Wilhelm Neurohr: Ansätze für einen ganzheitlichen Handlungsrahmen zur Krisenbewältigung

Wilhelm Neurohr: Ansätze für einen ganzheitlichen Handlungsrahmen zur Krisenbewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise, der Euro- und Schuldenkrise, der Demokratiekrise

10-Punkte-Programm

• Demokratie verteidigen und Lobbyismus eindämmen: Die Wiederherstellung des Demokra-tieprinzips und die Rückgewinnung des Primats der Politik erkämpfen, auch durch Ahndung von Korruption und stärkere Einflussnahme der Zivilgesellschaft; Demokratisierung der EU und Elemente direkter Demokratie.

• Finanzmärkte regulieren und Banken entmachten: Konsequente Einführung wirksamer Kontrollen der Finanzmärkte, strengere und einflussreichere Bankenaufsicht, gesetzliche Beschränkung des Bankgeschäftes auf die eigentliche dienstleistende Kernfunktion für die Realwirtschaft, keine systemrelevanten Größenordnungen der Banken mehr zulassen (Zerschlagung der Großbanken), Vergesellschaftung der mit öffentlichen Mitteln geretteten Banken, Verbot spekulativer Finanzprodukte, Meldepflichte für Finanztransaktionen im außerbörsli-chen Handel, Trennung des Kredit- und Einlagengeschäftes vom Investmentbanking, Festschreibung von Obergrenzen bei Beleihung von Hypotheken; Verpflichtende Milliardenein-zahlungen der Banken (anstelle der Steuerzahler) in einen europäischen Rettungsfond; Einrichtung einer eigenen europäischen Rating-Agentur als unabhängige Stiftung.

• Steuergerechtigkeit herstellen, Reichtum umverteilen und Fiskalpakt verhin-dern: Deutliche und gezielte Erhöhung der steuerlichen Einnahmen für Staat und Kommunen für die öffentlichen Gemeinschaftsaufgaben und zugunsten gerechter Vermögensverteilung (Aufhebung der Vermögenskonzentration), insbesondere durch höhere und gerechte Besteuerung großer Ver-mögen und Einkommen, (vor allem auch leistungsloser Einkommen durch große Erbschaften, Spekulationsgewinne und Aktienverkäufe etc.).; Steueroasen schließen und Steuersünder aufspüren, Beseitigung von Steuerprivilegien, Aufhebung des undemokratischen Fiskalpakts mit Zwang zum Sozialabbau. Einführung eigener Kommunalsteuer für Städte und Gemeinden.

• Staaten und Kommunen entschulden und Schuldenursachen beseitigen: „Ge-sellschaftspakt Schuldentilgung“ mit Lastenausgleichsfond (Umfinanzierung der Altschulden) zur radikalen Entschuldung überforderter Schuldnerländer und Kommunen durch geordneten Schuldenschnitt und durch Schuldenstreichung, vorheriges Audit über staatlichen Verschuldungsursachen und –zusammenhänge; Einführung von Eurobonds als solidarische Maßnahme (Für den Finanzmarkt attraktive, niedrig verzinste Anleihen der EU-Gruppe zur Weitergabe an bedürftige Länder gegen geringe Gebühr und Anreiz zum Abbau von Neuverschuldung).

• Umorientierung der Sparprogramme – an richtiger Stelle sparen: Sparpotenziale bei den immensen Rüstungsausgaben ausschöpfen, bei Subventionen an die Wirtschaft und für ökologisch schädliche Produkte, bei „Rettungspaketen“ für Ansprüche privater Kapitalanleger, bei Prestige-Projekten wie Stuttgart 21 u.a.m. anstelle der Sparprogramme im Sozialbereich.

• Investitionen anreizen und Konjunktur beleben – Marshallplan für die Krisen-länder: Staat-liche und europaweite Konjunkturprogramme und Investitionsanreize sowie öffentliche Inves-titionen in Forschungs- und Infrastrukturprojekte etc. zur Belebung der Wirtschaft in den Kri-senstaaten, (in Anlehnung an Marshallplan und Lastenausgleich sowie „Aufbau Ost“ seiner-zeit in Deutschland).

• Geldreformen einleiten zur Währungsstabilisierung: Abschaffung des Zin-seszins (als Hauptursache für die zwanghafte Geldvermehrung), Evtl. Erwägung von sog. „Expressgeld“ in Griechenland als staatliches Regionalgeld (alternativ zum Rückzug auf Drachme, zum Verbleib Griechenlands in der Eurozone mit Entspannung der Situation und Vorteile für Wirtschaftsaufschwung), Unterstützung der örtlichen Regionalgeld-Initiativen in den einzelnen Regionen Europas (zur Stärkung regionaler Wirtschaftskraft im Euro-Raum unabhängig von Währungsschwankungen), Einführung von sog. „Vollgeld“ (Ausweitung der gesetzlichen Zahlungsmittel und Geldschöpfung nur noch durch gemeinwohlverpflichteter Nationalbank statt von Eigeninteres-sen verfolgenden Geschäftsbanken);

• Soziale Sicherheit und Kaufkraft für die Menschen schaffen - durch Grundein-kommen und Mindestlöhne: Kräftige Lohnerhöhungen, Gewährleistung tarifgerechter Löhne; Beendigung des Lohndumpings insbesondere im Exportland Deutschland sowie schrittweise Angleichung der Löhne und staatlichen Sozialleistungen in Europa nach den jeweiligen Lebenshaltungs-kosten; Europaweites Verbot der Zeit- und Leiharbeit; Erhöhung der Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit und Bedürftigkeit; Soziale Grundsicherung für alle Europäer durch bedingungs-loses Grundeinkommen und armutsfeste Renten; u. v. m.

• Demokratisierung der Wirtschaft und eine solidarische Gemeinwohlökonomie: Striktere Abgrenzung statt Vermischung zwischen Politik und Wirtschaft; Einrichtung eigener Wirtschaftsräte als demokratische Beratungs- und Mitgestaltungsorgane (Wirtschaftsdemokratie) ; Stärkung der Mitbestimmung in allen Unternehmen; Stärkung der gewerkschaftlichen Einflussmöglichkeiten; Stärkung des Non-Profit-Sektors, Stärkere Kontrolle von Qualitäts- und Sozialstandards in Produktions- und Dienstleistungsbetreiben mit Transparenz der Prozesse, Bildung von Assoziationen zwischen Produzenten, Händlern und Verbrauchern, Stärkung der Verbraucherschutzes und der Verbraucherrechte sowie der Verbraucherberatung; Verschärfte Haftungsregelungen für Produzenten und Dienstleister.

• Aufklärung über Wirtschaftszusammenhänge als notwendiges Bildungs- und Weiterbil-dungsprogramm: Verpflichtende Einführung von Rechts- und Wirtschaftskunde in allen Schulformen und Studiengängen, gezielte Ausweitung der Weiterbildungsprogramme über volks- und gesamtwirtschaftliche (nicht nur betriebswirtschaftliche) Zusammenhänge zur Erlangung von Wirtschaftkompetenz und Beurteilungsfähigkeit. Kurzum: Behebung des öko-nomischen Analphabetentums und Einstieg in die Gemeinwohlökonomie, indem wir das Wirtschaftssystem von Grund auf neu denken lernen.

(Vortragsabend „Griechenland ist überall“ am 24.10.2012 von attac und Paritätischem Wohlfahrtsverband im Kommunikationszentrum „Börse“ Wuppertal mit Wilhelm Neurohr, Recklinghausen)

[Am 20.10.12 per Email von Wilhelm Neurohr, dst.]

Bürgerreporter:in:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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