Wilhelm Neurohr: „ZYPERN IST ÜBERALL“ (Leserbrief)

An das Medienhaus Bauer, Marl
zur diversen Berichterstattung vom 20. bis 22. März über die Bankenrettung für Zypern

„ZYPERN IST ÜBERALL“

Dass zur Bankenrettung in Zypern (mit oder ohne Hilfe der EU) zunächst die „kleinen Sparer“ oder deren Rentenkassen „geplündert“ werden sollen, unterscheidet das Vorgehen kaum von demjenigen in Deutschland und in anderen EU-Ländern. Seit vielen Jahren bleiben hier die Lohnerhöhungen, die Rentenerhöhungen und die Sparzinsen unterhalb der Inflationsrate. Das den „kleinen Leuten“ somit vorenthal-tene oder weggenommene Geld sowie obendrein deren gezahlten Steuergelder sind auch bei uns direkt oder indirekt bei den Banken und Spekulanten gelandet sowie bei den Vermögenden – als Teil einer großen Umverteilungsstrategie von unten nach oben. Ähnlich sind auch die Umverteilungseffekte durch die Kürzungs- und Sparpro-gramme einseitig zu Lasten der unteren Bevölkerungsschichten, ob in Griechenland, Spanien oder Portugal. Hierin liegt die Hauptursache für die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung mit der immer größeren Schere zwischen arm und reich, zwischen oben und unten.

Man könnte auch vom „größten Raubzug der Geschichte“ sprechen oder von der „Ausplünderung des Volkes“. Insofern ist Zypern überall – oder Zypern als geschicktes Ablenkungsmanöver der EU von der eigentlichen Krise des gesamten Systems? Europa ist in einer tiefen finanziellen, wirtschaftlichen, sozialen politischen und demokratischen Krise – in einer regelrechten Systemkrise und Sinnkrise.

Trotzdem wird immer nur an Symptomen kuriert und nicht an den brüchigen Fundamenten, also an den Wurzeln des Übels. Daran haben die Profiteure des Ganzen auch kein Interesse, und den ihnen ausgelieferten Politiker fehlt es an Unabhängigkeit, Durchblick und Kreativität sowie Mut für einen grundlegenden Neubeginn in Europa.

Die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa nähert sich infolge der verfehlten Politik der 60-Prozent-Marke – dieser soziale Sprengstoff ist es, der Europa unsanft wachrütteln wird. Dennoch ist es heuchlerisch, wenn ausgerechnet Frau Merkel diese Thema jetzt im Wahlkampf aufgreift, trägt doch gerade ihre Europa-Politik dazu bei, dieses Problem der „verlorenen Generation“ in den südeuropäischen Krisenländern zu ver-schärfen statt zu beseitigen. So macht sich immer mehr die Lüge im politischen und öffentlichen Leben breit. Schon bei der letzten Europawahl sank die Wahlbeteiligung in Deutschland auf 43 Prozent, in anderen EU-Ländern noch darunter. Wir erleben allenthalben das Anfang vom Ende der auf einem Finanz- und Wirtschaftssystem genbauten EU, das nicht mehr den Menschen dient, sondern der egoistischen Gier einiger weniger, die das soziale Leben zerstören und das europäische Sozialstaats-modell auf Suppenküchen reduzieren. Europa müsste neu begründet werden – noch vor dem Europawahljahr 2014.

Wilhelm Neurohr

Bürgerreporter:in:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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