen sind.
In Gesprächen mit der Bevölkerung ist aber ein Unmut erkennbar.So wird der Ausverkauf des Landes betrachtete zunehmende Tourismus des "all incloudet" beklagt,der den Individualreisenden immer mehr verdrängt.
Neue Hotelbauten werden als Geldverschwendung angesehen.
Betrachtet man den Luxus dieser Hotels mit den Lebensumständen und der Einrichtung eigener Wohnungen versteht man den Unmut.

Die Polizeipräsenz hat eher zu- als abgenommen.Jeder von Touristen befahrene Kreisel wird überwacht, und bevor diese "check points" erreicht werden, wird der vorher arabische Radiosender auf einen französischen oder englischen Sender umgeschaltet.

Weibliche Polizisten sind noch im Strassenbild vorhanden.Auch weibliche Autofahrer , wobei man sich mit Geste und Blick verbündet.

Dies ist zu erwähnen, weil sich vor der Revolution nur alte Damen in Tücher und lange Gewänder hüllten, und nun der Nikab sich sogar bei jungen Frauen "einzubürgern" scheint.
Daneben gibt es noch Frauen, die in engen Hosen und offenen Haaren , hohen Schuhen abends ausgehen.Doch sie werden zunehmend angefeindet oder als "Freiwild" betrachtet.
"" Die Mehrheit der Frauen hatte eine leise Ahnung , dass sich die Situation für sie verschlechtern würde, dass die nun einsetzenden Entwicklungen die Stellung der Frau in der Gesellschaft bedrohen würde""(Autorin Souad Ben Slimane)

Unter den beiden Diktatoren Habib Bourguiba und Zine el-Abidine Ben Ali erhielten die Frauen paradoxer Weise ab 1956 sehr weitgehende Rechte.

Noch dürfen tunesische Frauen eine unerwünschte Schwangerschaft abbrechen , dürfen als ledige Mutter ihrem KInd ihren Namen geben.
Sie können sich scheiden lassen, und müssen nicht wie in Ägypten auf das Verfahren monate-oder jahrelang warten.

In meinem Stammlokal musste ich nun warten,um auf Toilette gehen zu dürfen, bis ein Mann sein "Geschäft" verrichtet hatte, obwohl die Räume natürlich getrennt sind.Es wurde sich ausführlich entschuldigt(auch von dem Benutzer des "männlichen KLos"), und erklärt, dass das die neuen islamischen Vorschriften seien, mit denen man auch nicht konform sei, aber Nichteinhaltung inzwischen unter Strafe stehe.Salafisten etablieren sich zunehmend.
Diese Tendenz bedroht auch ein Töpferdorf (Sejname) im Norden, welches ausschliesslich von Frauen betrieben wird.Sie haben die tunesische Töpferkunst über Jahrhunderte gerettet.Ganz in der Nähe hat sich ein Hauptquartier der Salafisten niedergelassen,...

""Es gibt in diesem Land nun von allem etwas:Emanzipierte Frauen und sehr Fromme in Kopftüchern, Frauen mit Nikab, immer mehr Bärtige.Seit der Revolution wird das klassische Kopftuch immer sichtbarer.Was suchen die Frauen unter diesen Kilometern von Stoff?""(Souad Ben Slimane).
"" Ich wünche ein Land, das die Freiheit nicht einschränkt, sondern schützt.Ein Land, in dem Tunesier und Tuesierinnen gleichgestellt sind.""

Am 13. August gab es eine Demonstration gegen den Artikel 28 in der tunesischen Verfassung.
Die Islamisten wollten ihn verändern:
Die Frau soll dem Mann nicht gleichgestellt sein, sondern ihn "ergänzen".
Unter jenen, die diese Veräänderung planen, befindet sich sogar eine Frau.Eine Isamistin.
An dieser DEmonstration beteiligten sich auch Männer jeder Altersklasse.

Anhang:

Souad Ben Slimane studierte in Paris und Montpellier,demonstrierte von Dezember 2010 an gegen die Ben-Ali-Diktatur und kämpft seit Jahren für die Rechte der Frauen.
Sie ist Autorin und Schauspielerin und ging mit Tausenden auf die Strasse, um gegen die drohende Verfassungsänderung zu protestieren, die die Gleichstellung der Frau abschaffen würde.

Bürgerreporter:in:

Natalie Parello aus Sarstedt

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