Siegfried Born: Neubau von forensischen Kliniken in NRW?

Neubau von forensischen Kliniken dringend erforderlich – Zahl der Behandlungsfälle deutlich gestiegen − Risiko für die Bürger immer geringer, dennoch ist der Widerstand aus der Bevölkerung und der betroffenen Bürgermeister deutlich spürbar

Einschätzungen hierzu von Siegfried Born, wohnhaft in Wanne-Eickel

Landesregierung hat weitere Standorte für forensische Kliniken geplant

Erneut ist der Neubau von forensischen Kliniken hier in Nordrhein-Westfalen zum Thema geworden, nachdem die Landesregierung die Standorte genannt hat, an denen neue Kliniken errichtet werden sollen: Lünen, Haltern am See, Hörstel, Reichshof und Wuppertal.

Angst der Bevölkerung ist immer noch vorhanden
Entscheidung über die Köpfe der Betroffenen

Und sofort kam es zum Aufschrei der Bevölkerung und der betroffenen Bürgermeister. Dies geschieht aus zwei Gründen: Zum Einen sitzt die Angst der Bevölkerung vor derartigen Einrichtungen und der latenten Gefahr möglicher Ausbrüche von Triebtätern immer noch sehr tief, zum Anderen wird wieder einmal über die Köpfe der Betroffenen entschieden. Derartige Entscheidungen im Alleingang müssen zwangsläufig dazu führen, dass die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die betroffenen Bürgermeister, egal ob SPD oder CDU, sich dagegen aussprechen und tausend Gründe (berechtigte und vielleicht unberechtigte) gegen den Standort in ihrer Gemeinde finden.

Widerstand und Bürgerinitiativen

Gleich nach Bekanntwerden durch die Landesregierung formiert sich der Widerstand gegen derartige Einrichtungen, und es bilden sich Bürgerinitiativen gegen die geplanten Standorte. Der Neubau von forensischen Kliniken ist notwendig, sagen die Kritiker, aber bitte nicht in unserer Stadt oder unserer Gemeinde. Das uralte Floriansprinzip greift wieder um sich, nachdem bitteschön das eigene Haus vor Feuer verschont bleiben soll, während das Haus des Anderen einem so ziemlich egal ist. Im Fernsehen war zu sehen, wie ein Bürger in Lünen ein Schild hoch hielt, auf dem zu lesen war: „Triebtäter nach Sibirien“. Dies ist sicherlich nicht der richtige Weg im Umgang mit Straftätern und psychisch Kranken.

Keine Menschen vom Mars – Die Triebtäter kommen zumeist aus unserer direkten Nachbarschaft

Bei allem Verständnis um die Sorge, derartige Triebtäter, eingeschlossen in einer forensischen Einrichtung in der eigenen Stadt, könnten ausbrechen und dem eigenen Kind oder den Kindern von Nachbarn, Freunden und Verwandten Gewalt antun, sie sexuell missbrauchen und am Ende sogar noch töten. Die Triebtäter kommen nicht vom Mars oder vom anderen Ende der Welt, sondern aus unserer direkten Nachbarschaft. Es sind unsere Söhne, unsere Ehemänner, unsere Väter und Großväter, die vielleicht sogar jahrelang die Tochter des Nachbarn sexuell belästigt, die Vergewaltigungen vorgenommen, vielleicht sogar gemordet haben und letztendlich überführt worden sind. Diese sind dann in einem ordentlichen Gerichtsverfahren verurteilt worden. Zumeist entscheiden die Gerichte, die Verurteilten in eine forensische Klinik unterzubringen mit dem Versuch der Therapierung. Und da die Zahl dieser Täter in den vergangenen zehn Jahren von 1.800 auf rund 3.000 angestiegen ist, ist die Errichtung weiterer Kliniken dringend erforderlich
.
Hat die Landesregierung den richtigen Weg eingeschlagen?

Dies muss ganz klar verneint werden. Wieder einmal wurde in Düsseldorf gerade in dieser Sache nach Gutsherrenart entschieden. Dass wir weitere Standorte brauchen, ist gar keine Frage. Nur ist die erneute Vorgehensweise höchst bedenklich, was die demokratische vorherige Beteiligung von betroffenen Bürgern und Bürgermeistern betrifft. In einer Art Nacht- und Nebelaktion wird den Bürgern mitgeteilt, dass so entschieden worden ist. Das schafft kein Vertrauen, weder bei den betroffenen Kommunalpolitikern noch bei den Bürgerinnen und Bürgern, in dessen Gemeinde eine solche Einrichtung gebaut werden soll.

Hertener haben sich erfolgreich gewehrt – Herne hat dem Neubau zugestimmt und dafür das Westfälische Landesmuseum erhalten

Erinnern wir uns an vergangene Zeiten. Damals hatte die Landesregierung auch versucht, einen geeigneten Standort für den Bau einer neuen forensischen Klinik zu finden. Wo sie auch anklopfte, überall stieß sie auf Ablehnung, weil sie genauso verfahren hatte wie jetzt auch. Die Hertener Bürgerinnen und Bürger hatten sich erfolgreich gegen die Planung der Landesregierung wehren können, in ihrer Stadt eine Klinik zu errichten. Dann ist man nach Herne gegangen und wollte dort die forensische Klinik errichten. Wieder stieß man auf ein breites Bündnis der Ablehnung, angefangen vom damaligen Oberbürgermeister Wolfgang Becker (SPD) bis hin zu einer Bürgerinitiative. Schließlich hatte man den Oberbürgermeister der Stadt Herne nach Düsseldorf eingeladen zu einem Vieraugen-Gespräch. Die Stadt Herne sollte das Westfälische Landesmuseum erhalten und im Gegenzug dazu wollte die Landesregierung die forensische Klinik im Stadtteil Wanne errichten. Mit dieser Information im Gepäck fuhr W. Becker wieder zurück, ohne jedoch über diesen Deal zu sprechen, hatte ihm die damalige Ministerin doch aufgetragen, gegenüber allen Gremien Stillschweigen zu wahren. Und während die Bürgerinitiative noch auf der Straße demonstrierte, war die Sache mit dem Kompensationsgeschäft in Herne längst unter Dach und Fach: Die Landeregierung hat die forensische Klinik im Wanner Norden errichtet und in Betrieb genommen, und zuvor wurde der Grundstein für das Westfälische Landesmuseum gelegt. So kam es für beide Seiten zu einer win-win-Situation.

Mit den Beteiligten sprechen und Interessenlagen abwägen

Aus den bisher gemachten Erfahrungen im Umgang mit der Suche nach neuen geeigneten Standorten ist es vielleicht sinnvoller, künftig vorher mit den betroffenen Kommunalpolitikern zu sprechen und gemeinsam auszuloten, wo welche Interessenlagen sind und wann Kommunalpolitik und Bürger bereit sind, eine forensische Klinik auf dem Gelände der eigenen Stadt vom Land errichten zu lassen. Demokratie heißt, immer Betroffene zu Beteiligten zu machen.

Bürgerreporter:in:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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