Ein kleines Buch mit großem Inhalt: Albert Schweitzer "Aus meinem Leben und Denken"

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Ich hätte nicht damit gerechnet daß der Besuch einer Veranstaltung der UP Pamina-Veranstaltung zum Thema "Albert Schweitzer" solch eine Resonanz in mir entwickelt...

Neugierig geworden bin ich kurze Zeit später mit meiner Frau nach Günsbach, einem kleinen Ort etwas westlich von Colmar gefahren. Dort ist Schweitzer aufgewachsen, und sein Wohnhaus dort ist inzwischen ein kleines, sehr beeindruckendes Museum geworden.

Dort erwarben wir dann auch DAS Standard- und Einstiegswerk für alle die sich diesem großen Menschen nähern wollen.

In dieser Autobiographie beschreibt Schweitzer seinen Werdegang und seine jeweiligen Schwerpunkte in 20 übersichtlich gehaltenen Kapiteln und in einfachen, bescheidenen und dadurch besonders berührenden Worten.

Beginnend mit seiner Kindheit und Jugend die sein Credo "Ehrfurcht vor dem Leben" entscheidend begründete, seine Ausbildung in der Theologie, die ihn jedoch nicht in einen blinden Glauben trieb sondern im Gegenteil zu einem kritischen, hinterfragenden Forscher machte. Er berichtet hierüber im Kapitel über seine Leben-Jesu-Forschung auch anhand der Abendmalproblematik.
Ist es vorstellbar daß dieser Mann eine psychiatrische Betrachtung des Jesus von Nazareth vornahm? Er tat es!

Albert Schweitzer ist von einer schier unerschöpflichen, kaum vorstellbaren Energie gewesen - das läßt sich nicht nur aus seinen Worten entnehmen.
Schon als 8-jähriger lernte er das Orgelspiel, und später stets im Zwiespalt helfen zu wollen und gleichzeitig das Geld dafür auftreiben zu müssen erreichte er dies auch durch sein Orgelspiel in vielen Ländern und Städten - von denen er viele vor allem besuchte um deren Orgel spielen zu können...
In mehreren Werken befasste er sich mit der Musik J.S. Bachs, verfasste darüber ein umfangreiches Werk auf Französisch - und nach entsprechender Anfrage verfasste er es komplett neu auf Deutsch da ihm eine bloße Übersetzung nicht gefiel - und das im Alter von 30 Jahren neben seinem Medizinstudium, wobei er selbst ebenfalls an der Universität von Straßburg Vorlesungen in Theologie hielt.
Aber nicht nur das Orgelspiel, sondern auch der Orgelbau beschäftigte ihn, und er setzte sich vehement für den Erhalt der alten, traditionellen Orgeln in zahlreichen Kirchen ein. Auch diesem Thema ist ein eigenes Kapitel gewidmet - wo ich resigniert habe, denn um dieses Kapitel wirklich zu verstehen fehlt es mir an den notwendigsten Kenntnissen. Dennoch ist es ein faszinierender, wenn auch unverständlicher Blick in die Welt des Albert S.
Eines der bemerkenswertesten Teile ist die Reaktion seiner Umwelt auf den Entschluß nicht etwa als Missionar, sondern als "Negerarzt" nach Zentral-Afrika zu gehen. Auch hier zeigt sich seine Gradlinienigkeit im Denken UND im Handeln die er auch konsequent in seiner Arbeit in Gabun in den zahlreichen Widrigkeiten beim Aufbau und Betrieb des Krankenhauses dort und während der Kriegszeiten beibehielt - für Anspruch und Wirklichkeit in einer christlichen Gesellschaft findet er deutliche Worte, spart aber auch nicht mit selbstkritischer Betrachtung.

Einen großen Teil des Buches über alle Kapitel hinweg nimmt die Ethik ein. Seine Auseinandersetzung als Philosoph mit der Geschichte und der Gesellschaft nimmt in der Rückschau fast prophetische Züge an.
Mit seinem Werk "Verfall und Wiederaufbau der Kultur" geht es demnächst weiter...

Daß er nicht mit seinem tiefen Glauben hausieren ging, keine Kirche sondern ein Krankenhaus baute, daß er in aller Größe und Universalität ein bescheidener, wenn auch nicht einfacher und streitbarer Mensch blieb und seinen undogmatischen Glauben mehr gelebt als gepredigt hat - das macht mir als Atheist diesen christlichen Humanisten als Vorbild mehr als annnehmbar.

Nachdem ich das Taschenbuch zweimal durchgearbeitet und an einen lieben Mitmenschen verschenkt hatte legte ich mir nun eine alte, gebundene Ausgabe zu....

"Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht."

"Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen der Mitmenschen."

"Mit zwanzig Jahren hat jeder das Gesicht, das Gott ihm gegeben hat, mit vierzig das Gesicht, das ihm das Leben gegeben hat, und mit sechzig das Gesicht, das er verdient."

Albert Schweitzer

Das Taschenbuch ist erschienen bei Deutsch Fischer
8. Auflage 2004, 240 Seiten
Frankfurt ISBN-10: 3596128765
ISBN-13: 9783596128761
8,95€

Bürgerreporter:in:

Edgard Fuß aus Tessin

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