Norwegen: Ein kleines Volk zeigt der Welt den Weg zum Frieden

Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Marl:

– Von: Dietrich Stahlbaum, Recklinghausen
– Betr.: „Attentäter ergab sich telefonisch“, Berichte, Kommentare, Leserbriefe
– Vom: Juli-August 2011

Laut Ihrem Bericht vom 4. August habe der Attentäter unmittelbar vor seiner Festnahme gesagt: „Breivik. Kommandant. Organisiert in der antikommunistischen Widerstandsbewegung gegen die Islamisierung. Operation ausgeführt, und will sich Delta ergeben“. Wenn dies authentisch ist, dann gibt es kaum noch Zweifel daran, dass der Attentäter ein Geisteskranker und wahrscheinlich nicht therapierbar ist. Er wird gemeingefährlich bleiben. Deshalb gehört er unter Verschluss – nicht im Knast, sondern in der Psychiatrie.

Nach allem, was wir bisher wissen, ist Breivik ein Einzeltäter, aber mit einem rechtspopulistischen, islamphobischen, islamfeindlichen und zum Teil esoterischen Umfeld, in dem die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit sich verwischen. Daraus stammen die Ideen, mit denen er ein konfuses Konglomerat, das „Manifest 2083“, wie er es nennt, zusammengebastelt hat. Diesem im Internet vernetzten Umfeld sind nicht nur Parteien wie die norwegische Fortschrittspartei, die dänische DVP und die Neue Rechte in Deutschland mit ihren „Bürgerbewegungen“ zuzurechnen, sondern auch einzelne Wortführer

[[wie der muslim- und islamfeindliche Publizist Henryk M. Broder. Auch auf ihn beruft sich Breivik in seinem „Manifest“. Wort und (Un-)Geist sind in Broders Schriften und im „Manifest“ nahezu identisch. Rechtspopulismus macht sich in ganz Europa breit, versucht, alle Bemühungen um Integration zu hintertreiben, und verleitet zu Hass und Gewalt.]]

Die Mehrheit des norwegischen Volkes hingegen lässt sich davon nicht beirren und zeigt der Welt, wie Hass und Gewalt überwunden und wie in einem multikulturellen Land Integrationsprobleme gemeistert werden können: mit emotionaler Intelligenz.

[[So schreibt der norwegische Friedens- und Konfliktforscher Johan Galtung zu den Terroranschlägen: „Trotz der Trauer, in der auch ich mich befinde, bedarf es einer rationalen und intellektuellen Analyse. Trotz der Verständnislosigkeit, der unmittelbaren Betroffenheit, der Ohnmacht. Was nun geleistet werden muss, ist ´Verstehen und Begreifen`.“ (FR vom 2.8.11)

Galtungs Antworten sind Denkansätze, Aufforderung zum Nachdenken, zur Besonnenheit. Diese Fähigkeiten sind in Norwegen gelebte Kultur, im übrigen Europa und in den USA jedoch unterentwickelt.]]

Besonnenheit schließt Spontaneität nicht aus. Auch in ihr zeigt sich Kultur oder Unkultur, Humanität oder Barbarei. So sagte, wie der SPIEGEL berichtete, am Abend nach den Attentaten eine Norwegerin, die „Hausfrau Lill Seljord“: „Menschen sind wir doch nur, weil wir den Hass überwinden können. Wir sind mehr als das Böse, das in uns ist." Kronprinz Haakon brachte es bei einer Gedenkkundgebung ebenfalls auf den Begriff: "Heute Abend sind die Straßen mit Liebe gefüllt. Wir wollen Grausamkeit mit Nähe beantworten. Wir wollen Hass mit Zusammenhalt beantworten. Wir wollen zeigen, wozu wir stehen. (…) Wir wollen ein Norwegen: In dem wir zusammenleben in einer Gemeinschaft mit der Freiheit, Meinungen zu haben und uns zu äußern. In der wir Unterschiede als Möglichkeiten sehen. In der Freiheit stärker ist als Angst.“

Sichtbarer Ausdruck dieser Solidarität war das Rosenmeer.
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Am 10. August gekürzt in den Zeitungen des Medienhauses erschienen. Gestrichene Textstellen in eckigen Klammern. Volltext auf der Online-Seite des Bauer-Verlages. dst.

Bürgerreporter:in:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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